bei geplanter Selbständigkeit; welche Kosten muss Arbeitsamt übernehmen?

| 27. November 2016 18:32 |
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Sozialrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Guten Abend liebes Anwälteteam,
welche Form der finanziellen Unterstützung darf ich durch das Arbeitsamt erwarten, wenn ich mich selbständig machen möchte?
Seit 09.09.2016 bin ich beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet und beziehe seitdem Hartz 4.
Ich bin 30 Jahre jung und habe bis dahin noch nicht versicherungs- und sozialabgabenpflichtig gearbeitet. Ich wurde von der Familie gesponsert und konnte meinen Radsport ausüben. Durch den Tod eines Familienmitgliedes ist dies leider nicht mehr möglich, ich musste mich umorientieren und lebe jetzt von Hartz 4. Krankenversichert war ich über eine freiwillige Versicherung. Bislang bin ich dem Staat noch nicht zur Last gefallen.
Ich möchte mich gerne als Unternehmer - im Bereich Radsport- selbständig machen. Geplant habe ich ein Unternehmen zu gründen, dass Radsportreisen anbietet. (Montainbike, Trail). Das kenne ich und habe auch bereits Reisen begleitet.
Meine Frage: welche Hilfen kann ich vom Arbeitsamt in Anspruch nehmen? Da ich keine professionelle Ausbildung habe würde ich in einen Niedriglohnbereich eingestuft, von dem ich dauerhaft nicht leben kann und was für mich auch keine Perspektive ist. Insofern bietet die Selbständigkeit Perspektive in einem Bereich der wächst und mir Freude bereitet. Inwieweit ist das Arbeitsamt verpflichtet, auch meine Berufswünsche zu berücksichtigen? Welche Kosten ist das Arbeitsamt gesetzlich verpflichtet zu übernehmen? Das beginnt bei einem 9-Sitzer Bus, Versicherungen (Haftpflicht, Rechtschutz, betriebl. Haftplicht), Steuerberater zur Erstellung des Geschäftsplanes, Räder, Gründerseminare bei IHK o,ä,
Ich danke für ihre Hilfe.
Lieben Gruß

27. November 2016 | 20:01

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Grundsätzlich kann das Jobcenter bei Leistungsberechtigten Einstiegsgeld gewähren. Auch weiterer Leistungsbezug ist bei Erwerbstätigkeit möglich, wenn die erwirtschafteten Gelder der Bedarfsgemeinschaft nicht reichen.

Zu beachten ist , dass über allem ein Ermessensspielraum steht, die Behörde kann also bewilligen muss aber nicht.

Zunächst gibt es das Einstiegsgeld nach § 16 b SGB II ( I.V. M. § 93 SGB III ) . Dieses Kann gewährt werden, wenn dies zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt ERFORDERLICH ist oder wenn dadurch die Hilfebedürftigkeit beendet wird. Es darf für höchstens 24 Monate bewilligt werden und soll die Belange der Bedarfsgemeinschaft bei der Ermittlung des Satzes berücksichtigen, folglich erhalten sie für 24 Monate Einstiegsgeld ( solange die Erwerbstätigkeit solange besteht) in etwa in Höhe des Hartz IV Satzes ( Existenzminimum, daher ist es kaum möglich nach unten abzuweichen), wenn ein positiver Bescheid anfällt.

Hierzu ist die subjektive (persönliche) sowie die objektive Eignungsprognose ausschlaggebend. Bei der persönlichen Eignungsprognose werden Branchenkenntnisse, Erwerbsbiographie , Belastbarkeit , Motivation, Ernsthaftigkeit, Unterstützung im sozialen Umfeld sowie Ausbildung und berufliche Erfahrungen bewertet. Bei der objektiven Eignungsprognose kommt es auf den Finanzierungsbedarf der Gründungsidee, die voraussichtlichen Ertragschancen, die Wettbewerbslage und die Konkurrenzfähigkeit sowie die Zulassungsbeschränkungen zu diesem Gebiet an. Sie müssen also zusammen mit dem Antrag nach § 16 b SGB II ein Gründungskonzept vorlegen. Dieses wird Behördenintern bewertet, oftmals werden sie eine Einschätzung der IHK beibringen müssen. Da allerdings § 16 b SGB II eine Ermessensvorschrift ist, kann hier eine positive Entscheidung schon verneint werden, wenn sie anderweitig vermittelbar sind.

Welche Ausgabe bis zur Aufnahme der Selbständigkeit zu bewilligen sind, hängt ebenfalls von Ermessenentscheidungen ab. Lehrgänge und Umschulungen können bewilligt werden, müssen aber wiederum nicht. Hierzu zählen die von ihnen erwähnten Lehrgänge bei IHK , etc.( § 16 c SGB II) wobei die Vermittlung von beruflichen Kenntnissen ausgeschlossen sind. Umfasst sind Existenzgründer - und Buchhalterseminare, sowie auch Tätigkeiten von Steuerberatern, soweit erforderlich.

Die Erstellung eines Gründungskonzeptes dürfte durch das Jobcenter nicht zu zu tragen sein, hier müssen ( und sollten ) sie selbst ran.

Zudem können nach § 16 C SGB II auch Zuschüsse für anzuschaffenden Bedarf von maximal 5000 € geleistet werden (Räder, Büroausstattung), soweit diese angemessen sind. Auch Darlehen dürfen nach dieser Norm gewährt werden, wobei die Höhe nicht beschränkt ist, aber ebenfalls von der Angemessenheit abhängt.

Fazit: Einen einklagbaren Anspruch auf Hilfen zur Selbständigkeit gibt es nicht. Jede Unterstützung hängt von einer Ermessensentscheidung ab, wobei Einstiegsgeld ( angemessenen Geld für Bedarfsgemeinschaft, Sozialpflichtversicherungen sowie sonstige Lebenshaltungskosten die üblicherweise vom Satz abgedeckt werden), Darlehen und Zuschüsse für Beratertätigkeiten und erste Anschaffungen möglich sind. Hier müssen sie zwingend die Beratungsverpflichtung des Jobcenters in Anspruch nehmen. Einen allgemein durchsetzbaren Anspruch gibt es nicht. Daher sind sie zwingend darauf angewiesen, dies mit ihrem Sachbearbeiter zu besprechen.



Für die Zukunft:
Sobald sie selbständig sind und das Einstiegsgeld wegfällt, können sie "aufstockende" Leistungen beantragen. Dafür ist ihr Einkommen nach § 11 SGB II maßgeblich. Von diesem sind gewisse Beträge ( § 11 B SGB II) absetzungsfähig, hierzu gehören Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, Versicherungsbeiträge soweit sie angemessen sind ( Altersvorsorge, Pflegeversicherung).

Auch berufliche Ausgaben können soweit sie angemessen sind abgesetzt werden. Dies gilt für berufsbedingte Ausgaben aller Art. Allerdings darf hierfür das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Einnahmen nicht in krassem Missverhältnis stehen. Ausgaben könne in zwingende Ausgaben und Investitionen ( Erwerb von Gütern die sich Abnutzen oder verbrauchen) unterteilt werden. Investitionen sind grundsätzlich vorher zu beantragen und zu genehmigen. Hieran sollten sie sich zwingend halten, da diese sonst vom Einkommen nicht abgesetzt werden können. Auch hier sollten sie zwingend die Beratung des Jobcenters annehmen.

Ich hoffe dies kann ihnen eine erste Orientierung geben. Ich weise aber noch einmal darauf hin, das einklagbare Ansprüche im Bereich der Existenzgründerhilfe für Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht existieren, sondern unterm Strich der Sachbearbeiter entscheidet.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie gern die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwältin Doreen Prochnow

Bewertung des Fragestellers 29. November 2016 | 06:33

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