Sehr geehrter Fragesteller,
zunächst ist voranzustellen, dass eine abschließende Prüfung der Eigentumsverhältnisse vorliegend nur nach Prüfung des notariellen Kaufvertrages, der Teilungserklärung sowie dem Grundbuchauszug möglich ist. Ferner müsste im Hinblick auf den zweiten Teil Ihrer Frage ergänzend Einsicht in den zugrunde liegenden Bauantrag genommen werden.
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen dennoch auf Grundlage der mir zur Verfügung stehenden Informationen in dem möglichen Rahmen wie folgt beantworten:
1.
Der Teil, der mir nach der Teilungserklärung inkl. Sondereigentum zur Nutzung zugesprochen ist, beträgt nur rund 190/1000 des Miteigentums. Kann ich trotz der gegenlautenen Teilungserklärung einen Anspruch auf die "fehlenden" 100/1000 geltend machen?
Wird Eigentum nach dem WEG aufgeteilt, muss der Eigentümer des Grundstücks gegenüber dem Grundbuchamt erklären, dass sein Eigentum am (Gesamt-)Grundstück in mehrere Miteigentumsanteile am Gemeinschaftseigentum aufgeteilt werden soll. Diese Teilungserklärung wird ins Grundbuch eingetragen und ist damit für alle zukünftigen Sondereigentümer verbindlich. Da die Teilungserklärung im Grundbuch eingetragen ist, ist die von Ihnen dargestellte Konstellation einer Abweichung zwischen dem Ihnen laut Grundbuch und Teilungserklärung zustehenden Sonder- und Miteigentumsanteilen nur durch einen entsprechenden Aufteilungsschlüssel nachvollziehbar.
Miteigentumsanteile werden regelmäßig durch den rechnerischen Bruchteil der einzelnen Eigentumsanteile am gemeinschaftlichen Eigentum gebildet. Wenn die Summe aller Wohn- und Nutzflächen des Sondereigentums an einem Gebäude also beispielsweise 1000 m² beträgt, dann entfällt auf jeden Quadratmeter Sondereigentum (1000 : 1000 = 1) 1/1000 Miteigentumsanteil (MEA).
Bei der Festlegung ist der teilende Eigentümer jedoch nicht zwingend an diese (gerechte) Aufteilung gebunden. Theoretisch möglich wäre demgemäß, einen Eigentumsanteil trotz geringerer Fläche mit ungleich höheren Miteigentumsanteilen zu belegen.
Im Hinblick auf die Gebrauchs- bzw. der Nutzungsmöglichkeit gilt, dass jeder Eigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt ist, vgl. §§ 14
, 15 WEG
. Unabhängig davon, kann jeder Wohnungseigentümer mit seinem Sondereigentum freilich nach Belieben verfahren, vgl. § 13 Abs. 2 WEG
.
Beim Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums kann jedoch durch ein Sondernutzungsrecht von §§ 14
, 15 WEG
abgewichen werden. Sondernutzungsrechte an einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums können durch eine Vereinbarung aber auch durch die einseitige Regelung des teilenden Eigentümers in der mit der Teilungserklärung verbundenen Gemeinschaftsordnung begründet werden.
Ein Anspruch auf "Geltendmachung des fehlenden Eigentumsanteils" dürfte nach alledem vorbehaltlich der Prüfung sämtlicher Unterlagen, jedenfalls auf Grundlage der hier zur Verfügung stehenden Informationen nicht bestehen.
2.
Wie ist es hier, kann der Nachbar (71% vs. meinen 29%) einfach Teileigentum - das ihm gem. Teilungserklärung zur Nutzung zugesprochen ist - bebauen und damit in Sondereigentum umwandeln?
Unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen gehe ich davon aus, dass hier die Bebauung eines durch ein Sondernutzungsrecht versehenen Anteils des Gemeinschaftseigentums gemeint ist.
Die Errichtung eines Gebäudes auf dem Gemeinschaftseigentum wäre eine bauliche Veränderung nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1
, 14 Nr. 1 WEG
. Um bauliche Veränderungen gemäß § 22 WEG
handelt es sich bei auf Dauer angelegten gegenständlichen Eingriffen in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums, durch die ein neuer Zustand geschaffen wird. Bei der Errichtung eines Gebäudes liegt zwanglos eine bauliche Veränderung vor.
Daran ändert auch die Einräumung eines Sondernutzungsrechts an der entsprechenden Fläche nichts. Mit der Einräumung eines Sondernutzungsrechts ist nämlich nicht zugleich Ihre Zustimmung zur Bebauung verbunden. Das Sondernutzungsrecht berechtigt lediglich zum alleinigen Gebrauch bzw. zum Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer.
Bauliche Veränderungen sind daher auch bei Bestehen eines Sondernutzungsrechts nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 WEG
zulässig. Die Errichtung des Gebäudes erfordert daher Ihre Zustimmung, da Sie hiervon betroffen wären.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG
i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG
hätten Sie die Errichtung nur hinzunehmen, wenn Ihnen hierdurch keine Nachteile erwachsen würden, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen. Unter einem Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche, objektiv und konkret feststellbare Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. Bereits die Tatsache, dass die Halle unmittelbar an Ihrem Sondereigentum angrenzen soll, dürfte bereits eine entsprechende Beeinträchtigung begründen.
Vor einer eingehenden anwaltlichen Prüfung der bau- und wohnungseigentumsrechtlichen Rechtslage sollten Sie daher weder gegenüber dem Miteigentümer noch gegenüber der Baubehörde Ihre Zustimmung erklären.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen. Bei weiteren Fragen oder wenn Sie bei diesem Fall anwaltliche Unterstützung benötigen sollten, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit gern zur Verfügung, da meine auf das Wohnungseigentumsrecht spezialisierte Kanzlei auf bundesweite Mandate ausgerichtet ist. Die von Ihnen entrichtete Beratungsgebühr würde im Falle einer Beauftragung vollständig angerechnet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.iur. Mikio A. Frischhut
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