Als Ausbilder vom Chef nicht ernst genommen, Azubis bleiben auf der Strecke

| 21. Mai 2015 23:42 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Brigitte Draudt-Syroth

Sehr geehrte Anwaltsgemeinde,
ich wende mich heute an Sie, weil ich einen Rat hinsichtlich meinen zukünftigen Verhaltens benötige.
Vorab einmal die Schilderung meiner Situation:
Ich arbeite als Angestellter und Ausbilder bei einem IT-Unternehmen und bin dort neben meinen Linienaufgaben im technischen Support und als FieldService-Techniker für die Betreuung unserer Azubis zuständig.
Aus letzterem Grund habe ich die AEVO-Prüfung abgelegt und bestanden. Ich bin ferner der einzige Mensch im Unternehmen, der den Beruf des Fachinformatikers SI erlernt hat (und auch der Einzige mit "Ausbilderschein"). Unsere Azubis lernen eben diesen Beruf. Ich bin als Ausbilder bei der IHK benannt und dementsprechend auch in das Verzeichnis und die Ausbildungsverträge unserer Azubis als verantwortlicher Ausbilder eingetragen.

Nun befinde ich mich in der Situation, dass ich hinsichtlich meiner Erwartungshaltung, den Azubis im Rahmen ihrer Ausbildung die Kenntnisse des entsprechenden Rahmenplanes zu vermitteln und diese durch praktische Erfahrungen auch zu festigen immer wieder auf massiven Wiederstand der Geschäftsleitung stoße.
Dies beginnt dabei, dass man mir für zwei Azubis ein bis zwei Stunden Zeit pro Woche für "Frontalunterricht" einräumen möchte "wenn nicht andere Dinge dazwischen kommen und endet dabei, dass qua Arbeitsüberlastung in der Werkstatt schlicht keine Zeit für Ausbildungsroutineaufgaben wie Berichtshefte schreiben etc. oder den Abteilungsdurchlauf gewährt wird.
Ferner hat durch diese Situation einer meiner beiden Schützlinge (2., bald 3. AJ) bis heute vielleicht zwei Kundenbetriebe bzw. deren Netzwerke flüchtig aus der Nähe betrachtet und verrichtet sonst nur Routineaufgaben in der Werkstatt, sprich wird nicht ausgebildet sondern ist an sich nur billige Arbeitskraft (was die Ergebnisse der Zwischenprüfung auch belegen), vom Aktualitätsgrad der Berichtshefte etc. mag ich gar nicht reden. So wird er in keinem Fall seine Abschlussprüfung bestehen.

Ich stoße mit meiner (mitunter bereits massiv und mit Nachdruck geäußerten) Kritik an diesem Zustand tagesformabhängig auf aggressive Ablehnung oder einfach auf taube Ohren und werde bei Vorschlägen oft sogar noch persönlich von der Geschäftsleitung angegangen (man sucht sich dann irgendwelche kleineren Arbeitsfehler meinerseits um sinngemäß zu äußern "kümmern Sie sich erstmal um Ihre Dinge bevor Sie für die Azubis planen").
Auch der Hinweis auf unsere Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag und dem BBiG werden zwar (wieder tagesformabhängig) zur Kenntnis genommen, aber nicht umgesetzt.
Ebenso fehlt die Rückendeckung der GF hinsichtlich der mit der Ausbildertätigkeit zwingend notwendigen Weisungsbefugnis gegenüber Kollegen wenn diese die Ausbildungsverantwortung für einzelne Themenbereiche übernehmen sollen / müssen, sodass hier einfach alles stattfindet, aber nicht das Ausbildungsteilziel angegangen wird.

Diese leider nicht als Einzelfall sondern eher den Dauerzustand beschreibende Situation kann ich weder im Sinne meiner beiden Schützlinge hinnehmen noch vor dem Hintergrund entsprechender Bußgeldvorschriften des BBiG akzeptieren und suche nunmehr Ihren Rat.

Nun meine Fragen:

1. Wie kann ich es bewerkstelligen, dass unser Betrieb hier von Außen zum Einlenken gezwungen wird (ohne hierfür selbst auch noch als Verantwortlicher zur Kasse gebeten zu werden)?

2. Ist es möglich, als Ausbilder seine Pflicht/sein Amt/seine Aufgaben niederzulegen, sprich der IHK mitzuteilen, dass ich (ab sofort) hierfür keine Verantwortung mehr übernehmen möchte und aus den entsprechenden Verträgen/Datenbanken gelöscht werden will, auch mit der Konsequenz, dass dann niemand innerhalb des Betriebes die fachliche und persönliche Eignung als Ausbilder vorweisen kann (Stichwort "externer Ausbilder")?

3. Wie löse ich diese Problematik für mich so auf, dass ich nicht am Ende für das Fehlverhalten meines (bzw. meiner) Chefs noch Betroffener eines OWi-Verfahrens werde und evtl meine Ausbildereignung aberkannt bekomme?

Danke für Ihre Auskunft.

Sehr geehrter Fragesteller,

in dem von Ihnen geschilderten Fall ist Fingerspitzengefühl gefragt, zum einen um die Ausbildung der Azubis nicht zu gefährden, aber zum anderen auch, um Ihren eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

Zunächst einmal teilen Sie mit, dass Sie als Ausbilder in den Ausbildungsverträgen genannt sind. Somit können Sie mit einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 102 BBIG belangt werden. Es käme hier § 102 I Nr. 3 BBIG in Betracht, wenn den Auszubilden Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck nicht dienen.
Die Auslegung dessen, was hierunter fällt, ist im Einzelfall vorzunehmen und auch in welcher Intensität und Dauer dies vorliegen könnte. Es gibt hierfür als Richtschnur den Ausbildungsplan.
Die Gelegenheit zum Führen des Berichtshefts jedenfalls muss dem Auszubildenden während der Arbeitszeit gegeben werden, ferner muss der Ausbilder das auch kontrollieren und die entsprechenden Eintragungen unterschreiben.

Zu Ihrer Frage Nr. 1:
Es besteht zum einen die Möglichkeit, sich an die IHK zu wenden. Die Bandbreite reicht von einer entsprechenden Beratung dort bis hin zum Einschalten der IHK als Schlichter.
Ferner besteht auch die Möglichkeit, mit den Berufsschullehrern der Auszubildenden Kontakt aufzunehmen, denn diese kennen die Azubis, den Ausbildungsbetrieb sowie auch den Kenntnisstand der anderen Azubis in der Klasse.
Es ist natürlich hier immer eine Gratwanderung, weil Sie ja mit einem solchen Vorgehen Ihren eigenen Betrieb in ein schlechtes Licht rücken, bis hin zu der Erkenntnis, dass der Ausbildungsbetrieb die Ausbildung nicht gewährleistet.
Aus diesem Grund ist es empfehlenswert hier behutsam vorzugehen.

Eine weitere Frage ist es zu klären, wie die Auszubildenden selbst ihre Ausbildung empfinden/ einschätzen. Diese haben ja sicherlich einen direkten Einblick, wie sich die Ausbildung bei deren Kollegen gestaltet und auch, ob und inwieweit sie mit den Inhalten in der Berufsschule zurecht kommen.

Sofern es in Ihrer Firma einen Betriebsrat oder möglicherweise eine Jugend-und Auszubildendenvertretung gibt, sollten Sie sich auch an diese wenden.

zu Ihrer Frage Nr. 2
Sie haben schon die Möglichkeit, den erwogenen Schritt zu gehen. Damit gefährden Sie aber nicht nur, wie Sie selbst befürchten, Ihre Ausbildereignung, sondern kann ein solches Vorgehen natürlich auch Auswirkungen auf Ihr eigenes Arbeitsverhältnis haben.Sie riskieren zumindest eine Abmahnung oder gar eine Kündigung, weil Sie Ihren Pflichten aus Ihrem eigenen Arbeitsvertrag nicht nachkommen, denn Sie haben die Pflicht übernommen, die Ausbildung in dem Betrieb durchzuführen. Auch kann man Ihnen vorwerfen, dass Sie Ihren eigenen Arbeitgeber schlecht machen und daher illoyal sind.

zu Ihrer Frage Nr. 3
Nach alledem riskieren Sie genau das, was Sie befürchten, nämlich die Aberkennung Ihrer Ausbildereignung. Eine solche kommt in Betracht vor allem dann, wenn Sie die persönliche Eignung nicht (mehr) aufweisen. Dieser Begriff bietet natürlich weite Auslegungsmöglichkeiten und wird im Einzelfall zu überprüfen sein.
Auch können Sie - wie oben gesagt- nach § 102 BBIG belangt werden.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, behutsam vorzugehen und ein Gespräch bei der IHK und der Berufsschule gut abzuwägen.

Mit freundlichen Grüßen
Draudt
Rechtsanwältin

Rückfrage vom Fragesteller 22. Mai 2015 | 12:26

Hallo Frau Draudt,
danke für Ihre ausführliche Antwort.
Es ist ja genau mein Problem, dass ich gerne meiner Verantwortung gerecht werden möchte, mir aber diesbezüglich schlicht keinerlei Möglichkeiten eingeräumt werden, dies auch zu tun.
Meine beiden Schützlinge (insbesondere der Fortgeschrittenere) sehen die Qualität der Ausbildung selbst sehr kritisch und haben ihre Bedenken deswegen.
Sicherlich wäre es illoyal dem AG gegenüber, jedoch betrachte ich es nicht als Illoyalität, wenn ich mich gegen rechtlich fragwürdiges Verhalten absichere, grade vor dem Hintergrund, dass ich im Zweifel sowohl monetär als auch - nennen wir es einmal "standesrechtlich" - hierfür Konsequenzen zu befürchten habe.

Daher nochmal eine Rückfrage:
Gibt es einen Weg, wie ich hier aktiv werden kann, ohne gleich persönliche Konsequenzen seitens der "Obrigkeit" befürchten zu müssen, aber dennoch Veränderungen herbeiführen kann, die es mir.
Ergänzend gesagt: Meine Ausbildertätigkeit ist nicht direkt im Arbeitsvertrag festgehalten sondern per Zusatzvereinbarung nachträglich vereinbart worden.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. Mai 2015 | 13:15

Sehr geehrter Fragesteller,

Sie teilen mit, dass eine Zusatzvereinbarung zu Ihrem Arbeitsvertrag getroffen wurde, die Ihre Ausbildertätigkeit zum Inhalt hat. Diese Zusatzvereinbarung ist als Bestandteil Ihres Arbeitsvertrages anzusehen. Daher gilt das, was ich bezüglich Ihres Arbeitsverhältnisses aufgeführt hatte, um so mehr als beachtenswert. Die Zusatzvereinbarung zeigt, dass Ihrem Arbeitgeber genau bewusst ist, dass Sie die zusätzliche Aufgabe übernommen haben und er hat das eben gerade auch vertraglich abgesichert.

Möglicherweise wäre es die geschickteste Vorgehensweise, wenn Sie die Auszubildenden zunächst selbst veranlassen, mit den Berufsschullehrern das Problem zu besprechen und die Berufsschule einen Besuch der Ausbildungsstätte vornimmt. Auch finden - zumindest in meinem Bereich ist mir das bekannt- Ausbildertreffen statt, bei denen ein Austausch zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb möglich ist.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, wenn sich die Auszubildenden an die Geschäftsleitung wenden und um Zeit für ihr Berichtsheft bitten und so ein Dialog über die Ausbildung an sich in Gang käme, in der Sie sich ja dann einschalten können. Ich hatte Sie auch auf die Möglichkeit hingewiesen, ggf. einen Betriebsrat einzuschalten.

Die in meiner ursprünglichen Beantwortung der Frage aufgezeigte Vorgehensweise bei der IHK kann die genannten Folgen nach sich ziehen und ist daher gut abzuwägen.

Mit freundlichen Grüßen
Draudt
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 24. Mai 2015 | 00:43

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