Sehr geehrter Fragesteller,
ich bedanke mich für Ihre Frage, die ich auf Grundlage Ihrer Schilderung wie folgt beantworten möchte:
Im Grundsatz bezeichnet § 65 Abs. 1 Nr. 16 BauO NRW Stützmauern bis zu 2,0 m Höhe über der Geländeoberfläche als genehmigungsfreie Vorhaben. Ihr Nachbar benötigt nach dem Wortlaut dieser Norm für das von ihnen beschriebene Vorhaben keine Baugenehmigung.
Nur wenn Ihr Nachbar eine Baugenehmigung benötigt, hätten Sie aufgrund nachbarschützender Normen die Möglichkeit durch einen Drittwiderspruch die erteilte Baugenehmigung überprüfen zu lassen und ggf. den Bau durch die Suspensivwirkung eines Widerspruchs oder im einstweiligen Verfahren zu stoppen. Zunächst kommt es also darauf an, herauszufinden, ob in Ihrem konkreten Einzelfall entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 65 Abs. 1 Nr. 16 BauO NRW eine Baugenehmigung erforderlich ist. Vom OVG Nordrhein-Westfalen wurde am 09.09.1987 – 11 A 1997/85 entschieden, dass Stützmauern dann nicht von der Genehmigungsbedürftigkeit befreit sind, wenn sie der größeren Veränderung der Geländeoberfläche bei Aufschüttungen dienen. In solch einem Fall seien die Stützmauer und die Aufschüttung als eine untrennbare Einheit einzustufen. Nach Ihrer Schilderung gehe ich davon aus, dass es sich um eine derartige „größere Veränderung der Geländeoberfläche“ handelt. In einem ersten Schritt sollten Sie deswegen gegenüber dem zuständigen Bauordnungsamt den Sachverhalt darstellen, darauf hinweisen, dass Ihr Nachbar eine Aufschüttung der Hälfte seines Grundstücks plant und auf das zitierte Urteil mit der Frage verweisen, ob Ihrem Nachbarn eine Baugenehmigung erteilt wurde. Betrifft die Baugenehmigung als Verwaltungsakt aufgrund nachbarschützender Rechte auch Sie, haben Sie ein Recht auf die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Sie brauchen sich also nicht scheuen, diese Frage der Bauordnungsbehörde zu stellen.
Gehe ich in der Folge davon aus, dass Ihrem Nachbarn eine Baugenehmigung bereits erteilt wurde oder noch erteilt wird, kommt es für deren Rechtmäßigkeit darauf an, dass sich die Baugenehmigung mit dem gesamten Baurecht im Einklang befindet. Also sowohl bauplanungsrechtlich als auch bauordnungsrechtlich zulässig ist. Für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit kommt es darauf an, ob das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt oder außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans. Ich gehe davon aus, dass Ihr Grundstück und das Ihres Nachbarn im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen. Dann wäre zunächst festzustellen, ob der Bebauungsplan Regelungen über Aufschüttungen, Stützmauern und Einfriedungen trifft. Die von Ihrem Nachbarn geplante Maßnahme müsste sich an diese Regelungen halten. Die von Ihnen angesprochene Ortsüblichkeit hat im Rahmen von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO
Bedeutung. Danach sind bauliche und sonstige Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Es ist durchaus denkbar, dass im Bebauungsplan Regelungen über die Einfriedung getroffen wurden, ebenso kann eine Einfriedungsart durch die tatsächlichen Umstände ortsüblich vorbestimmt sein. Dies gilt umso mehr als der Einfriedungsart im Gesamtbild der Grundstücke eine besondere ästhetische Bedeutung zukommt. Wie sie selbst beschreiben ist es der Einfriedung mit Maschendraht und deren Überwucherung gedankt, dass das Gesamtbild der Gärten offen und natürlich aussieht. Das von Ihrem Nachbarn geplante Vorhaben kann darin wie ein Fremdkörper wirken. Dies sollten Sie gegenüber der zuständigen Baubehörde darstellen und dort eine Meinung zu dieser Ansicht einholen. Dies kann bereits bewirken, dass sich die Baubehörde mit dem Fall erstmals oder aber erneut auseinandersetzt.
Diese Ausführungen dienen Ihrer ersten Orientierung. Angesichts der gerade im Baurecht starken Abhängigkeit der rechtlichen Bewertung von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall kann diese Erstberatung eine eingehende Prüfung Ihres Falles anhand aller Umstände nicht ersetzen. Sollten die genannten Maßnahmen gegenüber der Baubehörde keine Wirkung zeitigen sollten Sie einen Kollegen mandatieren, der sich vor Ort ein Bild machen kann. Gerne stehe ich Ihnen im Rahmen der einmaligen, kostenlosen Nachfragefunktion zur Verfügung.
Mit bestem Gruß
Jan Prill
Sehr geehrter Herr Prill,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Speziell der Teil zur Ortsüblichkeit erscheint mir klar, hier scheine ich als einen Ansatzpunkt zur Intervention zu haben.
Nicht ganz klar sind mir Ihre Ausführungen zur Stützmauer. De facto ist es ja nur bis ca. 1 m Höhe eine Stützmauer (denn so hoch ist die Anschüttung). Darüber möchte er noch einen ca. 1 m hohen Holzlamellenzaun als Sichtschutz errichten, sodass dann insgesamt von unserer Seite aus eine 2 m hohe nicht durchsichtige Einfriedung bestehen würde. - Dafür passt dann wieder Ihr Begriff vom Fremdkörper.
Könnten Sie bitte die Umstände betreffs der ´gemischten´ Stütz-Sicht-Begrenzung noch einmal auseinanderlegen?
Vielen Dank!
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Nach § 65 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW sind Einfriedungen bis zu 2,0 m Höhe, an öffentlichen Verkehrsflächen bis zu 1,0 m Höhe über der Geländeoberfläche genehmigungsfrei, wenn sich das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindet.
Ob es sich bei einer Stützmauer gleichzeitig um eine Einfriedung handelt wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden. Nachdem jedoch sowohl eine Stützmauer als auch eine Einfriedung bis zu einer Höhe von 2,0m genehmigungsfrei ist, spricht nichts dafür dies bei einer Kombination aus Stützmauer und Einfriedung anders zu sehen. Beide Maßnahmen gesondert sind genehmigungsfrei. Bei Ihrer Kombination ergibt sich keine andere Einschätzung.
Ansatzpunkt für Sie muss also zunächst sein, trotz der grundsätzlichen Genehmigungsfreiheit unter Zitierung der genannten Entscheidung und der größeren „Veränderung der Geländeoberfläche“ durch die Aufschüttung das Erfordernis einer Baugenehmigung klarzustellen. Die Zulässigkeit dieser Baugenehmigung ließe sich dann unter Hinweis auf § 15 BauNVO
und die ortsunübliche Einfriedung angreifen. Eine Aussage über die Erfolgsaussichten dieses Angriffs lässt sich ohne Ortskenntnis nicht treffen.
Mit bestem Gruß
Jan Prill