Guten Tag,
Sie befinden sich an der Nahtstelle zwischen dem Direktions- bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers und der Frage einer möglichen Änderungskündigung.
Ihr Arbeitsvertrag enthält die von Ihnen zitierte Klausel, derzufolge Ihr Arbeitgeber jederzeit zusätzlich oder alternativ eine andere Aufgabe zuweisen kann.
Dies bedeutet, daß eine gleichwertige Tätigkeit in Ausübung des Direktionsrechtes von Ihnen verlangt werden kann.
Dies vorausgeschickt, zu Ihren Fragen:
1.
Ob eine administrative Tätigkeit verglichen mit der Leitung eines Technologieprojektes gleichwertig oder geringwertig ist, läßt sich nicht abstrakt entscheiden. Es kommt immer auf die Wertigkeit der Tätigkeit an, die miteinander verglichen werden muß. Im Zweifel liegt bei einer weiter gleichen Vergütung auch eine gleichwertige Tätigkeit vor.
2.
Ein Orientierungsgespräch müssen Sie nicht zwangsläufig wahrnehmen. Allerdings wird die Weigerung, ein Gespräch zu führen, auch nicht sehr konstruktiv wirken. Sie sollten deshalb die Einladung Ihres Arbeitgebers wahrnehmen, zumal dies auch Ihnen Gelegenheit gibt, Ihren Standpunkt klarzumachen. Wenn Sie hierzu ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen, kann Ihnen der Arbeitgeber dies nicht negativ anrechnen.
3.
Die in Ihrem Arbeitsvertrag dargelegte Klausel konkretisiert lediglich das Direktionsrecht des Arbeitgebers und gibt damit eigentlich eine Selbstverständlichkeit wieder.
4.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates setzt in § 99 BetrVG
eine Versetzung voraus. Eine Versetzung setzt aber eine auf Dauer gerichtete Zuweisung einer anderen Tätigkeit als die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete voraus. Wenn sich die Zuweisung der Tätigkeit im Rahmen der von Ihnen zitierten Direktionsklausel hält, liegt damit betriebsverfassungsrechtlich keine Versetzung vor, sondern lediglich eine zulässige Abänderung des Aufgabenbereiches.
Diese Abgrenzung läßt sich aber naturgemäß nicht abstrakt treffen, sondern bedarf der genauen Abgrenzung im Einzelfall.
5.
Einer Änderungskündigung von Seiten des Arbeitgebers bedarf es nur, wenn die neue Tätigkeit nicht gleichwertig ist, sondern geringwertiger. Nur in diesem Fall deckt das Direktionsrecht des Arbeitgebers eine Zuweisung nicht, der Arbeitgeber müßte dann eine Änderungskündigung aussprechen, gegen die Sie wiederum binnen drei Wochen ab Zugang arbeitsgerichtliche Schritte einlegen müßten.
Sie sollten in dem Personalgespräch Ihre Position noch einmal dem Arbeitgeber darlegen und insbesondere auch darlegen, woran Ihrer Ansicht nach die Schwierigkeiten liegen. Wenn Ihr Arbeitgeber dann nach wie vor eine andere Tätigkeit zuweisen will, sollten Sie einen Anwalt vor Ort aufsuchen, um konkret das weitere Vorgehen abzuklären.
Ihre Idee, zunächst die weiteren Umstrukturierungen abzuwarten, ist sicherlich nicht falsch, setzt aber voraus, daß hier der Arbeitgeber auch mitspielt. Generell ist es sicherlich besser, die Angelegenheit einvernehmlich zu regeln, bevor Sie den Weg zum Arbeitsgericht suchen. Dieser belastet häufig, so berechtigt er auch im Einzelfall sein kann, das Arbeitsverhältnis über Gebühr.
Ich hoffe, ich habe Ihnen weitergeholfen. Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Astrid Wiemer
Rechtsanwältin
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Hallo Frau Wiemer,
vielen Dank für Ihre Antwort und die ausführliche Information.
Ich sehe die Wertigkeit der angebotenen Position als sehr gering, aber verstehe Ihre Aussage, dass im Zweifel bei einer weiter gleichen Vergütung auch eine gleichwertige Tätigkeit vorliegt.
Ich habe folgenden Text in beck-online.de gefunden:
"Auch dann, wenn der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts grundsätzlich befugt ist, den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers zu verkleinern, muß seine Maßnahme billigem Ermessen entsprechen (§ 315 III BGB
). Dazu gehört, daß alle wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind (Bestätigung der bisherigen Rspr., vgl. insb. BAGE 33, 71
= AP § 611 BGB - Direktionsrecht - Nr. 26)."
Jetzt bleibt für mich nur noch ein Punkt offen:
Nach welchen Kriterien wird die Wertigkeit zweier Tätigkeiten unterschieden oder reicht es aus, wenn ich einen ´begründeten´ Zweifel habe, dass meine "Interessen nicht angemessen berücksichtigt" wurden?
Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus.
Guten Tag,
die Wertigkeit beider Tätigkeiten richtet sich grundsätzlich zunächst nach objektivem Maßstab. Problem ist weiter, daß der Arbeitgeber nur im Rahmen des billigen Ermessens seine Maßnahme begründen muß. Dies bedeutet, daß die subjektiven Überlegungen des Arbeitgebers mit in die Wertung einfließen. Im Kern werden Sie, wenn der Arbeitgeber juristisch beraten ist, immer wieder eine gerichtsfeste Wertung des Arbeitgebers zu den ihn treibenden Motiven hören.
Mit freundlichen Grüßen
Astrid Wiemer