Erbrecht, Verjährung, Höfeordnung

4. November 2010 00:05 |
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Erbrecht


Beantwortet von


09:29

Der Erblasser verstarb 1996. Der Nachlass war per notariellem Testament geregelt. Die Witwe sollte befreite Hofvorerbin werden, das hoffreie Vermögen und lebenslanges Wohnrecht im Hofgebäude erhalten. Der einzige Sohn sollte mit Vollendung des 25. Lebensjahres den Hof übernehmen. Der Tochter, als weichende Erbin, sollte innerhalb von 5 Jahren nach der Hofübernahme eine Eigentumswohnung im Hofgebäude ausgebaut werden.
Des Weiteren wurde den Kindern eine umfangreiche Waffensammlung zu ungefähr gleichen Teilen vererbt.
Nach dem Tod des Erblassers strebte die Witwe an, den Hof aus der Höfeordnung nehmen zu lassen. Das Amtsgericht stellte 1997 fest, dass der Hof zu dem Zeitpunkt des Erbfalls kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr war. Daraufhin beantragte die Witwe einen Erbschein als Alleinerbin mit der Begründung, sie habe das hoffreie Vermögen geerbt, dies sei nach Aberkennung der Hofeigenschaft nunmehr das gesamte Vermögen. Das Amtsgericht gab den Kindern die Möglichkeit, zu diesem Antrag schriftliche Einwände zu erheben. Dies geschah nicht. Es war im Interesse der Kinder, der persönlichen Lebenssituation der Witwe kein Risiko auszusetzen, da sie befürchtete, dass der Sohn zu dem damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage war, den Verpflichtungen des Hoferbes nachkommen zu können. Außerdem vertrauten die Kinder darauf, dass die Witwe letztlich hier als Vorerbin fungieren würde. Eventuelle weitere rechtliche Konsequenzen wurden damals nicht erkannt. Die Witwe wurde als Alleinerbin eingesetzt. Mittlerweile werden von ihr Verfügungen bezüglich des Nachlasses getroffen, die nicht dem Wunsch des Erblassers und dem Willen aller Kinder entsprechen.
Meines Erachtens ist dadurch, dass das notarielle Testament allein auf das Vorhandensein der Höfeeigenschaft ausgelegt war und keine Alternative hierzu geregelt wurde, durch den Wegfall der Hofeigenschaft das Testament unwirksam. Es hätte die gesetzliche Erbfolge greifen müssen.
Frage hierzu: Besteht heute noch die Möglichkeit/Chance, den Anspruch durchzusetzen?

4. November 2010 | 00:52

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

durch die aus Sicht des Erblassers veränderte rechtliche Einschätzung des Hofes als 'kein Hof im Sinne der Höfeordnung' kann nicht die Nichtigkeit des Testaments gefolgert werden.

Ist ein Testament unklar formuliert oder bietet es Anlass zu Zweifeln, was der Erblasser gewollt hat oder entstehen durch neue oder vom Erblasser nicht beachtete rechtliche oder tatsächliche Konstellationen planwidrige Lücken im Testament, ist das Testament auszulegen.

Dazu wird das vorhandene Testament danach beurteilt, was der Erblasser tatsächliche wollte. Dazu können auch über das Testament hinaus gehende Willensbekundungen des Erblassers oder auch frühere Testamente herangezogen werden.

Ist eine Auslegung damit nicht möglich, da der tatsächliche Wille dadurch nicht festgestellt werden kann, ist der mutmaßliche Wille zu erforschen. Dieser muss sich wenigstens andeutungsweise aus dem Testament ergeben.

Ist auch dies, z. Bsp. durch eine planwidrige Lücken im Testament, nicht möglich, muss der hypothetische Wille des Erblassers festgestellt werden. Dabei muss die Frage beantwortet werden: Welchen Inhalt hätte das Testament, das der Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung des ursprünglichen Testaments angefertigt hätte, wenn er Kenntnis von den rechtlichen oder tatsächlichen Umständen gehabt hätte.

Sollte sich aus der Auslegung des Testaments oder dem hypothetischen Willen des Erblassers ergeben, dass außer der Witwe weitere Personen Erben geworden sind, bilden diese Personen zusammen mit der Witwe eine Erbengemeinschaft und können den allgemeinen Regeln einer Erbengemeinschaft folgend die Auflösung der Erbengemeinschaft durchsetzen. Notfalls müssten die Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden.

Wie hoch die Chancen einer solchen Durchsetzung sind, kann von hier, ohne Kenntnis des Testaments und der konkreten Umstände, nicht beurteilt werden, da dabei zunächst, wie oben erläutert, der tatsächliche oder mutmaßliche oder hypothetische Wille des Erblassers festgestellt werden müsste.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann,
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Durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben Ihrerseits kann die rechtliche Beurteilung anders ausfallen.

Ich hoffe, mit der Beantwortung Ihrer Anfrage, weitergeholfen zu haben.
Für Rückfragen nutzen Sie bitte die Möglichkeit der kostenlosen Nachfrage.
Für eine weiterführende Interessenvertretung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Bordasch
Rechtsanwalt

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Rückfrage vom Fragesteller 4. November 2010 | 01:13

Sehr geehrter Herr Bordasch,

vielen Dank für die prompte Reaktion. Um eine überschlägige Einschätzung meines Rechtsproblems zu erhalten, interessierte mich vorrangig die Frage, inwieweit ich HEUTE Möglichkeiten habe, gegen die damalige Auslegung des Testamentes und daraus resultierende Entscheidung des Gerichtes vorzugehen. (Die Witwe als Alleinerbin einzusetzen, obwohl im Testament auch die Kinder berücksichtigt waren)

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 5. November 2010 | 09:29

Sehr geehrter Fragesteller,

Sie haben die Möglichkeit eine Feststellungsklage gegen die Witwe zu führen, dass Sie und die Witwe (und möglicherweise weitere Dritte) eine Erbengemeinschaft bilden. Im Rahmen der Feststellungsklage würde der tatsächliche oder mutmaßliche oder hypothetische Wille des Erblassers festgestellt werden.

Das Nachlassgericht hat, so ich Sie richtig verstanden habe, nicht die Witwe als Alleinerbin eingesetzt, sondern nur einen Erbschein ausgestellt. Der Erbschein schafft jedoch keine Erbfolge, sondern dokumentiert nur, die Erbfolge aufgrund von Angaben des Antragstellers. Daher kann ein unrichtiger Erbschein auch gem. § 2361 BGB eingezogen oder für kraftlos erklärt werden.

Bevor Sie eine Feststellungsklage erheben, rate ich Ihnen einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl mit der Prüfung des Testaments zu beauftragen um bereits vorab die Chancen einer Feststellungsklage einschätzen zu können.

Gerne steht Ihnen unsere Kanzlei dazu zur Verfügung, wobei die von Ihnen hier gezahlte Erstberatungsgebühr angerechnet wird. Auch eine größere örtliche Entfernung steht einer Mandatsübernahme nicht im Wege, da die Kommunikation auch gut über Telefon, EMail, Post und Fax erfolgen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Bordasch
- Rechtsanwalt -

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