Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
Ihre Rechtsfragen beantworte ich anhand der von Ihnen übermittelten Informationen wie folgt:
1.
“Ist der Anspruch des Erben auf Naturverpflegung gegen den Testamentsvollstrecker nicht ebenfalls pfändbar?“
Grundsätzlich ist auch dies zwar ein pfändbarer Anspruch, ebenso wie der Anspruch auf Auseinandersetzung oder eben der Anspruch auf den jährlichen Reinertrag.
Im vorliegenden Fall wird jedoch die Pfändung durch die testamentarisch verfügte Pflichtteilsbeschränkung nach § 2338 BGB
ausgeschlossen.
Dies hat gemäß § 863 ZPO
zur Folge, dass „die Nutzungen der Erbschaft der Pfändung nicht unterworfen“ sind, „soweit sie der Erfüllung der dem Schuldner, seinem Ehegatten, seinem früheren Ehegatten (...) gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht und zur Bestreitung seines standesgemäßen Unterhalts erforderlich sind. Das gleiche gilt, wenn der Schuldner nach § 2338 BGB
durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers beschränkt ist, für seinen Anspruch auf den jährlichen Reinertrag.“
Die in Ihrem Fall durch den Testamentsvollstrecker aus den Erträgen zu leistende Naturalversorgung ist daher bereits durch die Pfändungsschutzvorschrift des § 863 Abs. 1 ZPO
vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt.
Die über den standesgemäßen Unterhalt des Schuldners hinausgehenden Erträge sind dagegen nur unpfändbar, wenn – wie hier – darüber hinaus eine entgegenstehende letztwillige Verfügung vorliegt. Dies ergibt sich auch aus dem von Ihnen zitierten Urteil, wonach nicht „die Pfändung des Reinertrages in diesen Grenzen unter allen Umständen für den Gläubiger wirksam“ ist.
Zwar ist diese Rechtsprechung nicht unumstritten (vgl. Palandt BGB § 2338
Rn. 2, wonach eine Pfändungsbefugnis der Gläubiger für den Reinbetrag wegen § 137 BGB
nicht beschränkbar ist).
Aber auch nach neuer Rechtsprechung kann der Erblasser bei Testamentsvollstreckung den Reinertrag insgesamt der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellen (z.B. OLG Bremen FamRZ 1984, 213), und somit gemäß § 2214 BGB
dem Zugriff der Gläubiger entziehen. Denn das Recht der Gläubiger darf nicht weitergehen als das des Schuldners und Erben selbst (vgl. §§ 2205
, 2211 BGB
).
Darüber hinaus besteht in dieser Fallkonstellation auch ein Schutz des Nacherben gegenüber Zwangsvollstreckungsverfügungen gegen den Vorerben gemäß § 2115 BGB
.
2.
“Gibt es für den Fall der Pfändung auch der Naturalverpflegung die Möglichkeit anzuordnen, dass der Testamentsvollstrecker in diesem Fall die Erträge des Nachlaßes einbehält und für die Nacherben ansammelt. Schließlich ist es nicht im Sinn des Erben, dass die Gläubiger die Naturalverpflegung pfänden??“
Aufgrund der Anwendung des § 863 Abs. 1 ZPO
erübrigt sich diese Frage.
Freilich ist zur Klarstellung eine solche Anordnung sinnvoll und auch rechtlich zulässig.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Auskunft weitergeholfen zu haben.
Sollte ich einen für Sie wichtigen Punkt vergessen haben oder in meinen Ausführungen Etwas unklar geblieben sein, stehe ich Ihnen gerne für Rückfragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Hr. Geyer,
dazu eine Nachfrage:
Ist es nicht so, dass die Bestimmung des § 2338 BGB
in diesem Fall nicht von Bedeutung ist, weil der Erbe die Erbschaft gar nicht ausgeschlagen und seinen Pflichtteil verlangt hat. Er hat die Erbschaft mit den auferlegten Beschränkungen ja angetreten.
(siehe nachfolgender Abschnitt des Urteils). Insofern ist mir unklar, warum Sie sich hier auf § 2338 BGB
/§863 ZPO
beziehen.
Das Gericht führt ja ausdrücklich aus, dass § 2338 BGB
nur dann von Bedeutung wäre, wenn der Schuldner Paul M. die Erbschaft mir der ihm auferlegten Beschränkung anzunehmen sich geweigert hätte??
Die Wirksamkeit der Anordnung kann zunächst nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil § 2338 BGB
vorschreibt, daß dem in guter Absicht Enterbten im Fall der Ernennung eines Testamentsvollstreckers der Reinertrag des ihm Hinterlassenen zur freien Verfügung bleiben muß. Denn diese Bestimmung würde nur dann von Bedeutung sein, wenn der Schuldner Paul M. die Erbschaft mit der ihm auferlegten Beschränkung anzunehmen sich geweigert hätte.
Sehr geehrter Ratsuchender,
das Reichsgericht hat in seiner Entscheidung nur klargestellt, dass auch der über den standesgemäßen Unterhalt des Schuldners hinausgehende Ertragsteil von dem Zugriff der Gläubiger durch letztwillige Verfügung entzogen werden kann.
Im Übrigen ist § 2338 BGB
auch auf die Erbteilsbeschränkung entsprechend anwendbar. In diesem Fall gelten entgegen § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB
die angeordneten Beschränkungen - nur insoweit sie über das nach § 2338 NBGB zulässige Maß hinausgehen, gelten diese Beschränkungen als nicht angeordnet (Palandt BGB § 2338
Rn. 4).
Dass in Ihrem konkreten Fall eine Ausschlagung nicht erfolgt, ging aus Ihrer Fragestellung nicht hervor und dürfte auch nicht ohne Weiteres vorhersehbar sein. Eine weitere rechtliche Analyse des Falles anhand des konkreten Sachverhalts ist zu empfehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt