Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Anfechtungsgefahr nach den §§ 129 ff. InsO und § 134 InsO
Die zentrale Frage ist, ob die Übertragung des Grundstücks auf den Familienverein (juristische Person) durch den Sohn (ehemaliger Eigentümer) im Wege der Schenkung, verbunden mit der Einräumung eines lebenslangen Wohnungsrechts zugunsten des Vaters, im Falle einer späteren Insolvenz des Sohnes durch einen Insolvenzverwalter nach den §§ 129 ff. InsO, insbesondere § 134 InsO (Anfechtung unentgeltlicher Leistungen), angefochten werden könnte.
a) Unentgeltlichkeit der Übertragung
Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung, die der Schuldner innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, anfechtbar. Entscheidend ist daher, ob die Übertragung als unentgeltlich oder entgeltlich zu qualifizieren ist.
Nach Ihrer Schilderung wurde die Übertragung des Grundstücks an den Verein mit der Auflage verbunden, dem Vater (ehemaliger Mieter) ein lebenslanges Wohnungsrecht einzuräumen und ihn mit den Kosten für Betrieb, Instandhaltung, Sanierung etc. zu belasten. Der Sohn als Übertragender wurde dadurch von seinen Verpflichtungen als Vermieter und Eigentümer entlastet, insbesondere von der Pflicht zur Instandhaltung und den sonstigen Lasten. Zudem nutzt er weiterhin das Haus als Wohnung, allerdings nicht mehr als Eigentümer, sondern als Mitbewohner im Rahmen des Wohnungsrechts des Vaters.
Die Rechtsprechung, insbesondere der BGH, stellt für die Entgeltlichkeit einer Übertragung darauf ab, ob der Übertragende eine Gegenleistung erhält, die in einem objektiven Verhältnis zu der übertragenen Vermögensposition steht. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Gegenleistung exakt dem Wert des übertragenen Vermögens entspricht; es genügt, wenn sie einen wirtschaftlichen Wert hat und nicht völlig unangemessen gering ist.
b) Argumente für die Entgeltlichkeit
In Ihrem Fall sprechen mehrere Umstände für eine Entgeltlichkeit der Übertragung:
- Der Übertragende (Sohn) wird von sämtlichen Verpflichtungen als Eigentümer entlastet, insbesondere von der Instandhaltung, den öffentlichen Lasten und der Verwaltung.
- Die Einräumung des Wohnungsrechts an den Vater ist mit erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für den Verein verbunden, da der Vater die Kosten trägt und der Verein als Eigentümer ansonsten für diese aufkommen müsste.
- Der Sohn nutzt weiterhin das Haus als Wohnung, wenn auch nicht mehr als Eigentümer, sondern im Rahmen des Wohnungsrechts des Vaters.
- Die Übertragung erfolgte nicht in der Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, und zum Zeitpunkt der Übertragung bestanden keine erheblichen Verbindlichkeiten oder drohende Zahlungsunfähigkeit.
Diese Konstellation entspricht nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2016 - IX ZR 153/15 und BGH, Urteil vom 22.10.2020 - IX ZR 208/18) eher einer entgeltlichen Übertragung, da der Übertragende eine wirtschaftlich relevante Gegenleistung erhält, nämlich die Entlastung von den Verpflichtungen und die fortgesetzte Nutzungsmöglichkeit.
c) Ergebnis zur Anfechtungsgefahr nach § 134 InsO
Nach allem spricht Überwiegendes dafür, dass die Übertragung nicht als unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO zu qualifizieren ist. Damit wäre eine Anfechtung nach § 134 InsO ausgeschlossen, so jedenfalls meine erste Einschätzung, die nicht unbedingt abschließend sein kann, dafür ist der Fall zu komplex.
2. Anfechtung nach § 133 InsO (Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung)
Eine Anfechtung nach § 133 InsO setzt voraus, dass der Übertragende mit dem Vorsatz gehandelt hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und der Empfänger (hier der Verein) diesen Vorsatz kannte. Nach Ihrer Darstellung bestand zum Zeitpunkt der Übertragung keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht, da keine erheblichen Verbindlichkeiten bestanden und keine Zahlungsunfähigkeit drohte. Auch der Verein hatte keine Kenntnis von einer solchen Absicht.
Die Voraussetzungen des § 133 InsO sind daher nach Ihrer Schilderung nicht erfüllt.
Das lässt sich jedenfalls mit einigen Argumenten vertreten.
3. Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG)
Das Anfechtungsgesetz (AnfG) ermöglicht Gläubigern unter bestimmten Voraussetzungen die Anfechtung von Rechtshandlungen, die ihre Befriedigung vereiteln oder erschweren. Auch hier ist Voraussetzung, dass eine unentgeltliche Leistung vorliegt oder eine Benachteiligungsabsicht bestand. Die obigen Ausführungen zur Entgeltlichkeit und fehlenden Benachteiligungsabsicht gelten entsprechend.
4. Besondere Schutzaspekte
Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass das Haus von mehreren behinderten und pflegebedürftigen Personen bewohnt wird. Zwar ist dies für die insolvenzrechtliche Anfechtung nicht unmittelbar relevant, kann aber im Rahmen einer Interessenabwägung, etwa bei der Zwangsvollstreckung oder bei der Ausübung von Rückgewähransprüchen, eine Rolle spielen.
5. Zusammenfassung und Empfehlung
Nach der dargestellten Sach- und Rechtslage sehe ich keine reale Gefahr, dass ein Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger im Falle einer späteren Insolvenz des Sohnes die Übertragung des Grundstücks auf den Familienverein erfolgreich nach den §§ 129 ff. InsO oder nach dem AnfG anfechten könnte. Die Übertragung ist als entgeltlich zu qualifizieren, da der Übertragende eine wirtschaftlich relevante Gegenleistung erhalten hat. Eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht lag nicht vor.
Sollte sich die Sachlage wesentlich ändern (z.B. nachträgliche erhebliche Verschuldung vor der Übertragung), wäre eine erneute Prüfung angezeigt. Nach dem derzeitigen Stand bestehen jedoch ganz gute Argumente, um einer Anfechtung erfolgreich entgegenzutreten, so meine erste Einschätzung.
Sollten Sie weitere Details oder eine vertiefte Prüfung einzelner Aspekte wünschen, stehe ich gerne zur Verfügung.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrter Herr RA Hesterberg,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort! Gestatten Sie eine Nachfrage:
für einen Wors Case: es bestand ja zuvor bereits das lebenslange Wohnrecht des Vaters (Mietvertrag / schuldrechtlich). Dies hätte ja ggf. auch einen (Kapital)Wert. Könnte man dies entgegenhalten, in dem man sagt: das Wohnrecht stellt eine Forderung gegen den Eigentümer dar. Durch die Eintragung des dinglichen Wohnungsrecht ist im Prinzip dem nur nochmals entsprochen worden, so dass es hierbei zu keiner Vermögensvermehrung kam (beim Vater, da dieser ja die Forderung aus dem schuldrechtlichen Wohnrecht hat, die er dem Eigentümer entgegenhalten kann). Beim Verein auch nicht zu einer wesentlichen Vermögensmehrung, da die Immobilie ob mit lebenslangem Mietvertag und/oder der Auflage zur Eintragung eines dinglichen Wohnrechts ohnehin nicht sonderlich viel wert ist. Hinzutreten die Steuern, die gezahlt werden mussten (Grunderwerb und Schenkungssteuer), die einen erheblichen Betrag ausmachten.
Könnte man dann den Einwand der Entreicherung im Worst Case, zusätzlich zu Ihren obigen Ausführungen, geltend machen?
Ich danke Ihnen sehr!
Sehr geehrter Fragesteller,
Sie sprechen einen wichtigen Aspekt an: Das bereits bestehende schuldrechtliche lebenslange Wohnrecht des Vaters (aus dem Mietvertrag) hatte einen eigenen wirtschaftlichen Wert.
Mit der späteren Eintragung des dinglichen Wohnungsrechts wurde im Prinzip lediglich das bereits bestehende Recht in eine andere Rechtsform überführt, ohne dass dem Vater dadurch ein zusätzlicher Vermögensvorteil verschafft wurde. Auch für den Verein als neuen Eigentümer ergab sich keine wesentliche Vermögensmehrung, da die Immobilie durch das lebenslange Wohnrecht ohnehin in ihrem Wert erheblich gemindert war. Hinzu kommen die gezahlten Steuern (Grunderwerb- und Schenkungssteuer), die den wirtschaftlichen Vorteil weiter relativieren.
Im Falle einer Anfechtung – etwa nach § 134 InsO (Anfechtung unentgeltlicher Leistungen) – ist entscheidend, ob durch die Übertragung und die Einräumung des Wohnungsrechts tatsächlich eine unentgeltliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat. Hier kann man argumentieren, dass der Vater bereits eine gesicherte Rechtsposition (das schuldrechtliche Wohnrecht) hatte, die durch das dingliche Wohnungsrecht lediglich abgesichert wurde. Es kam also zu keiner echten Vermögensmehrung beim Vater, sondern nur zu einer Modifikation der Rechtsform seines Wohnrechts.
Der Einwand der Entreicherung ist insbesondere im Schenkungsrecht (§ 528 BGB) anerkannt, kann aber auch im Rahmen der insolvenzrechtlichen Rückgewähransprüche eine Rolle spielen. Wenn der Empfänger einer Leistung (hier: der Vater bzw. der Verein) nachweist, dass er durch die angefochtene Handlung nicht mehr bereichert ist, kann dies die Rückgewährpflicht ausschließen oder zumindest mindern.
Im Kontext der Anfechtung nach der Insolvenzordnung kann dieser Gedanke wie folgt genutzt werden: Selbst wenn man die Übertragung als (teilweise) unentgeltlich ansehen wollte, wäre zu berücksichtigen, dass der Wert des übertragenen Wohnrechts dem Wert des bereits bestehenden schuldrechtlichen Wohnrechts entspricht. Es liegt also keine echte Bereicherung vor, sondern lediglich ein Austausch gleichwertiger Rechtspositionen. Auch für den Verein als Eigentümer ergibt sich keine wesentliche Vermögensmehrung, da die Immobilie durch das Wohnrecht ohnehin belastet war und die gezahlten Steuern den wirtschaftlichen Vorteil weiter schmälern.
Das sind meine weitere Gedanken in rechtlicher Hinsicht dazu.
Sollte es zu Schwierigkeiten kommen, sollten Sie jedenfalls umgehend weiteren rechtlichen Rat in Anspruch nehmen.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen