WEG - Einbau andersartiger Fenster nachträglich ablehnen

30. Oktober 2012 09:50 |
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Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe eine Eigentumswohnung in einem Haus mit 6 Parteien. Alle Wohnung sind gleich groß und gleich geschnitten.
Auch alle Fenster sind gleich angeordnet und gleich groß. Was nach Meinung der Eigentümer auch so bleiben soll (es gibt allerdings keinen expliziten Beschluss dafür).
An der Hausrückseite befinden sich die Wohnstuben der Wohnungen, welche jeweils ein großes, durchgängiges Fenster haben (ca. 260xm * 120cm).
Nun hat ein Eigentümer (Herr Müller [Name geändert]) seine Wohnung renoviert und dieses Fenster gegen ein geteiltes getauscht. Er hat die Eigentümergemeinschaft nicht darüber informiert oder vorher nachgefragt.
Auf der nächsten Eigentümerversammlung möchte er nun diesen Einbau nachträglich genehmigen lassen. Ich gehe davon aus, dass man dann auch einen Beschluss fassen möchte, dass alle Fenster gleich (oder ähnlich) aussehen wenn sie getauscht werden (einheitliches Erscheinungsbild des Hauses).
Mich stört zwar sein Fenster im Grunde nicht, ich will aber in meiner Wohnung bei einer Renovierung wieder solch ein großes Fenster einsetzen lassen. Denn zum einem gefällt es mir so, und als Vermieter war es für mich meistens ein gutes Verkaufsargument.
Wenn die Gemeinschaft nun dem Umbau durch Herrn Müller zustimmt und beschließt, dass die Fenster einheitlich zu tauschen sind:
Gibt es für mich eine Möglichkeit, dennoch auf einem großen, durchgängigen Fenster zu bestehen?
Vielen Dank
Christian K.
30. Oktober 2012 | 11:40

Antwort

von


(2753)
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
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Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:

Es ist hier mehr als fraglich, ob die Eigentümerversammlung überhaupt mehrheitlich beschließen kann, dass zukünftig alle Fenster neu gestaltet werden. Denn der Austausch eines Fensters ist grundsätzlich geeignet, das optische Erscheinungsbild der Anlage zu verändern und stellt daher regelmäßig eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar, siehe z.B. AG Wiesbaden, Urteil vom 10. Februar 2012 - Az. 92 C 5584/11. Es handelt sich nach Ihrer Schilderung auch weder um eine Instandhaltung oder Insztandsetzung noch um eine Modernisierungsmaßnahme oder Anpassung an den Stand der Technik.

Daher wäre für einen solchen Beschluss gemäß § 22 Abs. 1 WEG die Zustimmung jedes Wohnungseigentümers notwendig, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Für die Beurteilung, ob ein Eigentümer beeinträchtigt wird, ist darauf abzustellen, ob nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der betreffenden Lage sich verständigerweise beeinträchtigt fühlen kann (BayObLG WE 1987, 156), wobei die Schwelle der nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung insgesamt eher niedrig anzusetzen ist (BVerfG NZM 2005, 182).

Eine solche Beeinträchtigung dürfte in Ihrem Fall meines Erachtens zu bejahen sein, weil das Vorschreiben einer neuen Fenstergestaltung bei gleichzeitigem Verbot der bisherigen Gestaltung für die Zukunft gegenüber dem früheren Zustand jedenfalls optisch als Beeinträchtigung empfunden werden kann (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2004 - I-3 Wx 298/04 – zukünftiges Verbot von Fassadengrün). Zumal ja das durchgängige Fenster sogar von Ihnen als „Verkaufsargument" gegenüber Mietern angeführt wird, der Einbau eines geteilten Fensters daher eine auffällige und erhebliche Veränderung bedeuten würde. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beibehaltung der Anordnung der Fenster in der Vergangenheit explizit beschlossen wurde, da die Wohnungseigentümer bisher ja diese Fenstergestaltung akzeptiert und als dem Gemeinschaftseigentum zugehörend behandelt haben.

Daher dürfte ein entsprechender Beschluss der Eigentümerversammlung ohne Ihre Zustimmung je nach konkretem Inhalt nichtig, zumindest aber rechtswidrig sein. Ein Eigentümerbeschluss, der die Zulässigkeit baulicher Veränderungen abweichend von § 22 I WEG generell und mit Dauerwirkung regelt, ist schon mangels Beschlusskompetenz nichtig, so das BayObLG, Beschluss vom 26.06.2004 - 2Z BR 88/04. Zumindest dürfte ein solcher Beschluss aufgrund der oben bejahten Beeinträchtigung aber rechtswidrig und somit anfechtbar sein, wenn er ohne Ihre Zustimmung ergeht.

Dies gilt zumindest, wenn in der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht abweichend vereinbart wurde, dass über bauliche Veränderungen mit (qualifizierter) Mehrheit der beeinträchtigten Wohnungseigentümer beschlossen werden kann. Ein solcher Mehrheitsbeschluss soll aber nur möglich sein, wenn sachliche Gründe hierfür vorliegen und die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer nicht unbillig benachteiligt werden (strittig, vgl. z.B. BayObLG, Beschluss vom 21-11-1989 - BReg. 2 Z 123/89).


Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.

Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

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