Verwertung eines Textes nach vorzeitiger Auflösung eines Werkvertrags

12. September 2012 13:45 |
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Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht


Guten Tag,
ich habe einen Werkvertrag als Ghostwriterin einer Biografie. Das Werk habe ich inzwischen zur Häfte geschrieben. Laut Vertrag ist nun die erste Teilzahlung fällig. Nun teilt mir der Auftraggeber mit, er hätte zur Zeit kein Geld, um mich zu bezahlen. Da ich dennoch auf der Bezahlung bestehe, will der Auftraggeber den Vertrag auflösen und das Werk irgendwann von einem anderen Ghostwriter beenden lassen.
Laut Vertrag erscheint das Werk ausschließlich unter dem Namen des Auftraggebers, ich habe im gesetzlichen Rahmen auf mein Recht verzichtet, als Urheberin genannt zu werden (womit ich auch kein Problem habe).
Der Auftraggeber hat laut Vertrag das Recht zur Verbreitung des Werkes. Auch darf er Veränderungen und Korrekturen vornehmen, muss diese mir jedoch vorlegen, ich darf / kann diese akzeptieren. Erst dann ist das Werk für den Druck freigegeben.
Meine Frage:
Da ich die Arbeit bis jetzt zur vollsten Zufriedenheit meines Auftraggebers erledigt habe und termingerecht geliefert habe, sehe ich keinen Grund zur Auflösung des Vertrags. Falls es dennoch dazu kommen sollte:
Unter welchen Bedingungen (falls überhaupt) kann der Auftraggeber mein zur Hälfte fertiggestelltes Werk von einem anderen Autor beenden lassen und veröffentlichen?
Vielen Dank und freundlliche Grüße
Sehr geehrte Ratsuchende,

vielen Dank für Ihre Anfrage!


Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:

1. Ein Ghostwriter-Vertrag stellt sich zivilrechtlich als Werkvertrag nach § 631 BGB dar, da die Erreichung eines bestimmten Erfolgs (Erstellung der Autobiographie) geschuldet wird (OLG Naumburg, Urteil vom08.05.2008, Az.: 2 U 9/08).

Wenn im Vertrag die Kündigung vor Fertigstellung nicht explizit ausgeschlossen ist, dann besteht nach Werkvertragsrecht die Kündigungsmöglichkeit nach § 649 BGB, von der der Auftraggeber jederzeit Gebrauch machen kann.

Ein früheres Fehlverhalten o.ä. des Auftragnehmers muss daher nicht Anlass für die Kündigung gegeben haben.

Wird das Kündigungsrecht ausgeübt, steht dem Auftragnehmer dennoch ein Vergütungsanspruch zu. Er muss sich jedoch das anrechnen lassen, was er auf Grund der vorzeitigen Beendigung des Auftrages einspart.

Wenn – wie in Ihrem Fall – eine Teilzahlung nach Abschnitten des Werkes vereinbart ist, dann wird man diese zu Grunde legen müssen, so dass Sie die vereinbarte Teilzahlung einfordern können.

2. Durch die Kündigung wird das Vertragsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.

Den vergüteten Teil Ihrer Leistung kann der Auftraggeber verwenden und von dritter Seite vervollständigen lassen.

Für die Veröffentlichung des von Ihnen erstellten Teils der Biographie liegt eine Einwilligung vor, die sich aus dem Ghostwriter-Vertrag ergibt. Diese wird mit der Kündigung nicht hinfällig.

Eine Veröffentlichung nach Vervollständigung der Biographie würde daher nicht Ihre Rechte als Urheberin verletzen.



Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!


Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:

Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
Rückfrage vom Fragesteller 12. September 2012 | 16:00

Danke Herr Driftmeyer für Ihre Antwort,
was ich nicht verstehe, ist der Punkt der Anrechnung dessen, was ich aufgrund der vorzeitigen Kündigung einspare.
Ich spare allenfalls meine Arbeitszeit ein, indes habe ich als freie Autorin alle Projekte bis zum Abgabetermin gecancelt. Und kann das auf die Schnelle nicht ändern.
Insofern entsteht mir durch die Kündigung ein großer Schaden.
Danke und freundliche Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 12. September 2012 | 16:15

Sehr geehrte Ratsuchende,

Ihre Nachfrage beantworte ich gern wie folgt:

Der Punkt dient dem Interesse des Auftraggebers: er soll nicht die volle Vergütung zahlen müssen, obwohl der Auftraggeber die Leistung nicht beenden muss und gleichzeitig anderweitige Einnahmen hat.

Diese Regelung (§ 649 Satz 2 BGB) ist jedoch dispositiv, d.h. tritt hinter einer vertraglichen Regelung zurück.

Hier würde man die vertragliche Vergütungsvereinbarung heranziehen, um den Anspruch für die erbrachte Teilleistung zu beziffern. Deshalb kann die vertraglich festgesetzte Teilzahlung verlangt werden.

Ein Schadensersatzanspruch wegen der abgesagten anderweitigen Projekte besteht nach dem Gesetz jedoch nicht. Dies würde der gesetzlichen Entscheidung zuwiderlaufen, dass Werkverträge jederzeit kündbar sind.

Ein Schadensersatzanspruch wäre daher nur möglich, wenn dieser im Vertrag vorgesehen wäre für den Fall einer Kündigung vor Fertigstellung des Manuskripts.



Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage hiermit beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt

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