Verfahrensbeistand Falschaussage, Anstiftung zur Manipulation

2. März 2020 11:28 |
Preis: 70,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von


14:18

Zusammenfassung

Welche Aufgaben hat ein Verfahrensbeistand im Familienrecht und haftet er für Falschaussagen?

Die Aufgabe eines Verfahrensbeistands besteht darin, eine Umgangsregelung herbeizuführen. Aufgabe der Verfahrensbeiständin ist, zur Konfliktlösung beizutragen. Ein Verfahrensbeistand wird eingesetzt, wenn das Gericht erkennt, dass es zwischen den Eltern keine konstruktive Kommunikation gibt.
Grundsätzlich ist eine uneidliche Falschaussage vor Gericht strafbar. Allerdings liegt keine falsche Aussage eines Verfahrensbeistands vor, wenn dieser eine persönliche Wertung vornimmt.

Es geht um die Haftung von nachweisbarem Fehlverhalten einer Verfahrensbeiständin in einem familienrechtlichen Verfahren.

Fakten:

In einem familienrechtlichen Sorgerechtsverfahren um das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrechtes wird eine Verfahrensbeiständin bestellt.

Diese erklärt in einer schriftlichen Stellungnahme:

"Bei meinem ersten Kennenlernen in der Wohnung der Mutter… In diesem Gespräch (bei der Mutter) wünschten sich die Kinder das Wechselmodell. Dass sie abwechselnd jeweils eine Woche bei der Mutter und anschließend beim Vater seien. … Anschließend teilte ich der Mutter den geäußerten Willen der Kinder mit.
Als ich die Kinder eine Woche später beim Vater besuchte, sprach ich zuerst mit Sohn alleine. Er sagte, Tochter habe ihre Meinung geändert, und er wüsste nun auch nicht mehr, was richtig sei. …..
… Ebenso könnte die Änderung des mir erklärte Wunsches der Kinder nach einem wochenweise Wechsel von der Mutter beeinflusst worden sein, die einen solchen strikt ablehnt."

Ihre eigene Meinung legt sie wie folgt dar:

"Ich halte von dem Wechselmodell nichts. Das belastet die Kinder zu sehr. Kinder benötigen ein Zuhause."

Im weiteren Verfahren kommt diese Einschätzung nicht mehr zum Tragen, im Gegenteil, sie schreibt:

Stellungnahme 1:
"… Sie (die Kinder) scheinen nun ihren Standpunkt gefunden zu haben und wirken zufrieden. Es gibt für mich keine Hinweise, dass der gemeinsame Aufenthalt der Kinder bei der Mutter von diesen nicht gewollt oder gegen ihre Interessen ist."

Stellungnahme 2:
"… ihre Meinung ist nicht gedeckelt sondern eindeutig klar geäußert. … Tochter hat klar zum Ausdruck gebracht, dass sie bei der Mutter leben möchte…"

Meine Einschätzung:

Die Verfahrensbeiständin hat den Auftrag des Gerichtes nicht wahrgenommen.
Sie hat den unbelasteten Willen der Kinder anfänglich eruiert. Da die Wünsche und Vorstellungen der Kinder nicht Ihrem Weltbild entsprachen, hat sie diese Aussagen an die Mutter weitergegeben. Hierbei müssen der Verfahrensbeiständin persönliche Motive unterstellt werden.
Ihre Einlassung, dass der verändert geäußerte Kinderwille durch Manipulation der Mutter zustande gekommen ist, ist vermutlich durch die Weitergabe der ursprünglichen Erklärung der Kinder geschehen, wie sie selbst erklärt.
Diese Weitergabe der Kinderäußerungen hat mit großer Wahrscheinlichkeit die Manipulation der Kinder durch die Mutter initiiert.
Ebenso hat sie in den Verhandlungen weder den ursprünglichen Kinderwillen noch den Werdegang dazu dargestellt. Sie stellt den von der Mutter manipulierten Kinderwillen in den Verhandlungen vor Gericht als deren originären Willen dar.
Dadurch dass sie nicht passiv, also durch Unterlassung, sondern aktiv an der Manipulation der Kinderwillen beteiligt war, kann unter Umständen ihr auch eine Anstiftung und/oder Anleitung zur Manipulation des Kinder unterstellt werden.
Ohne die Unterrichtung der Mutter durch die Verfahrensbeiständin hätte die Manipulation der Mutter vermutlich nicht stattgefunden. Konkret, die Mutter hatte, nach Aussagen der Tochter innerhalb der Therapie, den Kinder gedroht, dass sie aus München wegzieht und sie die Mutter nicht mehr sehen werden, wenn die Kinder bei Gericht bei ihrem Wunsch nach der paritätischen Betreuung bleiben.

Fragen:
• Ist ein Verfahrensbeistand vereidigt?
• Wenn Ja, wäre eine Falschaussage ein strafrechtliches Vergehen?
• Hat die Verfahrensbeiständin die Antworten der Kinder an die Mutter weitergeben dürfen?
• Wäre sie der Verschwiegenheit verpflichtet gewesen?
• Mit der Weitergabe der ursprünglichen Willensäußerung der Kinder hat sie aktiv die Manipulation durch die Mutter ermöglicht bzw. heraus gefordert. Hat sie damit gegen den gerichtlichen Auftrag gehandelt?
• Hat sie mit der Weitergabe der ursprünglichen Willensäußerung der Kinder an die Mutter ein strafrechtlich relevantes Vergehen begangen?
• Die Verfahrensbeiständin hat wissentlich die Unwahrheit geäußert, wenn sie den manipulierten Kinderwillen als den einzig geäußerten und zu beachtenden Kinderwillen darstellt. Hat sie damit eine strafrechtlich relevante Falschaussage getätigt?
• Ist die Verfahrensbeiständin strafrechtlich verantwortlich?
• Durch die Manipulation der Kinder und der Darstellung, dass dies der originäre Kinderwille wäre, fielen die Beschlüsse der Gerichte gegen das Wechselmodell aus. Müssen diese Beschlüsse revidiert werden?
• Hätte die Verfahrensbeiständin das Gericht auf die Manipulation hinweisen müssen?
• Durch die aktive Vorgehensweise der Verfahrensbeiständin wurden meine Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren vom Vater getrennt. Gilt dies als Misshandlung?
2. März 2020 | 12:22

Antwort

von


(2333)
Aachener Strasse 585
50226 Frechen-Königsdorf
Tel: 02234-63990
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Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Anfrage nehme ich folgt Stellung:


1.

Grundsätzlich ist folgendes festzuhalten:

Das Umgangsrecht in Form des Wechselmodells kann nicht erzwungen werden, vielmehr bedarf es hierzu der Zustimmung beider Elternteile.

Dass sich die Kinder bei dem ersten Gespräch im Haushalt der Mutter mit der Verfahrensbeiständin für ein Wechselmodell ausgesprochen haben, bedeutet nicht, dass sie ihre Meinung nicht ändern. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das Alter von acht und zehn Jahren der Kinder.

Nicht ausschließen kann man natürlich, dass die Kindesmutter, die vermutlich gegen das Wechselmodell stimmt, die Kinder dahingehend beeinflusst, dass sie von ihrer ursprünglichen Absicht abweichen.

Jedenfalls sagt die Verfahrensbeistände in ihrer Stellungnahme, dass die Kinder anlässlich des Besuchs beim Vater ihre Meinung bezüglich des Wechselmodell geändert hätten.

Derartige Meinungsäußerungen bei Kindern in diesem Alter sind häufig, insbesondere weil sich die Kinder inzwischen Vater und Mutter hin- und hergerissen fühlen.

Die Aufgabe der Verfahrensbeiständin besteht darin, eine Umgangsregelung herbeizuführen. Dass hier eine Verfahrensbeistandin bestellt worden ist, zeigt, dass es im Vorfeld hinsichtlich der Regelung des Umgangs mit den Kindern bereits zu erheblichen Spannungen und Meinungsverschiedenheiten gekommen sein muss.

Die Meinung der Verfahrensbeiständin ist also, beispielsweise seitens des Gerichts, gefragt. Wenn die Verfahrensbeiständin meint, das Wechselmodell stelle für die Kinder eine hohe Belastung dar, weil sie nicht wüssten, wo sie (die Kinder) zuhause seien, ist das nicht zu beanstanden. Diese Meinung wird gegenüber dem Wechselmodell vielfach vertreten.

Die Stellungnahme, wonach nach der Einschätzung der Verfahrensbeiständin die Kinder ihren Standpunkt gefunden hätten, kann man der Verfahrensbeiständin nicht anlassten.

Man darf einen Gesichtspunkt nicht außer Acht lassen: Im Scheidungsverfahren sind die Eltern häufig, wenn es um die Kinder geht, nicht in der Lage, sich zu verständigen. Das zeigt die tägliche Praxis gerade in Verfahren hinsichtlich des Umgangs mit den Kindern. Die Eltern, die als erwachsene Menschen Schwierigkeiten haben, zum Wohl der Kinder miteinander zu kommunizieren, verlangen nun aber von den Kindern, dass die Kinder etwas entscheiden sollen, wozu die Erwachsenen nicht in der Lage sind. Dass die Kinder hiermit überfordert sind, liegt auf der Hand.

Wenn die Verfahrensbeiständin also sagt, der Aufenthalt bei der Mutter sei von den Kindern ihrer Überzeugung nach gewollt, sehe ich hier keinen Angriffspunkt. Aus der Stellungnahme 2 der Verfahrensbeiständin folgere ich, dass die Verfahrensbeiständin zum Ausdruck bringen will, dass sie nicht den Eindruck habe, dass die Kinder von der Mutter manipuliert worden seien.

D.h., aufgrund der Schilderung, die Sie zur Diskussion gestellt haben, ergibt sich kein Ansatz, wonach man der Verfahrensbeiständin einen Vorwurf machen könnte.


2.

Dass die Verfahrensbeiständin den Auftrag des Gerichts nicht wahrgenommen hat, mag Ihr Eindruck sein, ist aber nicht richtig.

Ihre Einschätzung geht dahin, dass Sie der Auffassung sind, die Verfahrensbeiständin habe den Willen der Kinder nicht respektiert, sondern eigene Wertvorstellungen zum Grund ihrer Entscheidung gemacht. Das wird man aus dem Sachverhalt jedoch nicht herleiten können, da sich aus den Stellungnahmen ergibt, dass die Verfahrensbeiständin eine Änderung in der Meinung der Kinder festgestellt hat und diese in ihrem Bericht darlegt.


3.

Verfahrensbeistand kann im Grunde jeder werden. Einer Ausbildung oder gar einer Vereidigung bedarf es nicht.

Grundsätzlich ist eine uneidlichen Falschaussage vor Gericht strafbar. Allerdings liegt hier keine falsche Aussage der Verfahrensbeiständin vor, sondern eine persönliche Wertung. Eine Strafbarkeit scheidet damit aus.

Aufgabe der Verfahrensbeiständin ist, zur Konfliktlösung beizutragen. Ein Verfahrensbeistand wird eingesetzt, wenn das Gericht erkennt, dass es zwischen den Eltern keine konstruktive Kommunikation gibt.

D.h., die Verfahrensbeiständin hat sich in keinster Weise strafbar gemacht.

Dadurch, dass das Wechselmodell nicht befürwortet wird, liegt selbstverständlich keine Kindesmisshandlung vor.

Hinsichtlich des Umgangsrechts geht die Rechtsprechung davon aus, dass derjenige Elternteil, bei dem die Kinder nicht ihren ständigen Aufenthalt haben, das Recht hat, die Kinder an jedem zweiten Wochenende zu sich zu nehmen. Hinzu kommen noch Feiertage und Ferien.


4.

Grundsätzlich besteht natürlich die Möglichkeit, den Antrag bei Gericht einzureichen, den Umgang mit den Kindern in Gestalt eines Wechselmodell zu regeln. Dabei spielen Jugendamt und Verfahrensbeistand aber eine entscheidende, wenn nicht die maßgebliche Rolle.


Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 2. März 2020 | 13:24

Vielen Dank für die schnelle Antwort.

Doch leider muss ich zumindest Teile Ihre Antwort als schlichtweg falsch bewerten.

Ihre Erklärung: „Das Umgangsrecht in Form des Wechselmodells kann nicht erzwungen werden, vielmehr bedarf es hierzu der Zustimmung beider Elternteile" steht diametral im Widerspruch zu dem vom Beschluss vom BGH vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15.
Hier ausdrücklich erklärt, dass das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils ausgesprochen werden kann.

Sie werden verstehen, dass bei Unkenntnis dieser elementaren Beschlusslage ich Ihre weiteren Einlassungen als in der Sachlage ebenso nicht kompetent ansehen muss.
Darum ist die Frage wieder offen.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das Honorar zurücküberweisen.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. März 2020 | 14:18

Der Fragesteller zieht aus dem genannten Beschluss des BGH falsche Schlussfolgerungen.

Eine richterliche Anordnung des Wechselmodell ist die absolute Ausnahme und nur dann denkbar, wenn gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls dafür sprechen, dass nur das Wechselmodell als Umgangsregelung im Sinne des Wohls des Kindes in Betracht kommt. D.h., das Wechselmodell ist nur dann anzuordnen, wenn es dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Ist dieser entscheidende Gesichtspunkt nicht gegeben, kann ein Elternteil, und dem steht der Beschluss des BGH gerade nicht entgegen, die Durchführung des Wechselmodells nicht erzwingen.

Der Sachverhalt, den der Fragesteller zur Bewertung schildert, gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ausschließlich das Wechselmodell die für die Kinder einzig und allein richtige Umgangsform ist. Die Frage des Fragesteller ging nur dahin, ob sich die Verfahrensbeiständin rechtswidrig verhalten oder gar strafbar gemacht habe.

Das ist aufgrund des geschilderten Sachverhalts nicht gegeben.

Der Fragesteller irrt also, wenn er meint, die Antwort auf seine Frage sei unrichtig. Man mag dem Fragesteller nachsehen, dass ein frustrierter Vater um den Umgang mit seinen Kindern kämpft. Allerdings zeigt dieser Fall einmal mehr, dass es dem juristischen Laien aufgrund mangelnder Fachkenntnis nicht gelingen kann, gerichtliche Entscheidungen richtig einzuordnen.

Die Bewertung des Fragestellers verdient also null von fünf Punkten. Schade, denn auf eine vernünftige und zielgerichtete kostenfreie Nachfrage hätte man dem Fragesteller die Rechtslage weiter erläutern und verdeutlichen können.

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