Unterhaltspflicht bei Ehelicherklärung

| 8. Juli 2011 00:59 |
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Familienrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Student und Kind zweier getrennt lebender Eltern, die zudem nie verheiratet waren. Zum Wintersemester habe ich vor, ein Masterstudium aufzunehmen, wofür mir meine Mutter die Zahlung von Unterhalt verweigert hat. Die Frage, ob meine Mutter für ein Masterstudium unterhaltspflichtig ist, ist bereits an anderer Stelle hinreichend diskutiert worden (siehe http://www.123recht.net/Unterhalt-f%C3%BCr-Studierende---bis-zum-Master-oder-nur-f%C3%BCr-den-Bachelor-__a94448.html).

Ich wende mich an Sie, weil zwei Faktoren meinen Fall erheblich komplizieren. Erstens hat mein Vater das alleinige Sorgerecht für mich erhalten, was Ende der 80er Jahre bei unehelichen Kindern nur durch die sog. Ehelicherklärung möglich war. Dadurch verlor meine Mutter aber nicht nur das Sorgerecht, sondern auch jegliche Unterhaltspflicht, während ich zudem aus der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Die Ehelicherklärung wurde 1991 für verfassungswidrig erklärt und 1998 abgeschafft. Daher meine Frage an Sie: Besteht die Unterhaltspflicht meiner Mutter mir gegenüber wieder, oder ist diese durch die Ehelicherklärung ein für allemal erloschen?

Zweitens möchte ich einen Prozess gegen meine Mutter aus persönlichen wie auch praktischen Gründen vermeiden. Meine Mutter ist zwar deutsche Staatsbürgerin, aber in den USA wohnhaft, sodass ein deutsches Gerichtsurteil vermutlich ohnehin nicht zu vollstrecken wäre. (Da mein gewöhnlicher Aufenthaltsort Deutschland ist, müsste ein Prozess, soweit ich weiß, nach internationalem Privatrecht in Deutschland stattfinden). Nun erwähnte allerdings eine Bekannte, dass ich Bafög beantragen und meinen Unterhaltsanspruch meiner Mutter gegenüber (sofern dieser besteht) an das Amt für Ausbildungsförderung abtreten könnte. Im Gegenzug wäre ich Bafög-bezugsberechtigt, was ich angesichts des Einkommens meiner Eltern derzeit nicht bin. Ist das tatsächlich möglich? Was wären die Konsequenzen eines solchen Schritts?

Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Sehr geehrter Ratsuchender,

1.
Ihre Mutter ist für Sie aufgrund des Kindschaftsreformgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2942) weiterhin dem Grunde nach unterhaltspflichtig, und zwar unabhängig davon ob sie damals in die Ehelicherklärung eingewilligt hat oder nicht.
Mit dem Inkrafttreten der Abschaffung der (verfassungswidrigen) Ehelicherklärung wurde nämlich durch die Übergangsvorschrift des Art. 224 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bestimmt, dass der Vater bei Einwilligung der Mutter unterhaltspflichtig „bleibt", vorrangig gegenüber der Mutter.
Lediglich die elterliche Sorge verbleibt allein bei Ihrem Vater, siehe § 1672 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 224 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.

Somit muss Ihre Mutter für Ihren Ausbildungsunterhalt aufkommen, wenn und soweit Ihr Vater (der ja „vorrangig" verpflichtet bleibt) hierzu finanziell nicht in der Lage ist.

2.
Wenn Sie Leistungen nach dem BAföG beantragen, müssen Sie zunächst Einkommensnachweise Ihrer unterhaltspflichtigen Eltern vorlegen, aufgrund dessen die Höhe eines möglichen Forderanspruchs berechnet wird.
Soweit Sie Unterhaltsleistungen zur Deckung des Lebensbedarfs beziehen, sind diese gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG in der Regel anrechnungsfrei.

Wenn Sie keine Unterhaltsleistungen von Ihren Eltern erhalten, sich aber herausstellt, dass diese unterhaltspflichtig und leistungsfähig sind und dies nachweisen, ist es durchaus möglich, dennoch die Förderleistungen zu erhalten.
In diesem Fall kann (muss aber nicht) die Behörde von ihrem Recht Gebrauch machen, die Unterhaltsansprüche selbst geltend zu machen. Denn gemäß § 37 BAföG gehen die Unterhaltsansprüche (und auch die unterhaltsrechtlichen Auskunftsansprüche hinsichtlich Einkommen und Vermögen der Eltern) auf den Leistungsträger des Staates über, soweit Leistungen gewährt worden sind, und zwar kraft Gesetzes, ohne dass Sie Ihre möglichen Ansprüche abtreten müssten.

Das praktische Problem besteht darin, dass das BAföG-Amt nicht von sich aus tätig werden muss. Hier gilt es, das Amt davon zu überzeugen, dass Sie Ihre Ausbildung nur dann erfolgreich abschließen können, wenn Sie zunächst (vorläufig) die Leistungen gewährt bekommen, da ein Gerichtsprozess gegen Ihre Eltern - noch dazu mit Auslandsbezug - zu langwierig ist.
Hierbei müssen Sie sich auf den Grundsatz der Ausbildungsförderung berufen, der in § 1 BAföG verankert ist:

„Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen."

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen hilfreichen ersten Überblick zu Ihren Rechtsfragen verschaffen, ansonsten dürfen Sie gerne von der Rückfragemöglichkeit Gebrauch machen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Ergänzung vom Anwalt 8. Juli 2011 | 15:43
Sehr geehrter Ratsuchender,

soweit Ihre Eltern keinen Unterhalt leisten oder zu Unterhaltszahlungen oder zur Auskunft über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bereit sind, besteht hinsichtlich der Ausbildungsförderung die Möglichkeit, einen Antrag auf Vorausleistungen gemäß § 36 BAföG zu stellen. Dies hatte ich vergessen, zu erwähnen.

Mit freundlichen Grüßen


Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Bewertung des Fragestellers 10. Juli 2011 | 00:15

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