Überstunden nach längerer Erkrankung / Burnout

27. Januar 2025 15:54 |
Preis: 51,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Sehr geehrte Damen und Herren,
folgender Fall:
Ich arbeite seit 18 Jahren, seit 2006, in einem mittelgroßen Unternehmen mit insgesamt 5.000 Mitarbeitern. Ich habe jahrelang sehr große Leistung erbracht und auch ein entsprechendes Gehalt erreicht und leite 8 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Leiter des Teams.
Ich habe keine Prokura, bin nicht in der Geschäftsführung und kein Abteilungsleiter sondern ein sog. "Team-Leiter". Davon gibt es im Unternehmen ca. 20 weitere mit mehr oder weniger großen Teams. Darüber sind meistens Abteilungsleitungen. In meinem Fall gibt es noch zwei weitere Team-Leiter. Darüber ein Abteilungsleiter. Darüber der Finanzleiter.
In meinem Arbeitsvertrag sind 40 Stunden vereinbart. Ich bin Führungskraft. Es gibt eine entsprechende Überstundenklausel, dass ich Überstunden bis zur maximalen zulässigen gesetzlichen Höhe leisten muss.
Ich habe fast in allen 18 Jahren ca. 150-250 Überstunden geleistet. Das mag sich, heruntergerechnet auf den einzelnen Arbeitstag bei ca. 220 Arbeitstagen im Jahr nun nicht so viel anhören.
Die Überstunden ballen sich aber zu bestimmten Zeiten jedes Jahr wiederkehrend und nehmen eher zu statt ab. Bedeutet, dass es in manchen Monaten zu keinen oder geringen Überstunden kommt. Dafür aber beispielsweise in zehn Wochen am Stück 100 Überstunden entstehen. Dies ist jedes Jahr das gleiche Problem.
Nun bin ich niemand, der bei einem Gehalt von ca. 120 Tsd. € der Meinung ist, dass man keine Überstunden machen müsse. Dadurch, dass die Phase der Überstunden oftmals mehr als zehn Wochen am Stück beträgt mit durchschnittlich dann 50 Stunden jede Woche wird es aber doch sehr heftig. Die Arbeitsintensität ist hoch, der Arbeitstakt und die Termine eng. Heißt: Man arbeitet zehn, elf Wochen durchschnittlich 50 Stunden die Woche (was nunmal dann 25 % Überstunden jede Woche sind) ....
Soweit auch noch kein Problem wenn das mal zwei Wochen, drei Wochen, meinetwegen vier Wochen sind. Bei Zeiträumen von acht, neun, zehn Wochen und länger wird es dann aber schwierig neben 10 Stunden Arbeit, einer Stunde Pause, einer Stunde Fahrzeit (12 Stunden) noch ein Privatleben zu führen. Arzttermine, Hobbys oder Freundschaften liegen in dieser Zeit auf Eis.
Dadurch, dass man trotz des Einsatzes von 25 % Überstunden über durchaus zehn Wochen aber dennoch nicht mit der Arbeit hinterherkommt hat man enormen Stress. Das Gefühl, dass die zehn Stunden auch nicht reichen ist zermürbend. Am Ende führte dies zu einem diagnostizierten schweren Burnout bei mir.

Ich habe gelesen, dass es diverse Gründe gibt, die gegen Überstunden sprechen, auch wenn diese (wie bei mir) im Arbeitsvertrag ja enthalten sind. Z.B. bei Kindern in der Familie. Ich bin nun 4 Monate arbeitsunfähig gewesen, war 6 Wochen in einer Klinik und man hat mir dringend empfohlen, dass ich eine stufenweise Wiedereingliederung machen solle und auch danach auf mindestens mal das erste Jahr , besser zwei Jahre, ggf. länger , die vertragliche Arbeitszeit von 40 Stunden einhalten soll da ein hohes Rückfallrisiko besteht.

Nun meine Frage(n)
Kann / Sollte ich meinem Arbeitgeber bei Rückkehr mitteilen, dass ich auf längere Zeit (durchaus 1 bis 2 Jahre mit offenem Ausgang) erst einmal maximal 40 Stunden arbeiten soll?
Oder würde ich mich hiermit faktisch selbst kündigen weil ich damit mitteile, dass ich meinen Arbeitsvertrag zumindest was "geschuldete Überstunden" anbelangt, krankheits- bzw. gesundheitsbedingt nicht mehr ausführen könnte?

Ich muss wieder arbeiten und ich möchte wieder arbeiten. Es müssen auch nicht exakt 40 Stunden oder 8 Stunden jeden Tag sein. Meinetwegen können es auch mal 42 oder 43 in einer Woche sein. Durchaus auch mal 45 oder auch mal - wie vor meiner Erkrankung - 50 Stunden. Allerdings eben nicht über viele Wochen hinweg. Hier ist das Risiko erheblich, dass ich erneut ausfallen könnte und meine Gesundheit schwer leidet.

Kann ich - ohne mein Arbeitsverhältnis zu gefährden - dann Überstunden ablehnen? Meine normale vertragliche Arbeitszeit wird von mir erfüllt.

Einen Betriebsrat gibt es nicht. Es gibt im internen Unternehmens-Auftritt einen Hinweis, dass die Überstunden zu keiner Zeit 60 Stunden übersteigen sollten. Führungskräfte sind hier nicht ausgenommen. Kann man sich hierauf berufen? Oder ist das nichts wert weil es nur als "soll" formuliert ist?

Im Fazit ist es so. Ich möchte gerne wieder arbeiten. Einerseits würde ich gerne offen gegenüber meinem Arbeitgeber kommunizieren wie die Sachlage ist. Auf der anderen Seiten weiß ich nicht ob das sinnvoll ist, sozusagen offen zu sagen, dass man keine Überstunden mehr leisten kann für eine mindestens längere Zeit weil ich meinen Arbeitsplatz nicht offen gefährden möchte.


27. Januar 2025 | 16:43

Antwort

von


(1255)
Meisenweg 14
41239 Mönchengladbach
Tel: 06172 5953008
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Valentin-Becker-__l108658.html
E-Mail: fpb@braeuer-becker.com
Guten Tag,

vielen Dank für die ausführliche Darstellung Ihres Falls. In Ihrer Situation geht es darum, eine Balance zu finden zwischen der Rückkehr an den Arbeitsplatz und der Wahrung Ihrer Gesundheit, ohne dabei das Arbeitsverhältnis zu gefährden. Ich werde Ihnen eine rechtliche Einschätzung zu den verschiedenen Fragen und Aspekten geben:

Kann/Sollte ich meinem Arbeitgeber mitteilen, dass ich aus gesundheitlichen Gründen über einen längeren Zeitraum keine Überstunden leisten kann?
Es ist grundsätzlich nicht verkehrt, Ihren Arbeitgeber über Ihre gesundheitliche Situation zu informieren, insbesondere, wenn dies zu einer langfristigen Anpassung Ihrer Arbeitszeit führt. Dies wäre auch im Einklang mit Ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber gegenüber Ihrem Wohlbefinden.

Wenn Ihnen aufgrund der Diagnose ein stufenweiser Wiedereinstieg empfohlen wurde und eine Reduzierung der Arbeitszeit notwendig ist, haben Sie ein Recht auf Teilzeit oder eine Anpassung der Arbeitszeit, insbesondere aus gesundheitlichen Gründen. Auch wenn Ihr Arbeitsvertrag grundsätzlich Überstunden vorsieht, müssen diese in einem Rahmen erfolgen, der Ihre Gesundheit nicht gefährdet. Ein solches Vorgehen ist nicht als Kündigung zu verstehen, sondern als verantwortungsbewusste Kommunikation mit dem Arbeitgeber. Die Empfehlung des Arztes ist ein starker Punkt, um Ihre Forderung nach einer reduzierten Arbeitszeit zu untermauern.

Sie können dem Arbeitgeber mitteilen, dass es auf ärztlichen Rat hin notwendig ist, die Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum auf maximal 40 Stunden zu begrenzen, um ein erneutes Risiko für Ihre Gesundheit zu vermeiden. Idealerweise stellen Sie dies als vorübergehende Maßnahme dar, um zu verdeutlichen, dass Sie die Arbeit weiterhin fortführen möchten, aber eben unter den gegebenen gesundheitlichen Umständen.


Führt dies zu einer Selbstkündigung oder zur Gefährdung meines Arbeitsverhältnisses?
Nein, allein die Mitteilung über eine reduzierte Arbeitszeit aufgrund gesundheitlicher Probleme stellt keine Kündigung dar. Es ist vielmehr eine notwendige Änderung der Arbeitsbedingungen, die vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung Ihrer gesundheitlichen Situation akzeptiert werden sollte.

Wenn Sie Ihre Arbeitszeit begrenzen möchten, ohne das Arbeitsverhältnis zu gefährden, sollten Sie dies als vorübergehende Anpassung in Absprache mit dem Arbeitgeber formulieren und eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, die diese Notwendigkeit belegt. In vielen Fällen ist es sinnvoll, dem Arbeitgeber eine Lösung anzubieten, wie z. B. die Aufteilung der Überstunden auf einen späteren Zeitpunkt, sobald es Ihre Gesundheit zulässt.


Kann ich Überstunden ablehnen, ohne das Arbeitsverhältnis zu gefährden?
Ja, grundsätzlich haben Sie das Recht, Überstunden zu verweigern, wenn diese aufgrund Ihrer gesundheitlichen Situation nicht zumutbar sind. Dies gilt insbesondere, wenn Ihre Gesundheit gefährdet ist. Die Arbeitszeit ist im Wesentlichen im Arbeitsvertrag geregelt, und Überstunden müssen zumutbar sein, sowohl aus gesundheitlicher als auch aus vertraglicher Sicht. Ein Arbeitgeber kann von Ihnen nicht verlangen, gegen ärztlichen Rat oder Ihre Gesundheit Überstunden zu leisten.

Wenn Sie sich auf gesundheitsbedingte Einschränkungen berufen, können Sie die Überstunden verweigern, solange dies durch ärztliche Atteste oder Gutachten gestützt wird. In Ihrem Fall würde eine medizinische Empfehlung, die besagt, dass Sie Überstunden in den kommenden 1-2 Jahren aufgrund der gesundheitlichen Risiken nicht leisten können, als starke Grundlage dienen.


Betriebsinterne Regelung zu Überstunden:
Da es in Ihrem Unternehmen eine interne Regelung gibt, die besagt, dass Überstunden nicht 60 Stunden überschreiten sollen, können Sie sich unter Umständen auf diese "Soll"-Regelung berufen, auch wenn sie nicht bindend ist. Es handelt sich dabei um eine Empfehlung des Unternehmens, die Sie in Ihrer Argumentation anführen können.
Die Formulierung "soll" lässt insoweit zwar einen gewissen Ermessensspielraum zu, aber sie kann dennoch als Argument in einer Diskussion mit dem Arbeitgeber dienen, insbesondere wenn es um die Vereinbarkeit von Gesundheit und Arbeitsanforderungen geht.


Fazit:
Ich empfehle, ein offenes Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber zu suchen, in dem Sie sowohl Ihre Bereitschaft zur Arbeit als auch die notwendigen gesundheitlichen Anpassungen klar kommunizieren. Wenn der Arbeitgeber entgegenkommt, lässt sich eine Lösung finden, die sowohl für Ihre Gesundheit als auch für Ihre berufliche Situation förderlich ist. Falls dies zu Schwierigkeiten führen sollte, können Sie sich noch immer anwaltlich vertreten lassen (durch einen Fachanwalt bei Ihenn vor Ort), um Ihre Rechte und Ansprüche weiter abzusichern.

Ich hoffe, diese Informationen helfen Ihnen weiter. Wenn Sie weitere Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehe ich gerne zur Verfügung!

Viele Grüße


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