Übergang von einer GbR zu einem Einzelunternehmen / Auflösungsvertrag

21. Februar 2023 14:58 |
Preis: 70,00 € |

Gesellschaftsrecht


Beantwortet von

Guten Tag,

es geht um den rechtlich abgesicherten Übergang von einer GbR zu einem Einzelunternehmen.
Weiter unten habe ich auszugsweise Inhalte unseres Gesellschaftervertrags aufgeführt.

Da ich nicht weiß, was alles relevant sein könnte, beschreibe ich im Folgenden so detailliert wie möglich:

Mit einem Geschäftspartner (im Folgenden Gesellschafter 1 genannt) habe ich im letzten Jahr eine GbR zu je 50% Anteil auf unbestimmte Zeit gegründet, aus der dieser nun schon wieder austreten möchte. Am 01.02.23 erhielt ich (nach vorangegangenem Schriftwechsel per Handy-Messenger bezgl. einer alternativen Regelung/Arbeitsaufteilung) die definitive Absage zur Fortführung unserer Geschäftsbeziehung. Wortlaut: „Ich bleibe dabei, dass ich zu 100% aussteige." (Frage 1* s.u.)

Gesellschafter 1 leistet „aus zeitlichen Gründen" nunmehr seit Monaten nicht die vereinbarte Arbeitszeit. Zudem gab es im letzten Jahr mehrere krankheitsbedingte Ausfälle (mehrere Tage bis Woche/n), die im Prinzip nur auf Nachfrage hin mitgeteilt wurden. Ich habe dies bezgl. offiziell aber nie etwas gemacht, Gesellschafter 1 schriftlich also nie direkt bzw. explizit auf seine Vertragspflichten hingewiesen, damit die Stimmung zwischen uns nicht leidet...

Gesellschafter 1 ist bekannt, dass ich das Unternehmen als Einzelunternehmer fortführen möchte. Soweit mir bekannt ist, strebt Gesellschafter 1 die Anmeldung eines eigenen Einzelunternehmens nicht an.

Die offizielle Aussage des Gesellschafter 1 war, dass er sich „im Guten" trennen möchte. Leider hat er die vertraglich vereinbarte monatliche Zahlung (Frage 2* s.u.) auf unser gemeinsames Geschäftskonto umgehend (bereits mit der Februar-Zahlung) eingestellt, mit der wir unsere laufenden Kosten (u.a. Webshop-Anbieter, Kontoführungsgebühren, etc.) begleichen. Und hierüber hat er mich nicht etwa in Kenntnis gesetzt. Ich musste es selbst herausfinden. Bislang habe ich ihn nicht zur Zahlung aufgefordert, da durch die anfangs getätigten Einlagen bzw. auch durch meine monatliche Zahlung noch ausreichend Geld auf dem Konto war. (Frage 3* s.u.)

Wir haben zusammen einige kleinere Anschaffungen getätigt, die preislich insgesamt im unteren dreistelligen Bereich liegen. Wir haben zudem per Vorauszahlung für zwei Jahre in ein Buchhaltungsprogramm investiert. Der Betrag lag ebenfalls im unteren dreistelligen Bereich.

Wir haben keinen Kredit aufgenommen und auch keinen laufenden Mietvertrag, oder sonstige derartigen größeren Verpflichtungen.

Geld verdienen wir noch nicht, da wir noch gar nicht richtig starten konnten. Ende letzten Jahres haben wir lediglich eine sehr geringe Summe „eingenommen", da wir ein paar Testbestellungen haben machen lassen, um uns von Bekannten eine erste Einschätzung bzw. Bewertung von Aufmachung und Performance unseres Webshops einzuholen.

Hier die Auszüge aus dem Gesellschaftervertrag, die mir relevant erscheinen:

QUOTE


§ 5 Einlagen
Gesellschafter 1 und Gesellschafter 2 leisten jeweils eine Bareinlage in Höhe von 125,00 Euro, sowie, bis auf Weiteres, eine monatliche Zahlung von 25,00 Euro auf das gemeinsame Bankkonto.
Gesellschafter 2 bringt „Handelsprodukte" im Wert von 850,00 Euro in das Unternehmen ein.


§ 10 Arbeitszeit
Die Gesellschafter leisten, bis auf Weiteres, eine wöchentliche Arbeitszeit von mindestens 10 Stunden und maximal 18 Stunden. Die Arbeitszeiten sind flexibel zu gestalten, sollten aber zumeist den gängigen Zeiten des Geschäftsvorhaben entsprechen. Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen gem. individueller Regelung bzw. Absprache.

§ 11 Urlaub, Krankheit

Ein ärztliches Attest ist spätestens ab dem vierten Krankheitstag einzuholen und einzureichen, an Wochenenden und Feiertagen entsprechend am nächsten Werktag.


§ 15 Kündigung / Übernahmerecht
Jeder Gesellschafter kann den Gesellschaftsvertrag mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres kündigen.
Kündigt ein Gesellschafter, so ist der übrige Gesellschafter zur Übernahme des Gesellschaftsvermögens mit allen Aktiva und Passiva – ohne Liquidation – berechtigt. Dies gilt auch, wenn der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird oder verstirbt oder ein anderer Fall eintritt, der nach dem Gesetz die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hätte.
Die Übernahme ist des ausgeschiedenen Gesellschafters oder dessen Erben gegenüber binnen vier Wochen nach Eintritt des Auflösungsgrundes zu erklären.
Soll eine Übernahme nicht erfolgen, so ist die Gesellschaft unmittelbar nach Eintritt des Auflösungsgrundes aufzulösen und zu liquidieren.

§ 16 Abfindung
Am Tag des Ausscheidens eines Gesellschafters ist eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, die alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft in tatsächlichem Umfang und Wert enthält.
Der ausscheidende Gesellschafter erhält den seiner Beteiligung entsprechenden Anteil am sich hieraus ergebenden Gesellschaftsvermögen als Abfindung.
An den Werten des Namens und der Marken der Gesellschaft, sowie am Ergebnis schwebender Geschäfte, ist der ausscheidende Gesellschafter nicht zu beteiligen.
Die Abfindung ist dem ausscheidenden Gesellschafter binnen 3 Monaten nach Feststellung zinslos auszubezahlen.

§ 17 Ausschluss eines Gesellschafters
Ein Gesellschafter, in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt, der den übrigen Gesellschafter nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würde, kann aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn ein Gesellschafter seine, sich aus diesem Vertrag ergebenen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, sowie bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit eines Gesellschafters.
Dauerhaft ist die Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsfähigkeit innerhalb von 18 Monaten nicht wiederhergestellt werden kann.


§ 19 Schriftform
Ergänzungen und Änderungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform.


UNQUOTE

1*) Gilt diese Aussage bereits als Kündigung? Wenn ja, offiziell dann aber zum Geschäftsjahresende, da vertraglich so vereinbart?

2*) Monatliche Zahlung gem. Vertrag jeweils 25€. Da zwischenzeitlich die fixen Kosten auf 54,48€ gestiegen waren und wir für etwaige zukünftige weitere Anschaffungen mehr Geld auf dem Geschäftskonto zur Verfügung haben wollten, hatten wir im November’22 (vorerst mündlich) beschlossen ab Dezember je 50€ auf das gemeinsame Konto zu überweisen. Wir hatten es versäumt den Betrag im Gesellschaftervertrag zu aktualisieren. Es ist auf dem Konto aber nachvollziehbar, dass ab DEZ je 50€ geleistet wurden. Rein rechtlich habe ich hier aber vermutlich trotzdem Pech gehabt (falls dieser Umstand an irgendeinem Punkt noch relevant werden könnte), oder?

3*) Sollte ich die Februar-Zahlung noch schriftlich anfordern? Wenn ja, die vertraglich vereinbarten 25€, die tatsächliche Hälfte der Fixkosten 27,24€ oder die mündlich vereinbarten und zuletzt geleisteten 50€?

Ich möchte die gemeinsamen Anschaffungen behalten und auch alle Rechte an unserem Fantasienamen, dem Logo (Datei noch im Besitz des Gesellschafter 1), der Fotos für die Website sowie der Produktfotos (Dateien noch im Besitz des Gesellschafter 1), der Website selbst, etc. übernehmen.
Am liebsten wäre mir, sofern das rechtlich möglich ist, mit Gesellschafter 1 zu vereinbaren, dass er vorzeitig ohne Einhaltung der Kündigungsfrist (sagen wir zum 28.02.23) austreten darf und somit ja auch von der monatlichen Zahlungspflicht entbunden wird. Im Gegenzug hätte ich aber gern, dass er auf finanzielle Forderungen verzichtet, egal ob Abfindung (vermutlich ja eh nicht relevant), anteilige Anschaffungskosten, anteilige Rückzahlung der Kosten für das Buchhaltungsprogramm, seine Einlage, etc. Lässt sich dies in einem Auflösungsvertrag formulieren – selbstverständlich vorausgesetzt, Gesellschafter 1 ist hiermit einverstanden – oder wäre das später, trotz Unterschrift des Gesellschafter 1, möglicherweise anfechtbar?
Wie sollte der Auflösungsvertrag aussehen, damit ich generell auf der sicheren Seite bin?

Vielen Dank im Voraus,
freundliche Grüße.
22. Februar 2023 | 08:23

Antwort

von


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E-Mail: braun@rechtsanwalt-braun.berlin
Sehr geehrter Fragesteller,




aufgrund der übermittelten Information beantworte ich Ihre Frage wie folgt.


Zu 1.)
Grundsätzlich ist das schon als Kündigung zu verstehen, dennoch empfehle ich Ihnen die Kündigung verschriftlichen lassen. Dazu könnten Sie Ihrem Mitgesellschafter entweder auffordern eine schriftliche Kündigung abzugeben oder Sie schreiben den Gesellschafter an und bitten um Bestätigung der Kündigung und legen ein Antwortschreiben bei, welches dann nur noch unterschrieben werden muss.


Zu 2.)
Sie könnten sich auf die erhöhte Zahlung berufen, aber der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis, da der andere Gesellschafter ausscheiden möchte, daher zeigen Sie sich kulant und stellen den Posten in die Auseinandersetzungsabrechnung für die Abfindung ein.


Zu 3.)
Da die Kündigung am 01.02.2023 erfolgte, könnte der Februar-Beitrag noch angefordert werden (vorbehaltlich der konkreten bisherigen Verfahrensweise) allerdings können Sie diesen Posten auch in die Auseinandersetzungsabrechnung für die Abfindung einstellen, was wahrscheinlich besser ist und für die Verhandlungen „besser" aussieht, da Sie dadurch den Eindruck erwecken, kulant und verständnisvoll zu sein, was manchmal hilft.


Wenn der andere Gesellschafter ausscheidet, geht der Anteil des anderen Gesellschafters auf Sie über und Sie behalten alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft und sind dann Einzelunternehmer. Sie können eine solche Abrede treffen und das Ausscheiden zu einem anderen Termin als dem Kündigungstermin vereinbaren und können in einer Auseinandersetzungsabrechnung zur Bestimmung der konkreten Abfindung auch eine Abfindung von 0 € vereinbaren. Allerdings sollten sie berücksichtigen, dass eine 0 € Abfindung zu Missverständnissen und „automatischen" Widerspruch führen kann, eine Abfindung mit 50 € würde dagegen, auch wenn der Betrag nicht so viel mehr ist, wahrscheinlich erfolgreich sein.








Ich hoffe, dass ich Ihre Frage beantwortet habe, bei eventuellen Nachfragen können Sie gerne die kostenlose Nachfrageoption benutzen.


Berücksichtigen Sie bitte, dass auch kleine Sachverhaltsänderungen zu einer gänzlich anderen rechtlichen Bewertung führen können.


Mit freundlichen Grüßen


Sebastian Braun
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 23. Februar 2023 | 09:49

Vielen Dank.

Gilt denn aber die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist nicht? Demnach wäre es ja der 31.12.23, es sei denn ich stimme einem vorzeitigen Austrittsdatum zu, oder nicht?
Ich habe aufgrund der Umstände natürlich kein Interesse an der Einhaltung dieses Datums, hatte mir dadurch aber einen Verhandlungsvorteil bezgl. der finanziellen Ansprüche des Gesellschafter 1 für den vorzeitigen Ausstieg erhofft. Also, "Ok, steig gern schon aus und zahle die Hälfte der monatlichen Verbindlichkeiten nicht mehr, die du ansonsten bis zum Ende des Jahres hättest zahlen müssen. Dafür verzichtest du aber auf den antlg. Wert der Anschaffungen, deine Einlage, usw." = Zu einfach gedacht bzw. rechtlich nicht haltbar?

Die Abfindungssumme von 50€ ist beispielhaft gemeint, oder? Der Betrag sollte vermutlich nachvollziehbar sein?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 23. Februar 2023 | 09:53

Sehr geehrter Fragesteller,

dies ist korrekt, wenn Sie einen Auflösungsvertrag schließen gilt die Kündigungsfrist nicht mehr.

Wenn der Geschäftspartner die vertragliche Kündigungsfrist nicht eingehalten hat, können Sie ihn darauf verweisen und das natürlich als Verhandlungsmasse nutzen.

Die 50 € waren nur beispielhaft und sollte nachvollziehbar sein.

Mit freundlichen Grüßen


Sebastian Braun
Rechtsanwalt

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