Schulrecht NRW Täuschungsversuch JA oder NEIN?

17. Dezember 2021 14:18 |
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Schule, Hochschule, Prüfungen


Beantwortet von

Zusammenfassung

Ist es rechtens, dass die Lehrerein meiner Tochter, diese die Deutschklausur innerhalb der Bearbeitungszeit neu beginnen lässt weil diese ihr Handy und Deutschnotizen vor der Klausur auf Toilette vergesse hat, und ihr dann nur noch ein Drittel der Bearbeitungszeit blieb?

Bei einem Täuschungsversuch ist so zu verfahren, dass der Schülerin aufgegeben werden kann, den Leistungsnachweis zu wiederholen, wenn der Umfang der Täuschung nicht feststellbar ist. Weiter können einzelne Leistungen, auf die sich der Täuschungsversuch bezieht, für ungenügend erklärt werden oder die gesamte Leistung kann für ungenügend erklärt werden, wenn es sich um einen umfangreichen Täuschungsversuch handelt. Einfach die Klausur wegzunehmen und die Schülerin von neuem Beginnen zu lassen dürfte nicht zweckmäßig und folglich eine rechtswidrige Benachteiligung sein.

Unser Tochter hat heute ein 3-stündige Deutschlasur der Q1 auf dem Gymnasium geschrieben. Kurz vor der Klausur wollte sie auf der Toilette noch mal in Ruhe ihre Notizen für die Arbeit anschauen. Weil Ihre Freundin ihre Schultasche schon mitgenommen hatte, um Ihr einen Platz frei zu halten, hat sie die Notizen zusammen mit Ihrem Handy auf der Toilette liegen lassen. Während der Klausur war sie nicht auf der Toilette. Sie hat den Klassenraum nicht verlassen. Da sie eine sehr gute Schülerin ist, hat sie es gar nicht nötig zu spicken. Sie ist zurzeit total gestresst und hat völlig dämlich ihre Deutschnotizen dort liegen lassen. Nach etwas mehr 2 Stunden hat ihr die Lehrerin ihre Klausurbögen abgenommen und gesagt, sie müsse jetzt noch mal von vorne anfangen. Das wäre in den verbleibenden 30 Minuten nicht möglich gewesen. Sie konnte sich aufgrund des Schocks auch nicht mehr konzentrieren und hat weinend den Raum verlassen. Meine Frage lautet: Handelt es sich hierbei überhaupt um einen Täuschungsversuch?
17. Dezember 2021 | 17:31

Antwort

von


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Gerne zu Ihrer Frage:

Betrachtet man - was juristisch angezeigt ist - die Sache ohne Empathie, ist es so, dass man zunächst nur von den objektiven Gegebenheiten ausgehen kann. So wäre etwa die Einlassung [i]"Da sie eine sehr gute Schülerin ist, hat sie es gar nicht nötig zu spicken"[/i] kaum als Anscheinsbeweis hilfreich, weil ja auch eine noch bessere Prüfungsleistung [b]mit nicht erlaubten Hilfsmitteln[/b] erstrebenswert sein kann. Letzteres ist im übrigen die ganz allgemeine Definition im schulischen Prüfungsrecht.

Ansonsten ist es mit dem VG Karlsruhe, Urt. v. 29. 6. 2011 − 7 K 3433/10
so, dass grundsätzlich das bloße Mitführen eines nicht zugelassenen Hilfsmittels (hier: Handy) in der Prüfung ausreicht, um eine Prüfungsleistung mit „ungenügend" zu bewerten.

ABER:

Diese prüfungsrechtliche Sanktion kann [b]nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Schüler vor der Prüfung in klarer und unmissverständlicher Weise auf das Verbot hingewiesen worden sind.[/b]

Außerdem wäre bei sinngemäßer Anwendung des § 13 Absatz 6 VO über den Bildungsgang und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe (APO-GOSt) NRW vom 05.10.1998 (§ 13 zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 9. April 2020) bei einem Täuschungsversuch so zu verfahren:

a) kann der Schülerin oder dem Schüler aufgegeben werden, den Leistungsnachweis zu wiederholen, wenn der
Umfang der Täuschung nicht feststellbar ist,

b) können einzelne Leistungen, auf die sich der Täuschungsversuch bezieht, für ungenügend erklärt werden,

c) kann die gesamte Leistung für ungenügend erklärt werden, wenn es sich um einen umfangreichen Täuschungsversuch handelt.

Wird eine Täuschungshandlung erst nach Abschluss der Leistung festgestellt, ist entsprechend zu verfahren.

Nicht aber kann ich erkennen, dass die von Ihnen hier beschriebene Verfahrensweise der Lehrerin ...

[i]Nach etwas mehr 2 Stunden hat ihr die Lehrerin ihre Klausurbögen abgenommen und gesagt, sie müsse jetzt noch mal von vorne anfangen. [/i]

...eine der Verordnung entsprechende [b]zweckmäßige und verhältnismäßig[/b] Reaktion wäre.

Insofern ist Ihre Wertung korrekt, dass [i]das in den verbleibenden 30 Minuten nicht möglich gewesen war[/i]; mithin eine rechtswidrige Benachteiligung Ihre Tochter war.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

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