Rückbau und Neubau einer Stützmauer in Folge eines falschen Grenzverlaufs (Bayern)

20. September 2016 12:14 |
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Hauskauf, Immobilien, Grundstücke


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte um Unterstützung im folgenden Fall.

Zwei Grundstücke A und B in Bayern haben an einer Grundstücksgrenze einen gemeinsamen Grenzverlauf von 32m. Die Grundstücke liegen an einem Hang, der ein leichtes Gefälle von ca 8% aufweist. Das Grundstück A liegt, von Grundstück B aus betrachtet, hangaufwärts.
Die Grundstücksgrenze ist als Stützmauer mit einer Höhe von 50 - 70 cm ausgebildet. Die Stützmauer wurde erforderlich, da der natürliche Grenzverlauf im Grundstück A durch eine Aufschüttung in gleicher Höhe zum Grundstück B hin verändert wurde. Die Mauer, aus dem Beginn der 60er Jahre, stand bereits als das Grundstück B bebaut wurde. Auf der mittlerweile baufälligen Mauer steht ein ebenfalls maroder Maschendrahtzaun und in ca 50 cm Abstand zur Mauer, auf dem Grundstück A, eine 270 cm hohe Hainbuchenhecke.

Der Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken wurde in beiderseitigem Einvernehmen der Eigentümer vor einem Monat neu bestimmt. Die Vermessung ergab, dass eine als Dreieck ausgebildete Fläche aus Grundstück A zu Grundstück B gehört. Damit liegen ca. 26 m der Stützmauer und Teile der dahinter liegenden Hecke auf dem Grundstück B.

Fragen:
1. Habe ich als Eigentümer des Grundstücks B einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB (Entfernen der alten Stützmauer, der Erdaufschüttung sowie der Hecke)?
Ich bin seit 2011 Eigentümer des Grundstücks B. Den vorherigen Eigentümern war der falsche Grenzverlauf nicht bekannt. Der jetzige Eigentümer des Grundstücks A hat beim Grundstückskauf vor einigen Jahrzehnten die Stützmauer vom Ersteigentümer übernommen.
2. Wer muss, ggf. unabhängig vom Beseitigungsanspruch aus §1004 BGB, die neue Stützmauer errichten und wer trägt die Kosten?
3. Auf welchem Grundstück ist die neue Stützmauer zu errichten?
4. Kann ich auf Grund der neuen Erkenntnisse über den tatsächlichen Grenzverlauf vom Eigentümer des Grundstücks A fordern, dass er die Teile der Hecke, die nun unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegen, nach den Vorgaben des Art. 47 BAYAGBGB entfernt oder greift die Verjährung?

Vielen Dank für eine fundierte Auskunft
20. September 2016 | 14:16

Antwort

von


(1615)
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Sehr geehrter Ratsuchender,

lassen Sie mich Ihre Fragen wie folgt beantworten.

1. "Habe ich als Eigentümer des Grundstücks B einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB (Entfernen der alten Stützmauer, der Erdaufschüttung sowie der Hecke)?"

Grundsätzlich haben Sie einen Beseitigungsanspruch, da Ihr Eigentum durch Mauer, Aufschüttung und Hecke beeinträchtigt ist.

Dieser Beseitigungsanspruch verjährt jedoch nach den allgemeinen Regeln der §§ 195, 199 BGB in drei Jahren ab Kenntnis der Eigentumsbeeinträchtigung bzw. ohne Kenntnis in 10 Jahre ab Entstehung des Anspruchs (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB).

Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut mit Ihrem Eigentumserwerb 2011.

> Da weit mehr als 10 Jahre vergangen sind, können Sie die Beseitigung der Störung nicht (mehr) vom Nachbarn verlangen.

BGH, Urt. v. 28.01.2011 - V ZR 141/10, Leitsätze:
§ 902 Abs. 1 Satz 1 BGB findet auf den Beseitigungsanspruch wegen einer Störung in der Ausübung des Grundstückseigentums keine Anwendung ([...] BGHZ 60, 235, 238). Auch nach der Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB bleibt der von dem Störer geschaffene Zustand rechtswidrig; er kann von dem Gestörten daher auf eigene Kosten beseitigt werden."

Ein Anspruch auf Herausgabe der Grundstücksfläche besteht allerdings, da dieser Anspruch nicht verjährt.

> Sie können daher die Beeinträchtigung auf eigene Kosten entfernen.

2. "Wer muss, ggf. unabhängig vom Beseitigungsanspruch aus §1004 BGB, die neue Stützmauer errichten und wer trägt die Kosten?"

Grundstätzlich muss der Nachbar die Stützmauer errichten oder eine anderweitige Maßnahme vornehmen und auch die Kosten tragen.

Es ist aber möglicherweise § 909 BGB zu beachten. Durch Beseitigung von Mauer und Aufschüttung verliert das Nachbargrundstück möglicherweise die erforderliche Stütze.
Ist das der Fall, könnte der Nachbar von Ihnen Schadensersatz verlangen.
Wiederum zu beachten ist, dass durch die Beseitigung gerade eine rechtswidrige Beeinträchtigung Ihres Eigentums beseitigt wird.

Sprechen Sie mit dem Nachbarn.

3. "Auf welchem Grundstück ist die neue Stützmauer zu errichten?"

Auf dem Grundstück des Nachbarn.

4. Kann ich [...] fordern, dass er die Teile der Hecke, die nun unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegen, nach den Vorgaben des Art. 47 BAYAGBGB entfernt oder greift die Verjährung?

Dieser Beseitigungsanspruch ist gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 2 und 3 BayAGBGB verjährt, wenn "der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis [...] ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste."

Hier wäre zu prüfen, ob Sie oder Ihr Voreigentümer hätten erkennen können, dass die Hecke zu nah an der wahren Grundstücksgrenze steht, d.h. dass "die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich groben Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das beachtet haben, was jedem hätte einleuchten müssen" (BGH; zit. nach Palandt/ Ellenberger, BGB, § 199 Rdnr. 39).
Ein Gericht könnte hier durchaus zu der Entscheidung kommen, dass Sie bei Erwerb des Grundstücks die Grenzen hätten vermessen lassen und damit due Grenzabstandsverletzung hätten kennen können.

Dann läge grobe Fahrlässigkeit vor und der Beseitigungsanspruch wäre verjährt.

Wenn nicht, wäre der Anspruch nicht verjährt.

> Es lässt sich damit nicht mit Gewissheit sagen, ob Verjährung bereits eingetreten ist oder Sie noch einen Anspruch auf Beseitigung haben.


Beachten Sie, dass wegen der Nachbarrechte aus dem BayAGBGB vor einer Klage eine obligatorische Streitschlichtung durchzuführen ist (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 e BaySchlG):
"Vor den Amtsgerichten kann in folgenden bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen: [...]"

Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Rechtslage näherbringen.

Eine einvernehmliche Regelung ist anzuraten und wohl auch nicht ganz abwegig, da zumindest eine Grenzbestimmung im beiderseitigen Einvernehmen durchgeführt wurde.


Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 20. September 2016 | 17:09

Sehr geehrter Herr Eichhorn,

vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Erlauben Sie mir eine Nachfrage zur Frage 2. Eine präzise Auskunft ist für mich schon deswegen wichtig, da der Nachbar darauf besteht, dass ich im Falle eines Rückbaus für die Kosten der neuen Stützmauer aufkommen muss. Auch auf meinen Vorschlag eines äquivalenten Flächentausches, der die Notwendigkeit eines Rückbaus und Neubaus der Stützmauer erübrigt hätte, geht er nicht ein.

Wie wird in der hiesigen Rechtsprechung die Ursächlichkeit im Zusammen-hang mit dem §909 BGB bewertet?

Erläuterung: Durch einen (partiellen) Rückbau der jetzigen Stützmauer kommt es über diese Länge zu einer Vertiefung aus Sicht des Grundstücks A. In der Folge könnten sowohl das Erdreich in Mauernähe als auch die Hainbuchenhecke instabil werden. Ursächlich für diese „Vertiefung" ist jedoch die Geländeerhöhung durch den Ersteigentümer des Grundstücks A, da erst diese die Stützmauer erforderlich machte. Mit anderen Worten: durch den Rückbau wird an diesen Stellen des Grundstücks der ursprüngliche Hangverlauf wieder hergestellt.
Gibt es Urteile zu diesem Punkt, die Sie anführen können?

Vielen Dank für Ihre Antwort

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 20. September 2016 | 18:16

Sehr geehrter Ratsuchender,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Zur Ursächlichkeit im Rahmen des § 909 BGB habe ich noch nichts gefunden.
Wenn Sie mir etwas Zeit zur weiteren Recherche geben, suche ich weiter.

§ 909 BGB sagt nichts zu Ursächlichkeit. Dem Wortlaut nach ist die Vorschrift einschlägig, nach Sinn und Zweck allerdings nicht.

Wenn Sie beweisen können, dass der / ein Nachbar den Boden erhöht hat, sehe ich das Risiko durch die Vertiefung beim Nachbarn und die Kosten der Abstützung allein beim Nachbarn.

Falls es keine 100% rechtlich sichere Lösung gibt, ist eine Einigung (beispielsweise 50:50) zu prüfen.


Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt

Ergänzung vom Anwalt 20. September 2016 | 19:37
Beachten Sie bitte, dass der Nachbar Sie auf Unterlassung des Abtragens des Bodens gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 909 BGB in Anspruch nehmen könnte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Sie rechtmäßig oder rechtswidrig handeln, da es nur auf die Folgen ankommt (BGH-NJW RR 2003, 953)
Der Nachbar muss dann keine Stützmauer setzen.

Da Sie Mauer und Aufschüttungen aktuell zwar auf eigene Kosten beseitigen dürfen aber die Stabilität des Nachbargrundstücks auch unabhängig von § 909 BGB nicht beeinträchtigen dürfen, ist es ratsam, eine bepflanzte Abschrägung auf Ihrem Grundstück zu belassen.
Ergänzung vom Anwalt 21. September 2016 | 09:52
Sehr geehrter Ratsuchender,

wie sie sehen, lässt sich in zwei Richtungen argumentieren.

Lassen Sie mich Ihre Fragen 2. und 3. - berichtigend - wie folgt beantworten.

Ich bin der auf den Gesetzeswortlaut gestützten Auffassung, dass Sie die Kosten der Abstützung tragen müssten. Eine Stützmauer oder eine andere Maßnahme wäre auf Ihrem Grundstück zu setzen, bei Einigung auch auf der Grenze (§ 921 BGB).

Das ist Folge der Verjährung Ihres Beseitigungsanspruchs (siehe Antwort zu Frage 1). Wäre der Anspruch nicht verjährt, müsste der Nachbar Mauer und Aufschüttung auf seine Kosten beseitigen und selbst für eine Absicherung an der wahren Grenze sorgen.

Sollte ich eine abweichende Gerichtsentscheidung finden, teile ich Ihnen diese bis spätestens Ende des Monats mit.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Antwort weitergeholfen hat.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt
Ergänzung vom Anwalt 21. September 2016 | 15:47
Unerheblich ist, dass das zu vertiefende Grundstück früher erhöht wurde (OLG Hamburg OLGE 31, 319, OLG Stuttgart SeuffA 64 (1909), 111 [zitiert nach BeckOK BGB /Fritzsche § 909 Rdnr. 3]).
Ergänzung vom Anwalt 21. September 2016 | 20:00
"Wenn ein Nachbar sein Hanggrundstück durch eine über die Grenze eines fremden Grundstücks reichende Aufschüttung verändert hat, so ist es dem nicht genehmigenden Eigentümer gestattet, die künstliche Erhöhung seines Grundstücks wieder durch Vertiefung zu beseitigen. Das gilt selbst dann , wenn dadurch die Auffschüttung des Nachbarn den Halt verliert (BGH LM Nr. 14)" (Staudinger/Roth, BGB 2016, § 909, Rdnr. 8 am Ende).
ANTWORT VON

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