Mahnung eines Werbenetzwerkes

5. Oktober 2010 13:01 |
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Internetrecht, Computerrecht


Ich erhielt vor kurzer Zeit eine Mahnung aufgrund einer scheinbar vorausgegangen Bestellung im März 2010.
Hierbei ging es um Werbeanzeigen, die gekauft worden sein sollen.
Diese Bestellung soll ca. 180 € betragen, doch Leistungen habe ich nie erhalten, da das Unternehmen erst nach Erhalt des Geldes aktiv wird.
Da ich allerdings gar keine Leistung erhalten wollte, sondern mich lediglich über Preise informieren wollte, wobei scheinbar eine Bestellung ausgelöst wurde, würde ich gern wissen, ob rechtlich die Bestellung zu bezahlen ist oder ob man dies einfach ignorieren kann, da keine Leistungen erbracht wurden und das Ganze bereits über ein halbes Jahr her ist.

Vielen Dank!
Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für ihre Anfrage, die ich im Rahmen einer Erstberatung unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes beantworte.

Sie beschreiben, dass Sie sich lediglich über den Preis informieren wollten und dabei „scheinbar eine Bestellung" ausgelöst haben.

Für die Bewertung kommt es darauf an, ob und in welcher Form bei der Bestellung deutlich gemacht wurde, dass es sich nicht um eine unverbindliche Anfrage, sondern um ein rechtsverbindliches Angebot handelt.

Häufig wird auf Formularvordrucken/-masken der entsprechende Hinweis kleingedruckt und unauffällig in einem Fließtext untergebracht, in der Absicht das Überlesen zu fördern. Durch eine Vielzahl von Hinweisen wird vom wesentlichen Inhalt abgelenkt, um über die Bedeutung der Erklärung und die damit verbundenen Kostenfolgen zu täuschen. Diese Art von Formularen (sog. Henghuber-Formulare in ihren unterschiedlichen Abwandlungen) wurden bereits vielfach von Gerichten als auf arglistige Täuschung abzielend erkannt.

Wurde durch verharmlosende Wortwahl und/oder fettgedruckte Hinweise verschleiert, dass es sich nicht bloß um eine unverbindliche Anfrage, sondern um ein auf einen Vertragsschluss abzielendes Angebot handelt oder zeigt das Auftragsformular die Absicht, die tatsächliche Vertragslaufzeit mit der entsprechenden Kostenfolge so unauffällig wie möglich im laufenden Text des Schreibens unter anderen mehr oder weniger unwesentlichen Angaben "unterzubringen" und das Überlesen zu fördern, so können Sie ihre Erklärung gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen (vgl. § 124 Abs. 1 BGB),

Im Übrigen dürfte es sich bei dem Auftragsformular um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, die der Kontrolle nach den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB unterliegen. Gemäß § 305 c BGB ist eine Klausel unwirksam, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages der Vertragspartner nicht mit ihr rechnen musste oder wenn die Bestimmung mehrdeutig ist.

Es kommt darauf an, ob das Formular nicht nur für einen flüchtigen, sondern auch für einen mit normaler Aufmerksamkeit handelnden Kaufmann in den erörterten Punkten ein erhebliches Irreführungspotential enthält.

Darüber hinaus ist fraglich, welche Leistung konkret für die 180,00 EUR erbracht werden soll. Stehen Leistung und Gegenleistung in auffälligem Missverhältnis zueinander, könnte der Vertrag gem. § 138 BGB nichtig sein.

Für den Fall, dass Sie auf dem Bestellformular ordnungsgemäß und unmissverständlich auf die Leistung und die Kostenfolgen hingewiesen wurden, so könnten Sie den Vertrag wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 BGB anfechten. Voraussetzung ist, dass Sie bei der Abgabe ihrer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtume waren oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollten und anzunehmen ist, dass die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben worden wäre.

Die Anfechtung gem. § 119 Abs. 1 BGB muss allerdings unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen und hat den Nachteil, dass Sie dem Erklärungsempfänger den Schaden zu ersetzen haben, den dieser dadurch erlitten hat, dass er auf die Gültigkeit ihrer Erklärung vertraut hat (vgl. § 122 BGB).

Da Sie schildern, dass „das Ganze bereits über ein halbes Jahr her ist", dürfte die Irrtumsanfechtung gem. § 119 Abs. 1 BGB ausscheiden.

Sollte wirksam vereinbart sein, dass Sie vorleistungspflichtig sind, d.h. die Leistung erst nach Bezahlung erfolgt, so können Sie sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.

Diese Beurteilung ist lediglich eine erste Orientierung und basiert auf den Angaben aus Ihrer Frage. Ich hoffe, Ihnen mit der Beantwortung einen ersten Überblick gegeben zu haben. Ich weise darauf hin, dass durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben die rechtliche Beurteilung anders ausfallen kann.

Eine Beratung innerhalb dieses Forums stellt nur eine erste rechtliche Orientierung dar. Ich stehe im Rahmen der Nachfragefunktion gern für Ergänzungen sowie gegebenenfalls für eine weitere Interessenwahrnehmung im Rahmen einer Mandatierung zur Verfügung. Falls Sie mich beauftragen wollen, können Sie sich bitte zunächst per Email über onlineanwalt@gmx.de an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Dr. Roger Blum
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