Kostenanforderung der Gemeinde für die Herstellung eines Kanal-Hausanschlusses

| 17. Juni 2024 20:04 |
Preis: 40,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Im Jahr 2011 musste ich auf Betreiben der Gemeinde einen 90 m langen Kanal-Hausanschluss auf eigene Kosten herstellen, weil die Gemeinde nicht bereit war den Kanal in der Straße bis zu meinem Haus zu verlegen.
Dazu wurde mir im Vorfeld von der Gemeinde schriftlich mitgeteilt, dass nach Auskunft des Hessischen Städte- und Gemeindebundes mein Grundstück über eine solche Hausanschlussleitung anzuschließen ist, auch wenn diese sehr lang ist.
Die Verlegung der Leitung erfolgte in enger Abstimmung mit der Gemeinde.
Nähere Details zur Leitungsverlegung wurden in einem Protokoll schriftlich festgehalten.
Zur Sicherheit der von mir zu tätigenden Investition wurde darin auch schriftlich fixiert, dass für die Abwasserentsorgung meines Grundstückes von der Gemeinde keine weiteren Anschlusskosten erhoben werden.
Im Wortlaut: Im Gegenzug dazu, dass die Gemeinde die öffentliche Sammelleitung nicht bis zu dem o. g. Grundstück verlegt und wegen der sehr langen Hausanschlussleitung, die der Grundstückseigentürmer auf eigene Kosten verlegt hat, erstattet die Gemeinde dem Grundstückseigentümer den im Jahr 2000 gezahlten Kläranlagenbeitrag in Form einer Kostenbeteiligung zurück. Darüber hinaus werden aus den vorgenannten Gründen von der Gemeinde keine weiteren Anschlussbeiträge erhoben.
Das Protokoll wurde vom damaligen Bürgermeister unterzeichnet.

Zehn Jahre später, im Jahr 2021, verlängert die Gemeinde den Kanal in der Straße bis zu meinem Haus, verfügt die Stilllegung meines bisherigen Kanal-Hausanschlusses und stellt einen neuen 15 m langen Kanalanschluss für mein Haus her.

Der bisherige Hausanschluss war intakt und funktionsfähig sowie auf technisch aktuellem Stand. Er war im Jahr 2011 von der Gemeinde gefordert, genehmigt, ordnungsgemäß und fachgerecht verlegt und von der Gemeinde abgenommen worden und somit auch erst 10 Jahre alt. Nach herrschender Meinung sind an einer solchen Rohrleitung mindestens 25 bis 30 Jahre keine Ersatz- oder Erneuerungsmaßnahmen zu erwarten. Es bestand an meinem Hausanschluss weder ein Reparatur- noch ein Erneuerungsbedarf. Es gab somit keinen Grund, den ich zu verantworten hätte, für mein Grundstück einen anderen neuen Hausanschluss herzustellen und die Stilllegung meines vorhandenen Hausanschlusses anzuordnen.
Mein Hausanschluss hätte auch nach der erfolgten Kanalverlängerung weiter genutzt werden können; er war nach wie vor ordnungsgemäß an gleicher Stelle an der Sammelleitung angeschlossen, in gutem funktionsfähigem Zustand und auch jederzeit zugänglich.

Demzufolge habe nicht ich die Erforderlichkeit der Veränderung der Hausanschlussleitung zu verantworten, sondern die Gemeinde.

Die Gemeinde bzw. der jetzige Bürgermeister rechtfertigt die Herstellung des neuen Hausanschlusses und die Kostenanforderung nur mit einem kurzen Satz: Die Entscheidung liege im Organisationsermessen der Gemeinde.

Für die Herstellung des neuen Kanalanschlusses fordert die Gemeinde mit Bescheid vom 25.11.2022 von mir die Übernahme der Kosten in Höhe von rund 4.000 €.
Ich soll damit innerhalb von 10 Jahren zum zweiten Mal einen Kanal-Hausanschluss bezahlen. Und dies entgegen der Zusicherung der Gemeinde, dass nach der Verlegung meiner Hausanschlussleitung im Jahr 2011 für mein Grundstück keine weiteren Anschlussbeiträge erhoben werden.

Gegen den Kostenbescheid habe ich am 27.11.2022 Widerspruch eingelegt.

Laut Schreiben des zuständigen Landkreises vom 13.06.2024 findet eine Anhörung vor dem Anhörungsausschuss gemäß § 7 Abs. 4 Ziff. 7 HessAGVwGO nicht statt, weil die Sach- und Rechtslage hinreichend geklärt erscheint und der Streitstand eine gütliche Erledigung des Widerspruchs nicht erwarten lässt.

Nun warte ich auf den Widerspruchsbescheid der Gemeinde.
In einem kurzen beiläufigen Gespräch hat der Bürgermeister bereits durchblicken lassen, dass er für eine Aufhebung des Kostenbescheides keine Grundlage sieht.

Wie ist die Rechtslage?
Wie sehen Sie das?
Wie ist Ihre Einschätzung?
19. Juni 2024 | 09:19

Antwort

von


(1131)
Wiesenstraße 28
90443 Nürnberg
Tel: 015785075264
Web: https://www.kanzlei-ahmadi.de
E-Mail: info@kanzlei-ahmadi.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1. Im Protokoll von 2011 wurde Ihnen schriftlich zugesichert, dass die Gemeinde wegen der sehr langen, von Ihnen auf eigene Kosten verlegten Hausanschlussleitung keine weiteren Anschlussbeiträge erheben wird. Dieses Protokoll wurde vom damaligen Bürgermeister unterzeichnet. Damit hat die Gemeinde einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den Sie sich berufen können.
2. Der 2011 von Ihnen hergestellte Hausanschluss war intakt, funktionsfähig und auf technisch aktuellem Stand. Es gab keinen von Ihnen zu vertretenden Grund für die Herstellung eines neuen Anschlusses. Die Entscheidung dazu lag allein im Organisationsermessen der Gemeinde. Damit dürfte auch kein Grund bestehen, Ihnen die Kosten aufzuerlegen.
3. Die pauschale Begründung der Gemeinde, die Entscheidung liege in ihrem Organisationsermessen, dürfte nicht ausreichen, um die Kostentragungspflicht auf Sie abzuwälzen. Vielmehr müssten konkrete Gründe dargelegt werden, warum der Anschluss aus 2011 nicht weiter genutzt werden konnte.
4. Auch wenn die Gemeinde grundsätzlich berechtigt ist, Kosten für Hausanschlüsse auf die Grundstückseigentümer umzulegen, dürfte dies hier aufgrund der besonderen Umstände (Zusicherung von 2011, kein Verschulden Ihrerseits) nicht zulässig sein.
Ich halte daher die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs bzw. einer Klage gegen den Kostenbescheid für gut. Die schriftliche Zusicherung der Gemeinde von 2011 ist ein starkes Argument.
Ich empfehle in am Widerspruch festzuhalten und notfalls Klage zu erheben. Für eine detaillierte Bewertung und Beratung sollten Sie einen auf Verwaltungsrecht spezialisierten Anwalt aufsuchen und ihm alle Unterlagen vorlegen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Milad Ahmadi
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 19. Juni 2024 | 10:34

Hätte mich die Gemeinde über die Herstellung des neuen Kanal-Hausanschlusses und über die daraus resultierenden Kosten informieren müssen.

Wenn ja, wann und in welcher Form sowie aufgrund welcher Rechtsgrundlage?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 19. Juni 2024 | 10:37

Nach meiner Einschätzung hätte die Gemeinde Sie vorab über die geplante Herstellung des neuen Kanal-Hausanschlusses und die damit verbundenen Kosten informieren müssen.
Dafür sprechen folgende Gründe:
1. Es bestand eine schriftliche Zusicherung der Gemeinde aus dem Jahr 2011, dass von Ihnen keine weiteren Anschlussbeiträge erhoben werden. Darauf durften Sie vertrauen. Wenn die Gemeinde davon abweichen wollte, hätte sie dies rechtzeitig ankündigen und begründen müssen.
2. Ihr bestehender Hausanschluss war intakt und funktionsfähig. Es gab keinen von Ihnen zu vertretenden Grund für einen neuen Anschluss. Daher wäre zumindest eine Information und Anhörung geboten gewesen, bevor die Gemeinde einen neuen Anschluss herstellt und Ihnen die Kosten auferlegt.
3. Die Herstellung eines Hausanschlusses und die Heranziehung zu den Kosten stellt einen Eingriff in Ihre Rechte als Grundstückseigentümer dar. Daher folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Informations- und Anhörungspflicht der Gemeinde.
Die Gemeinde hätte Sie daher rechtzeitig vor Beginn der Baumaßnahmen schriftlich über die Gründe, die geplante Ausführung und die zu erwartenden Kosten informieren müssen. Auch eine Gelegenheit zur Stellungnahme wäre angezeigt gewesen.
Dies ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen Gebot eines fairen Verwaltungsverfahrens. Eine spezielle Rechtsgrundlage ist dafür nicht erforderlich, die Pflichten folgen aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

Bewertung des Fragestellers 19. Juni 2024 | 10:51

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"Auf meine Rechtsfrage wurde ausführlich eingegangen.
Und auch die Nachfrage wurde schnell und detailliert beantwortet.
Vielen Dank."
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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 19. Juni 2024
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Und auch die Nachfrage wurde schnell und detailliert beantwortet.
Vielen Dank.


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