Jugendamt verlangt Heimunterbringung

10. November 2021 02:30 |
Preis: 51,00 € |

Familienrecht


Zusammenfassung

Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, Kinder oder Jugendliche bei geeigneten Personen, in geeigneten Einrichtungen oder in sonstigen Wohnformen vorläufig unterzubringen und Kinder oder Jugendliche von einer anderen Person wegzunehmen (§ 42 Abs. I S.1 Nr. 2 SGB VIII).

Familie mit 2 Kindern (7 und 12).
Der 12jährige diagnostiziert mit ADHS, atyp. Autismus, Störung Sozialverhalten.
Der 12 jährige hat nur innerfailiär Verhaltensprobleme, aggressive Ausraster, schlägt, tritt und spuckt dann, Zerstört Gegenstände, folgt nicht, macht wss er will (fährt mit dem Fahrrad weg auch ohne Erlaubnis) In der Schule nur Konzentrstionsprobleme. Nimmt Medikamente gegen die Probleme.
Sind in Kinder- u. Jugendpsychatr. Behandlung.
Haben seit knapp 2 Jahren Familienhilfe über das Jugendamt.
Haben neu Pflegegrad 2 für den Sohn und wollen damit Therapien finanzieren.
Die letzten Monate sind sie Ausraster schlimmer geworden, habe heute neue höhere Medikamentendosierung bekommen (Er hat in letzten halben Jahr 15 kg zugenommen).Verhalten war dann heute schon besser.
Die Familienhilfe wollte dass wir die Kinder- u. Jugendpsychaterin wechseln (dahin wo sie es wollte), haben wir aber letzte Woche abgelehnt da bei unserer zufrieden. War daraufhin "eingeschnappt".
Heute bei ihrem Besuch eröffnet die Familienhelferin: wir haben 3 Tage Zeit den 12jährigen "freiwillig" ins Heim zu geben ansonsten gerichtlich Erstellung Erziehungsfähigkeitsgutachten, das "aber immer schlecht ausfällt". Grund wäre, dass Sie eine Kindswohlgefährdung des kleinen Bruder sieht, wenn der grosse bleibt. (Es gab noch nie eine richtige Verletzung, wie sie nicht unter Geschwistern mal vorkommt)
Mir wurde vorgehalten, ich wäre zu dünn und würde immer weiter abnehmen (wiege seit Jahren 50 kg bei 164cm, habe nur während einer Erkrankung im Sommer abgenommen aber alles wieder drauf).
Die Medikamentenanpassung spielt keine Rolle mehr, auch ein Klinikaufenthalt steht für die Dame nicht mehr zur Debatte. Auch dass Therapien durch den neu erhaltenen Pflegegrad geplant sind interessiert nicht.
Wir haben nichts schriftlich bekommen, nur die mündl. Mitteilung. Sie hat dem Jugendamtmitarbeiter heute früh von ihren "Bedenken" berichtet, daraufhin hat dieser wohl die Heimzwangseinweisung beschlossen.
Fühle mich erpresst, da wäre ja nichts freiwillig, die Drohung "Gutachten immer negativ", Wissen das Therapien gestartet werden sollen, in 14 Tagen wieder Arzttermin, heute so auf die Schnelle entschieden worden... sieht für mich aus, dass da was faul ist.
1) Haben wir überhaupt eine Chance gegen das Jugendamt,
2) kann man das Risiko Gutachten eingehen (nachher soll auch noch womöglich der Kleine weg?)
3) wie sollen unsere nächsten Schritte sein? Mit Jugendamtmitarbeiter versuchen zu sprechen?
Vielen Dank, bin verzweifelt.
Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

§ 42 SGB VIII regelt die Inobhutnahme von Kindern/Jugendlichen durchs Jugendamt in mehreren Fällen:

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn
1. 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2. 2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen
die Inobhutnahme erfordert und
a) die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b) eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt
werden kann oder
3. 3. ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet
nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch
Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.

In Ihrem Fall wäre Abs. I Ziff. 2.2. SGB XIII anwendbar, insbesondere wenn Ihre Erziehungsfähigkeit in Frage gestellt wird.

Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, Kinder oder Jugendliche bei geeigneten Personen, in geeigneten Einrichtungen oder in sonstigen Wohnformen vorläufig unterzubringen. Im Fall von Satz 1 Nr. 2 auch Kinder oder Jugendliche von einer anderen Person wegzunehmen.

Allerdings ist die Maßnahme nur vorläufig und bedarf einer zeitnahen Bestätigung durch das Familiengericht. Aber das kann leider tatsächlich dauern, insbesondere wenn das Gericht ein Gutachten zu Ihrer Erziehungsfähigkeit für erforderlich hält oder zur Kindeswohlgefährdung.

Die Erziehung ihrer Kinder ist zwar das originäre Recht und auch die Pflicht der Eltern, auch wenn Familienverhältnisse im konkreten Fall nicht ideal sind.

Trotzdem werden in der BRD Maßnahmen der Jugendämter oft erschreckend leicht erst mal umgesetzt, in Ihrem Fall ggf. mit der Begründung, dass die bisher erfolgte 2-jährige Familienhilfe des Jugendamts erfolglos geblieben ist.

Gehen Maßnahmen des Jugendamts kann beim Amtsgericht (Familiengericht) eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel beantragt werden, die Kindesherausgabe zu erwirken bzw. die drohende Wegnahme zu verhindern.

In dem Verfahren kann eine gerichtliche Anhörung des Kindes erfolgen.

Ich erachte das nicht als aussichtslos und die Wegnahme des 7-jährigen Kindes ist nur möglich, wenn auch insoweit eine Kindeswohlgefährdung vorläge. Die wäre aber mit einer erfolgten Inobhutnahme des 12-jährigen beseitigt

Die Drohungen des Jugendamts sind m.E. völlig unberechtigt, aber man wird sagen, man wolle Ihnen mögliche Konsequenzen nur aufzeigen. Auch Ihre Figur kann ja kein Indiz für Ihre Erziehungsunfähigkeit sein, es sei denn Sie sind krank.

Sie können natürlich bei der Polizei Strafanzeige wegen Kindesentzug oder Erpressung stellen.

Aber mit dem Jugendamt zu sprechen erachte ich als sinnvoll, um zu zeigen, dass Sie an der Lösung des Problems aktiv mitarbeiten. Allerdings scheint das wenig Sinn zu machen, wenn Ihnen bereits ein Ultimatum gesetzt wurde und der Klinikaufenthalt für die Dame nicht mehr zur Debatte steht.

Trotzdem sollten Sie schriftlich noch einmal widersprechen und Ihre Argumente detailliert aufführen.
Das müssten Sie bei Gericht sowieso.

Dokumentieren Sie die Gesprächsinhalte genau nach Zeit, Ort und Teilnehmer, ggf. jeweils durch bestätigende eMails


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Rückfrage vom Fragesteller 10. November 2021 | 08:04

Vielen lieben Dank für ihre Antwort, die schon sehr hilgreich ist.
Moch eine Frage: wenn man der Heimunterbringung "freiwillig" zustimmen würde, bekäme man ihn dann leichter und schneller zurück als nach Zwangsinobhutnahme oder würde man sich damit eher Wege zur Zurückholung verbauen ?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. November 2021 | 09:09

sie verbauen sich not der Freiwilligen Reaktion keine Wege. Aber es besteht das Risiko, daß Ihnen die Einwilligung vorgehalten wird, wenn Sie die Rückholung Ihres Sohns betreiben.

Dann lieber die Wegnahme überprüfen lassen, es sei denn, sie sehen in der Maßnahme einen Sinn.

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