Gewerbe: Indexmietvertrag - nachträgliche Erhöhung und Berechnung richtig?

16. Juli 2023 17:57 |
Preis: 60,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Der gewerbliche Mietvertrag für ein Büroraum, Lagerraum und Parkplatz besteht seit 1.1.2015.
Die Netto-Miete (ohne Umsatzsteuer) ohne Nebenkostenvorauszahlung für die 3 oben genannten Objekte beträgt zusammen 444,00 Euro.
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Im Mietvertrag heißt es:
A.3.2
"Die Miete ändert sich jeweils nach Ablauf von einem Jahr seit Beginn des Mietverhältnisses bzw. seit der letzten Mietangleichung automatisch, sofern sich der Verbraucherpreisindex für Deutschland (Basis 2010 = 100), herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, gegenüber dem Stand bei Beginn des Mietverhältnisses bzw. gegenüber dem Stand bei der letzten Mietangleichung um mehr als 5 Prozent nach oben oder unten verändert hat.
Die Mietveränderung entspricht der Veränderung des Verbraucherpreisindexes. Sie wird erstmals wirksam für denjenigen Monat, in den das die Anpassung auslösende Ereignis nach § A.3.2 fällt.
Sollte während der Dauer des Mietverhältnissees der in § A.3.2. n Bezug genommene Index vom Statistischen Bundesamt nicht mehr herausgegeben werden, tritt an seine Stelle der vom Statistischen Bundesamt oder gegebenenfalls dessen Nachfolgeorganisation herausgegebene entsprechende Index."
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Der Vermieter hat sich bis vor wenigen Tagen nie zu dieser Indexmiete geäußert. Mir als Mieter war nicht bewusst, dass ich Ende 2014 einen Indexmietvertrag unterschrieben hatte. In früheren persönlichen Gesprächen z.B. zu Nebenkostenabrechnungen war die Indexmiete bzw. eine Anpassung der monatlichen Überweisungssumme nie ein Thema. Die Pauschale zur Nebenkostenvorauszahlung wurde 2019 angepasst. Auch hier war die Indexmiete kein Thema.
Zum Jahreswechsel 2019/2020 gab es ein Schreiben, dass sich die Bankverbindung ändert, da sich die Eigentumsverhältnisse geändert haben. (Vorher gehörte die Immobilie einer GmbH, danach dem Eigentümer der GmbH als Person.) In allen Schreiben und Gesprächen wurde nie über die Indexmiete und die Anpassung gesprochen.
Erst jetzt im Juli 2023 bat der Vermieter um ein Gespräch, legte den Mietvertrag vor und eine Berechnung mit der er rückwirkend ab 2018 die Mieterhöhung fordert.
Seine Rechnung sieht wie folgt aus:
2018 +5,1% = 323,30 €
2019 +5,6% = 355,00 €
2020 +6,1% = 386,70 €
2021 +10,1% = 640,32 €
2022 +18,4% = 1.166,68 €
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Gesamtforderung rückwirken 2.872 € inkl. MwSt.

Sowie die Forderung die laufende gewerbliche Miete ab sofort um 18,4% zu erhöhen.

Meine Fragen:
- Wie viele Jahre rückwirkend ist bei einem gewerblichen Mietvertrag und oben genanntem Fall die Mieterhöhung nach Index zulässig? Ich habe im Internet unterschiedliche Informationen gefunden (1 Jahr, 3 Jahre, ...)
- Stimmt die Berechnung auf Basis 2010 = 100 und ist diese korrekt? Bei einem privaten Mietvertrag mit Indexmiete abgeschlossen 2018 wurde z.B. berechnet
15.08.2019 = 106 Punkte
15.08.2018 = 104 Punkte
Differenz = 1,5 Punkte = 1,4% Veränderung.
Wenn das die richtige Berechnung wäre, würde sich im gewerblichen Fall eine ganz andere Berechnung ergeben?
16. Juli 2023 | 23:49

Antwort

von


(1623)
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Sehr geehrter Ratsuchender,

lassen Sie mich Ihre Fragen wie folgt beantworten.

Zunächst kann vertraglich geregelt werden, dass sich die Gewerbe-Miete automatisch anpasst.
Das ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 d) beziehungsweise e) Preisklauselgesetz (PrKG).

Der Wortlaut des Vertrages müsste aber mal angesehen werden.

Mittlerweile gilt der Verbraucherpreisindex (VPI) mit der Basis 2020 = 100.

Für Januar beträgt der Wert 93,1. Das ist der Wert zu Beginn des Mietverhältnisses.
Mit dem Basisjahr 2010 beträgt der Januar 2015 Wert 105,5.

Die zitierte Klausel ist - vorbehaltlich weiterer Regelungen - so zu verstehen, dass ab einer Veränderung von 5 % (nicht fünf Prozent[b]punkten[/b]) die Änderung wirksam wird. Ein Jahr muss die Miete aber ein Jahr unverändert bleiben.
Fünf Prozent Steigerung ergeben einen Wert von 97,755 bzw. 110,775.
Die 110,775 wurden im Mai 2018 mit 111,2 überschritten, sodass die Miete ab Mai 2018 5,4 % erhöht war. (Eine Änderung von 5 Prozentpunkten [110,5] ist dagegen schon im Dezember 2017 eingetreten. Die Mieterhöhung betrüge aber nur 4,7 %.)

1.
Da die Erhöhung(en) automatisch eintraten und für die (angepassten) Mieten auch die dreijährige Regelverjährung gilt (§§ 195, 199 BGB), können Sie die Einrede der Verjährung erheben und der Vermieter kann nur noch Miet(nach)forderungen für Zeiten ab 01.01.2020 durchsetzen.

2.
Bereits die Berechnung für die erste Erhöhung stimmt nicht.

Da Sie keine Monate für die Änderung angeben, kann eine konkrete Berechnung aktuell nicht vorgenommen werden.

Zudem ist die Berechnung etwas aufwändiger, weil es in der Zwischenzeit bereits zwei Änderungen (2015 = 100 und 2020 = 100) des Basisjahres gegeben hat.

Im Wohnraummietrecht geltend zwingend andere Regelungen.
Gleich ist aber die Möglichkeit, zwischen einer Änderung um Prozent[b]punkte[/b] beziehungsweise Prozent zu differenzieren.

Ihr Wohnraummiete-Beispiel bezieht sich auf den Index 2015 =100.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 17. Juli 2023 | 00:35

Sehr geehrter Herr Eichhorn,

vielen Dank für Ihre Antwort. Damit haben Sie mir für den ersten Teil sehr geholfen.
Was mir jetzt noch fehlt ist die korrekte Ermittlung der Beträge für die rückwirkende Mieterhöhung ab 01.01.2020 bis heute und damit auch für die Höhe der zukünftigen Netto-Miete.

Sie schreiben: "Da Sie keine Monate für die Änderung angeben, kann eine konkrete Berechnung aktuell nicht vorgenommen werden."

Der Vermieter hat leider keine Monate angegeben, sondern nur im Gespräch die oben genannten Daten (Jahr + % + rückwirkender Betrag) vorgelegt. Also z.B. 2018 +5,1% = 323,30 Euro Nachzahlung usw. (siehe oben in der Ursprungsfrage)

Können Sie mit den vorliegenden Daten (Mietbeginn 1.1.2015, Basis 2010 = 100) und erstmalige Erhöhrung rückwirkend/nachträglich möglich für 2020 die korrekte Erhöhung von 2020, 2021 und 2022 ermitteln?

Vielen Dank

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 17. Juli 2023 | 11:20

Sehr geehrter Ratssuchender,

ohne die Monate ist eine korrekte Berechnung nicht möglich.

Eine umfangreich begründete und berechnete Erläuterung (rechtlich und mathematisch) übersteigt leider den auch zeitlichen Aufwand für eine Erstberatung.
Den gesamten Vertrag müssten Sie zur Prüfung vorlegen.

Die erste Änderung trat ab Mai 2018 ein, +5,4 %, die zweite ab Juni 21 +5 %.
Die dritte Erhöhung beträgt 5,05 %, eigentlich ab März 22, wegen der Änderung erst nach einem Jahr nach der letzten erst ab Juni 22.
Die vierte Änderung +5,18 % wäre rechnerisch ab November 2022 fällig, gilt aber erst ab Juni 23.

Es ist also bisher Einiges "schief gelaufen".

Einigen Sie sich mit dem Vermieter bezüglich der Erhöhungen ab 2020, da wohl auch bald das Ende des Mietverhältnisses (2025) oder eine Verlängerung im Raum steht.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt

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