Geh und Fahrrecht noch wirksam?

24. Juli 2025 13:56 |
Preis: 40,00 € |

Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von


17:36
Nachbargrundstück A hat im Grundbuch des Grundstückes B ein Geh und Fahrrecht. Beide Grundstücke sind an der öffentlichen Straße voll erschlossen.

A nutzte dies regelmäßig um mit dem Fahrrad oder mit dem Auto hinter das Wohngebäude zu kommen.

Nachbar A hat vor 5 Jahren der Errichtung eines Tores der Einfahrt und einer festen Einfriedung auf der Grenze zwischen A und B zugestimmt.

Seit dem nahm A das Geh und Fahrrecht nicht mehr in Anspruch, und errichtete sich eine Einfahrt auf der anderen Grundstücksseite um hinter das Wohngebäude zu gelangen.

Ist das Geh und Fahrrecht somit verjährt und kann gelöscht werden, da A von den baulichen Hindernissen Kenntnis hatte und mündlich zustimmte das Recht nicht mehr zu brauchen?

Nachbar A möchte nun einen großen Wohnanhänger hinter sein Wohnhaus befördern und bittet um die vorrübergehende Entfernung der baulichen Hindernissen zur einmaligen Durchfahrt, da seine andere Einfahrt zu eng sei.

Ist eine Löschung der Grunddienstbarkeit danach noch möglich oder gilt dies wieder als regelmäßige Nutzung?
24. Juli 2025 | 15:06

Antwort

von


(1396)
Vorstadt 42
41812 Erkelenz
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E-Mail: ra-w.burgmer@online.de

Gerne zu Ihren Fragen:

Das eingetragene Geh- und Fahrrecht stellt eine Grunddienstbarkeit dar, die grundsätzlich [b]dinglich wirkt und damit unabhängig von der tatsächlichen Nutzung fortbesteht.[/b] Eine fehlende Inanspruchnahme über einen längeren Zeitraum führt allein nicht zur automatischen Löschung. Auch eine faktische Aufgabe durch Nichtbenutzung oder das Ausweichen auf eine alternative Erschließung reicht in der Regel nicht aus, um eine Löschung zu rechtfertigen, insbesondere wenn keine ausdrückliche Erklärung oder Einigung über die Aufgabe des Rechts erfolgte.

Eine solche Bewilligung der Löschung müsste zudem notariell beurkundet sein und anschließend muss die Löschung beim Grundbuchamt beantragt werden.

Die bloße mündliche Zustimmung zur Nichtausübung oder gar ein Verzicht im Alltag genügt nicht für eine Löschung.

Die Zustimmung zur baulichen Absperrung stellt zwar ein gewisses Indiz für eine dauerhafte Nichtausübung dar. Allerdings wurde keine formelle Löschungsbewilligung abgegeben. Die mündliche Zustimmung kann in diesem Zusammenhang keine rechtswirksame Aufgabe oder Aufhebung des dinglichen Rechts bewirken, da dies grundbuchrechtlich eine schriftliche Bewilligung und Eintragung voraussetzen würde.

Die aktuelle einmalige Nutzung zur Durchfahrt eines Wohnanhängers kann zwar erneut eine Ausübung des Rechts darstellen, würde jedoch nicht genügen, um daraus eine „Wiederbelebung" im Sinne einer jedenfalls regelmäßigen Nutzung abzuleiten. Sie könnte jedoch einen Hinweis liefern, dass das Interesse an der Ausübung fortbesteht.

Eine sog. Verwirkung" wird von den Gerichten zurückhaltend angenommen, insbesondere wenn keine schriftliche Erklärung zur Aufgabe des Rechts vorliegt. Eine nur mündliche Zustimmung reicht in der Regel nicht aus, um die Verwirkung sicher zu begründen. Hinzu kommt, dass A durch sein jetziges Verhalten (Anfrage zur Durchfahrt) zeigt, dass das Interesse an der Dienstbarkeit noch besteht – was gegen das Umstandsmoment spricht.

Das Geh- und Fahrrecht ist mithin weiterhin wirksam, da es nicht durch Zeitablauf oder schlüssiges Verhalten allein erlischt. Eine Löschung im Grundbuch ist ohne ausdrückliche und formgerechte Aufgabe durch A nicht möglich. Die einmalige Durchfahrt zur Beförderung des Wohnanhängers spricht gegen eine endgültige Aufgabe des Rechts, belegt jedoch keine regelmäßige Nutzung. Eine Löschung könnte daher aktuell nicht ohne Weiteres vorgenommen werden.


Ich denke, Ihre Frage hilfreich beantwortet zu haben- Diese Einschätzung stellt keine individuelle Rechtsberatung dar. Für eine belastbare Beurteilung auf Basis der Orts- und Grundbuchkenntnis und die Durchführung einer Löschung empfehle ich dringend die Konsultation eines im Grundstücksrecht tätigen Notars oder Rechtsanwalts.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 25. Juli 2025 | 16:35

Nochmal eine Frage zum Verständins:

Zwischen den Grundstücken A und B ist ein fest installierter Zaun ohne Tor, da beide so zugestimmt haben vor 5 Jahren. D.h. Nachbar A kann nicht ungehindert zu seinem Grundstück gelangen und sein Geh und Fahrrecht ausüben.

Ich fand diesen Auszug:

§ 1028 BGB :

"(1) 1Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht."

Das ist hier nicht zutreffend?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 25. Juli 2025 | 17:36

Gerne zu Ihrer Nachfrage, die dann allerdings einen neuen Sachverhalt betrifft:

Wird nämlich eine Grunddienstbarkeit dermaßen [i](ein fest installierter Zaun ohne Torbeeinträchtigt),[/i] beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu, vgl. § 1027 BGB.

[b]Die Rechtsfolge ist dann die:[/b]

Anspruchsberechtigt ist der Inhaber der Grunddienstbarkeit, also der Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Ist das herrschende Grundstück gemeinschaftliches Eigentum, steht der Abwehranspruch jedem einzelnen der aus der Dienstbarkeit berechtigten Miteigentümer zu (BGH NJW 1992, 1101).

[b]Verpflichtet ist (verschuldensunabhängig) der Störer,[/b] entweder der Handlungsstörer oder der Zustandsstörer. Störer kann auch der Eigentümer des dienenden Grundstücks sein, ebenso ein jeder Dritter, zB Mieter/Pächter (MüKoBGB/Mohr Rn. 5). Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 ist als vorbeugender Abwehranspruch auch schon dann gegeben, wenn die Gefahr einer erstmaligen Beeinträchtigung besteht (BGH BeckRS 2021, 45180 Rn. 5).

Ein Abwehranspruch gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks kann auch dann bestehen, wenn dieser die Störungen durch Dritte duldet (BGH NJW 1992, 1101).

Neben oder anstelle eines auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteten Leistungsbegehrens ist auch eine Feststellungsklage zulässig, wenn man damit zu einer abschließenden oder prozessökonomisch sinnvollen Entscheidung kommen kann (BGH BeckRS 1975, 31116041).

Damit gilt dann auch:

[quote]§ 1028 BGB Verjährung (gekürzt zitiert)
(1) 1Ist auf dem belasteten Grundstück [b]eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, [/b]so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. 2Mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht.[/quote]

Ich denke ihnen damit weitergeholfen zu haben und bin
mit freundlichen Grüße
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt

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