Fahrlässige Körperverletzung bei Verkehrsunfall

12. November 2009 12:19 |
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in unter 2 Stunden
Hallo,

kürzlich waren mein Beifahrer und ich Zeugen bei einem Verkehrsunfall; in einer Tempo 30-Zone kamen mehrere Autos zu stehen, da das vorderste Auto links abfahren wollte. Ein Motorradfahrer wollte nicht warten und setzte von hinten zu überholen an; dabei fuhr er mit mindestens 50km/h in die Beifahrertür der Hochschwangeren Autofahrerin, 1-2 Autos vor uns.
An ihrem Auto entstand ein Schaden, sie blieb unverletzt und stand unter Schock.
Das Motorrad ist ein Totalschaden und der Motorradfahrer hat sich vermutlich schwer am Bein verletzt, da es beim Schlittern über den Asphalt zwischen Straße und dem Motorrad eingeklemmt war.

Nun wurde mein Beifahrer zur Vernehmung vorgeladen, ich jedoch nicht.
Was mir Sorgen macht: Die Ermittlungssache läuft gegen den Motorradfahrer "und andere" wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Mit "und andere" kann meiner Ansicht nach eigentlich nur ich gemeint sein. Grund:
Einige hunder Meter bevor der Unfall geschah, kam es zu einer ähnlichen Situation, die auch beinahe zum Unfall führte:
Autos kamen zum Stehen, da ein Radfahrer links Handzeichen gab, um abzubiegen. Er musste stehen bleiben, um auf eine freie Gegenfahrbahn zu warten. Als er schon halb auf der Gegenfahrbahn war, schoss auf einmal der besagte Motorradfahrer (von hinter uns kommend) an ihm vorbei, der nicht im "Mini-Stau" warten wollte.
Den Radfahrer hat er nur um wenige Zentimeter verfehlt.

Mein Fehler war nun folgender: Nachdem die Autos wieder in Bewegung waren und der Radfahrer nach anfänglichem Schock nun doch abgebogen war, konnten wir weiterfahren. Alle Autos bogen in Seitenstraßen ein, sodass ich den Motorradfahrer (Wohl ein Jugendlicher um die 20) weiter vorne im Straßenverkehr sehen konnte; zwischen uns befanden sich keine weiteren Verkehrsteilnehmer. Er stand hinter wartenden Autos; diese warteten aufgrund der oben beschriebenen Linksabbiegerin.
Da der Motorradfahrer von seinem Fehler anscheinend keine Notiz nahm und ich im Bekanntenkreis einen Todesfall wegen derartigen Verhaltens kenne, habe ich mindestens 10 Sekunden dauergehupt, während ich an ihn heranfuhr und wir dort standen.
Der Motorradfahrer drehte sich um und zeigte den Mittelfinger; daher erneut ein Hupen von mir.
Anschließend fuhr er erneut einfach nach vorne, obwohl meines Erachtens absolut klar war, dass die Autos nur wegen eines Linksabbiegers an dieser Stelle warten konnten. Um die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen, habe ich erneut dauergehupt.
Die hochschwangere Frau hat sich später bei mir dafür bedankt und gemeint, dass sie es zwar gehört hat, jedoch nicht auf sich bezogen hat.
Nach dem Sturz des Motorradfahrers waren mein Beifahrer und ich die ersten, die bei dem verunglückten Motorradfahrer waren. Auf unsere Frage "Sagmal bist du verrückt sowas nochmal zu machen, du hast ja schon den Radfahrer fast mitgenommen" äußerte sich dieser mit "Ja, ich weiß ja eh, tut mir leid".

Der junge Mann wird meinen Befürchtungen nach versuchen, seine Schadenszahlungen zu mindern, indem er mir eine Teilschuld gibt, da ich ihn ja angeblich gedrängt hätte, weiterzufahren.
Aufgrund des Abstandes, der Tatsache dass wir standen und der Tatsache, dass er den Mittelfinger hob und somit genau wusste, worauf das Hupen bezogen war (wegen des Radfahrers, danach wegen des Mittelfingers) hoffe ich, diesen frechen Vorwurf, der wohl auf mich zukommen wird, zu entkräften.
Leider haben, da ich aus den oben beschriebenen Gründen, mehrfach gehupt habe, einige Passanten/Zeugen wohl ausgesagt, ich hätte den Motorradfahrer genötigt.
Der Motorradfahrer hat diese Aussage, am Boden liegend, sicher gehört und wird sie sich zu Nutzen machen.

Hätte ich dies wirklich vorgehabt wäre es kein Problem gewesen, einfach weiterzufahren und ich wäre sicher nicht der erste am Unfallort gewesen, der dem Verunglückten und der hochschwangeren Frau, um die sich die Polizei nach ihrem Eintreffen übrigens überhaupt nicht kümmerte, zur Seite zu stehen.

Gerne möchte ich momentan direkt zur Polizei gehen, um sofort alles klarzustellen. Trotzdem würde ich mich vorher über Ihre Einschätzung freuen, wie ich weiter vorgehen soll, und ob ich ein Verfahren zu erwarten habe, welche Chancen ich habe, dagegen vorzugehen und welche Strafen schlimmstenfalls auf mich zukommen könnten.

Beste Grüße,
Sebastian
12. November 2009 | 13:21

Antwort

von


(458)
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72764 Reutlingen
Tel: 07121 128221
Web: https://www.anwalt-vogt.de
E-Mail: info@anwalt-vogt.de
Sehr geehrter Ratsuchender,

Ihre Frage darf ich auf der Basis des von Ihnen geschilderten Sachverhaltes und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes gerne wie folgt beantworten:

Entsprechend § 229 StGB wird derjenige mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft, der durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht.

Fahrlässig im Rechtssinne handelt hierbei derjenige, der eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, die er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten voraussehen und vermeiden konnte.

Voraussetzung ist also zunächst eine objektive Pflichtwidrigkeit, die in Ihrem Fall in dem Dauerhupen zu sehen ist.

So darf entsprechend § 16 StVO die Hupe nur betätigen, wer außerhalb geschlossener Ortschaften überholt oder sich oder andere gefährdet sieht.

Zu dem Zeitpunkt als Sie hinter dem Motorradfahrer standen lag keine objektive Gefährdungssituation vor, vor der Sie durch Betätigung der Hupe jemanden hätten warnen müssen.

Dementsprechend liegt in Ihrem Fall zumindest eine objektive Pflichtverletzung vor.

Weitere Voraussetzung ist jedoch die Voraussehbarkeit des Erfolgs, d.h es muss Ihnen in der konkreten Situation möglich gewesen sein, vorauszusehen, dass der Motorradfahrer aufgrund Ihres Hupens anfährt und innerhalb der Ortschaft zu einem Überholvorgang ansetzt.

Hierzu ist anerkannt, dass einem Unfallverursacher das grob verkehrswidrige Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers nicht als voraussehbar angelastet werden kann. (BayJZ 82, 731)

Diese Konstellation halte ich in Ihrem Fall für gegeben, so dass aus meiner Sicht keine fahrlässige Körperverletzung gegeben ist.

Dennoch sollten Sie, sofern Sie tatsächlich als Beschuldigter vernommen werden sollen, unbedingt einen Rechtsanwalt mit Ihrer Verteidigung beauftragen.

Dieser kann dann nach erfolgter Einsichtnahme in die Ermittlungsakten eruieren, ob und welche Aussage Sie tätigen sollten und welche weitere Vorgehensweise angezeigt ist. Vor der Konsultation eines Anwalts sollten Sie keine Aussage zum Geschehen tätigen.

.Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort einen ersten Überblick über die Rechtslage verschafft zu haben.

Hierbei möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es sich bei dieser Antwort, basierend auf Ihren Angaben, lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes handelt. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

Sie können natürlich gerne im Rahmen der Nachfrageoption auf diesem Portal oder über meine E-Mail-Adresse mit mir Verbindung aufnehmen.

Für eine über diese Erstberatung hinausgehende Interessenvertretung steht Ihnen meine Kanzlei selbstverständlich ebenfalls gerne zur Verfügung.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und verbleibe

mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Michael Vogt
Fachanwalt für Insolvenzrecht

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