Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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[b]1. Anrechnung der Überweisungen auf den Pflichtteil[/b]
Die beiden Überweisungen wären Schenkungen, wenn es keine Gegenleistung der Pflichtteilsberechtigten (Ihrer Schwester) gibt und diese Beträge über üblichen Zuwendungen hinausgehen. Dabei gilt Folgendes:
Voraussetzungen für die Anrechnung:
Eine Schenkung setzt voraus, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgte, d.h., es wurde keine Gegenleistung erwartet oder erbracht.
Die Schenkung müsste pflichtteilsergänzungsfähig sein (§ 2325 BGB).
[quote]§ 2325 BGB Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen
(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
(2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.
(3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.[/quote]
Schenkungen, die mithin innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgten, fallen in die Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Kann die Pflichtteilsberechtigte (Ihre Schwester) keine plausible Gegenleistung nachweisen, könnte eine Schenkung angenommen werden.
Mögliche Beweismittel:
Kontoauszüge oder andere Unterlagen, aus denen der Zweck der Überweisung hervorgeht.
Zeugenaussagen, z.B. von Dritten, die Kenntnis von der Überweisung haben.
Schriftverkehr oder mündliche Aussagen des Erblassers zu den Überweisungen.
Teilen Sie dem Notar mit, dass Sie die Überweisungen als Schenkungen ansehen, sofern keine Gegenleistung belegt werden kann. Falls der Notar sich weigert, weitere Nachforschungen anzustellen, können Sie eigenständig Ihre Schwester zur Herausgabe von Informationen auffordern. Falls Ihre Schwester weiterhin nicht kooperiert, könnten Sie gerichtlich vorgehen, um die Anrechnung der Beträge auf deren Pflichtteil durchzusetzen.
[b] 2. Verantwortung für Barabhebungen[/b]
Da Sie Kontovollmacht hatten, könnten Sie als Erbe grundsätzlich verpflichtet sein, die Verwendung der Mittel zu belegen. Allerdings gibt es Einschränkungen:
- Verpflichtung zur Rechnungslegung:
Eine bloße Vollmacht verpflichtet Sie nicht zur detaillierten Rechenschaftslegung, sofern Sie nicht als Bevollmächtigter im Rahmen eines Auftragsverhältnisses (§ 666 BGB) tätig waren.
- Geschäftsunfähigkeit: Wenn Ihre Mutter geschäftsfähig war, lag die Verantwortung für die Verwendung des Geldes weiterhin bei ihr.
- Nachvollziehbarkeit der Abhebungen:
Wenn ein Teil der Barabhebungen nachweislich Schenkungen waren, sollten Sie diese Beträge konkret benennen.
- Nicht nachvollziehbarer Teil: Sie müssen nur insoweit Auskunft geben, wie Sie nachvollziehbare Informationen haben. Wenn Ihre Mutter das Geld selbst verwaltet oder genutzt hat, liegt die Beweislast für ein Fehlverhalten bei Ihrer Schwester.
Ihre Schwester müsste konkret darlegen, dass Barabhebungen missbräuchlich verwendet wurden, um daraus Ansprüche abzuleiten.
Sie sind nicht verpflichtet, Vermutungen oder unbelegte Vorwürfe Ihrer Schwester zu widerlegen (jur. wären das sog. Ausforschungsbeweisanträge.
Erstellen Sie eine Aufstellung der Ihnen bekannten Abhebungen mit verfügbaren Belegen. Teilen Sie Ihrer Schwester mit, dass Sie für Abhebungen, die Ihre Mutter selbst vorgenommen hat, keine Verantwortung übernehmen.
Wenn Ihre Schwester weiterhin auf vollständige Auskunft besteht, könnte eine gerichtliche Klärung erforderlich sein.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Sehr geehrter Herr Burgmer,
vielen Dank für die verständlichen Ausführungen, habe aber noch eine Nachfrage. Sie führen nur den § 2325 BGB an.
Ist es so, dass sich im Rahmen von § 2327 BGB der Pflichtteilsberechtigte ein vom Erblasser erhaltenes Geschenk in voller Höhe auf seinen Ergänzungsanspruch anrechnen lassen. Dabei gilt die Zehnjahresfrist des § 2325 BGB ebenso wenig wie das an den Pflichtteilsberechtigten selber gemachte Geschenk im Laufe der Jahre, wie in § 2325 BGB vorgesehen, abschmelzend Berücksichtigung findet.
Hat der eine Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB fordernde Pflichtteilsberechtigte demnach vom Erblasser selber Geschenke erhalten, die den Ergänzungsanspruch im Wert erreichen oder sogar übersteigen, entfällt der Ergänzungsanspruch nach § 2325 BGB zur Gänze.
Demnach müsste sich meine Schwester die volle Summe der Schenkungen (welche noch ev. juristisch zu klären wären) auf ihren Pflichtteilergänzungsanspruch anrechnen lassen, ohne Berücksichtigung wann die sie in den letzten 10 Jahren erfolgt ist?
Wäre die Berechnung wie folgt richtig?
Ein angenommenes Beispiel:
A)
40.000€ Nachlass
5.000€ nachgewiesene Schenkung des Erblassers (EL) an Enkel (innerhalb von 2 Jahren vor dem Tod also zu 90% anrechenbar, entspricht 4.500€)
= 44.500€ x 1/4 = 11.125€ (Pflichtteil (10.000€) + Pflichtteilsergänzungsanspruch(1.125€))
10.000€ Schenkung des EL an meine Schwester (=Pflichtteilsberechtigte) 5 Jahre vor dem Tod des EL (Anrechnung lt. §2327 zu 100%)
11.125€ -10.000€ ergibt einen Pflichtteil von 1.125€
B)
Ist das so richtig, oder wird die Schenkung an meine Schwester nur auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet?
Das wäre dann 1.125€ - 10.000€ = -8.875€ (also 0€ Pflichtteilsergänzungsanspruch).
Bleibt ein Pflichtteil von 10.000€ ?
Vielen Dank im voraus.
Gerne zu Ihrer Nachfrage:
Sie sprechen die Wechselwirkung zwischen § 2325 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch) und § 2327 BGB (Anrechnung von Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten) an.
[b]§ 2325 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch):[/b]
Hier wird der Wert von Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod gemacht hat, dem Nachlass hinzugerechnet.
Es gilt die Abschmelzungsregelung: Der Wert der Schenkung wird jedes Jahr um 10 % reduziert (ab dem zweiten Jahr nach der Schenkung).
[b]§ 2327 BGB (Anrechnung von Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten):[/b]
Eine Schenkung des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten wird direkt auf dessen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche vollständig angerechnet, unabhängig von der Zehnjahresfrist oder einer Abschmelzung. Voraussetzung: [b]Die Anrechnung muss durch den Erblasser gewollt sein.[/b] Bei zweifelhaften Fällen wird regelmäßig davon ausgegangen, dass Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte auf deren Pflichtteil angerechnet werden sollen, vgl. ratio aus § 2315 BGB
[b]Zur Beweislast:[/b]: Sie müssen als Erbe darlegen (und ggf. beweisen), dass die Schenkung an Ihre Schwester eine Anrechnung auf den Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch sein sollte. Oft wird bei Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte eine Anrechnung unterstellt, sofern keine gegenteiligen Vereinbarungen vorliegen.
Sowohl die Zuwendung selbst wie auch die Anrechnungsbestimmung muss derjenige beweisen, der sich hierauf beruft (Baumgärtel/Laumen/Prütting Beweislast-HdB Rn. 1 mwN). Dies ist idR der Erbe (OLG Oldenburg ZErb 2021, 366. Auch wenn der Beweis hierfür mit anderen Mitteln geführt werden kann, sollte sich der Erblasser vom Zuwendungsempfänger immer schriftlich Art, Höhe und die getroffene Anrechnungsbestimmung bestätigen lassen. Dafür, dass der Erblasser eine solche Bestimmung getroffen hätte, streitet aber auch selbst bei höheren Zuwendungen kein Anscheinsbeweis.
Einen teuren Rechtsstreit sollte man deshalb - wie im Erbrecht häufig - tunlichst vermeiden: Sollten sich nämlich die [b]o.g. Ansichten und Umstände[/b] hinsichtlich der Schenkungen widersprechen, empfiehlt sich zunächst eine abschließende Klärung über einen Notar oder Anwalt, die per Ferndiagnose ohne Kts. aller erbrechtlich relevanten Umstände und Dokumente nicht möglich ist .
Ich hoffe, Ihre Nachfragen damit im vorgegebenen Rahmen beantwortet zu haben und bin,
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt