EU-Führerschein und MPU

| 31. März 2010 20:24 |
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Verkehrsrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

Nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss im Jahr 2006 machte ich nach meiner Sperrfrist im Sommer 2007 bei Verwandten in Tschechien, die mich für 7 Monate dort wohnen ließen, einen Führerschein in Tschechien. Hauptsächlich deshalb, weil es um einiges billiger als die MPU hier war und ich ohnehin keine Arbeit hatte. Mein tschechischer Wohnsitz war auch im Führerschein eingetragen und ich hatte außer einer langen Wartezeit bei Kontrollen in Deutschland keine Probleme, bis ich im April 2008 unerlaubt in einem Überholverbot überholte. Bei dem Überholvorgang kam mir ein anderer PKW entgegen, den ich zuvor übersehen hatte, der daraufhin abbremsen musste. Passiert ist dabei ansonsten nichts. Ich wurde daraufhin von dem Herren, den ich überholt hatte wegen Gefährdung des Straßenverkehrs angezeigt und wurde zum Führerscheinentzug mit einer 14-monatigen Sperre verurteilt. Die Sperre ist seit Ende 2009 abgelaufen. Auf meine Anfrage bei der Führerscheinstelle hin, wurde mir gesagt, dass mein tschechischer Führerschein zurück zur ausstellenden Behörde in Tschechien geschickt worden ist. Daraufhin bin ich wieder zu meinen Verwandten, zu denen ich glücklicherweise jederzeit kommen kann und habe mir dann dort den Führerschein wieder geholt. In Tschechien dürfte das soweit kein Problem sein. Meine Frage ist jetzt, wie es sich damit verhält, wenn ich nun wieder mit diesem Führerschein in Deutschland fahre. Besonders wegen der 3. Führerscheinrichtlinie, die im Grunde nur Führerscheine einschränkt, die nach Januar 2009 gemacht wurden. Da mein Führerschein aber im Jahr 2007 ausgestellt worden ist, wäre er nach meiner Auffassung eigentlich sicher. Nur habe ich bisher keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, wie es sich verhält, wenn eine Tat nach Ausstellung des Führerscheins begangen worden ist, wie es ja bei mir der Fall war. Die einzige Aussage, auf die ich mich stützen würde, ist in der 3.Führerscheinrichtlinie, in der es heißt, dass ein Mitgliedsstaat den Führerschein ohne wenn und aber anerkennen muss, solange er vor 2009 gemacht worden ist.
Deshalb wollte ich mir vorher professionellen Rat holen, bevor ich etwas unerlaubtes mache und dann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angezeigt werde.

Vielen Dank im voraus

Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage der von Ihnen mitgeteilten Informationen im Rahmen einer Erstberatung beantworten möchte. Vorab darf ich darauf hinweisen, dass im Rahmen eines Portals nur eine vorläufige rechtliche Bewertung ist, die eine tiefergehende anwaltliche Prüfung und Beratung weder ersetzen kann noch soll.

Neben den von Ihnen schon erwähnten 2. und 3. Führerscheinrichtlinie findet im Zusammenhang mit der Ausstellung und Anerkennung das hiesige nationale Recht in Form des § 28 FeV Anwendung, soweit der Betroffene im Besitz einer legalen EU-/EWR Fahhrerlaubnis ist und seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland hat. Ich gehe nach Ihren Angaben davon aus, dass Sie diese Voraussetzungen erfüllen.

Auch nach § 28 FeV gilt, dass eine EU-Fahrerlaubnis grundsätzlich vorbehaltlos anzuerkennen ist, es sei denn, dass ausdrücklich gesetzliche Regelungen entgegen stehen. Insoweit erkennt diese Vorschrift die 3. EU-Führerscheinrichtlinie in vollem Umfang an.

Die Umstände, unter denen die EU-Fahrerlaubnis in Deutschland nicht erkannt wird, finden sich in § 28 Abs. 4 FeV., wobei für Sie vor allem die Regelungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 - 5 FeV von Bedeutung sind. Zum besseren Verständnis füge ich den Wortlaut des § 28 Abs. 4 FeV hier einmal ein:

(4) Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber einer EU- oder EWR- Fahrerlaubnis,

1.die lediglich im Besitz eines Lernführerscheins oder eines anderen vorläufig ausgestellten Führerscheins sind,

2.die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben,

3.denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben,

4.denen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf oder

5.solange sie im Inland, in dem Staat, der die Fahrerlaubnis erteilt hatte, oder in dem Staat, in dem sie ihren ordentlichen Wohnsitz haben, einem Fahrverbot unterliegen oder der Führerschein nach § 94 der Strafprozeßordnung beschlagnahmt, sichergestellt oder in Verwahrung genommen worden ist.

In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 kann die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen.Satz 1 Nr. 3 und 4 ist nur anzuwenden,wenn die dort genannten Maßnahmen im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes getilgt sind.

In den Fällen, die in § 28 Abs. 4 Nr. 3 und 4 FeV geregelt werden, findet sich in § 28 Abs. 5 FeV eine Regelung, die die Wiedereinteilung eines entzogenen EU-Führerscheins betrifft. Die Wiedererteilung der EU-Fahrerlaubnis erfordert danach einen ordentlichen Antrag bei der zuständigen (deutschen) Fahrerlaubnisbehörde und setzt zudem voraus, dass die Gründe für den Entzug des Führerscheins nicht mehr bestehen und eine eventuelle Sperre zwischenzeitlich abgelaufen ist.

Die Sperre ist nach Ihren Angaben im letzten Jahr abgelaufen, so dass diese Voraussetzung erfüllt sein wird. Fraglich ist, ob die Gründe für die damalige Entziehung entfallen sind. Grundsätzlich wäre dies im Zweifel nach deutschem Recht durch eine MPU oder ein ärztliches Gutachten zu klären. Fraglich ist aber, ob diese Eignungsprüfung im Einklang mit den Vorgaben der 3. Fahrerlaubnis-Richtlinie stehen würde, da eine MPU ja gerade keine vorbehaltlose Anerkennung des EU-Führerscheins wäre. Der EuGH hat dazu mehrfach ausgeführt, dass die Wiedererteilung der EU-Fahrerlaubnis NACH Ablauf der Sperrfrist grundsätzlich ohne Formalitäten anzuerkennen ist, dass also der Wiedererteilungsantrag in diesen Fällen genügen solle. Die Ablehnung des EU-Führerscheins soll nur in wenigen Ausnahmen möglich sein.

Da Sie den tschechischen Führerschein nach Ablauf der 1. Sperrfrist im Jahr 2007 erlangten und der tschechische Wohnsitz nach Ihren Angaben eingetragen war, wäre eine Nichtanerkennung dieses Führerscheins nur dann möglich, wenn Sie die EU-Fahrerlaubnis erworben hätten, um sich den strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Konsequenzen Ihres Fehlverhaltens zu entziehen und die Gründe zur Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis im Zeitpunkt der Erteilung des EU-Führerscheins vorlagen. Dafür gibt es hier nach Ihrer Schilderung aber keine Anzeichen.

Nach meiner Ansicht, dürfte Ihr Führerschein, der vor dem 19.01.2009 in Tschechien erworben wurde, grundsätzlich sicher sein. Sie sollten den Antrag auf Wiedererteilung in Deutschland stellen. Sollte der Wiedererteilungsantrag dennoch abgelehnt werden, rate ich Ihnen, die Angelegenheit unbedingt weitergehend anwaltlich klären zu lassen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Silke Jacobi
Rechtsanwältin
Rückfrage vom Fragesteller 31. März 2010 | 23:02

Sehr geehrte Anwältin Jacobi,

erst einmal vielen Dank für die rasche und ausführliche Antwort.
Dennoch habe ich zum letzten Abschnitt noch eine Frage.
Ich habe ja in den letzten Monaten wieder in Tschechien und gelebt und war dort gemeldet und habe dort meinen Führerschein wieder geholt. Darf ich nun einfach hier fahren? Wenn ja, wieso müsste man dann nochmal einen Antrag auf Wiedererteilung stellen? Außerdem möchte ich noch hinzufügen, dass mir die deutsche Führerscheinstelle sagte, dass ich bei Wiedererteilung in Deutschland eine MPU beibringen müsste (die auch die Alkoholfahrt von 2006 einschließen würde).
Darf ich also erst wieder mit meinem tschechischen Führerschein hier fahren, wenn ich auch hier die Wiedererteilung beantrage?

Vielen Dank

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 31. März 2010 | 23:19

Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

das Antragserfordernis zur Wiedererteilung bzw. zum Wiedergebrauch ergibt sich unmittelbar aus § 28 Abs. 5 FeV. Danach dürfen Sie von dem tschechischen Führerschein in Deutschland erst dann (wieder) Gebrauch machen, wenn Sie dies bei der zuständigen deutschen Stelle beantragt haben. Sie sollten vorsorglich eine Bescheinigung der tschechischen Behörde über die dortige vorbehaltlose Wiedererteilung bei dem Antrag vorlegen können, damit von vornherein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der tschechischen Wiedererlangung ausgeschlossen werden können.

Eigentlich müsste der tschechische Führerschein hier bedingungslos anerkannt werden, also ohne MPU. So sieht es jedenfalls der EuGH in seinen Entscheidungen vor. Bei der Wiedererteilung des deutschen Führerscheins müsste - auch wegen des Vorfalls im Jahr 2006 - allerdings die MPU abgelegt werden. Vielleicht zielte die Auskunft der Führerscheinstelle darauf ab. Sie sollten deutlich machen, dass es hier um die Anerkennung eines EU-Führerscheins geht, der vor dem 19.01.2009 erlangt wurde und daher nach dem EuGH ohne wenn und aber anzuerkennen ist.

Sollte sich die Führerscheinstelle dennoch "quer" stellen, bleibt wahrscheinlich nur noch eine Klärung mit anwaltlicher Hilfe.

Mit freundlichem Gruß

Silke Jacobi
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 31. März 2010 | 23:38

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