Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
In dem vorliegenden Fall haben die Eheleute X und Y ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und für den Fall des Todes des zuletzt Versterbenden ihre jeweiligen leiblichen Kinder als Erben bestimmen. Zudem wurden Teilungsanordnungen getroffen, die den leiblichen Sohn von X, S, die Eigentumswohnung in G und die leibliche Tochter von Y, R, die Eigentumswohnung in C zuweisen.
Die Frage, ob Y als Alleinerbin die Wohnung in G ohne Wertausgleich und Rücksprache mit S veräußern durfte, hängt von der Auslegung des Testaments und der rechtlichen Stellung von Y als Alleinerbin ab.
1. Rechtliche Stellung von Y als Alleinerbin:
- Als Alleinerbin hat Y grundsätzlich das Recht, über den Nachlass frei zu verfügen. Dies umfasst auch das Recht, Nachlassgegenstände zu veräußern. Die Teilungsanordnung im Testament betrifft die Erbfolge nach dem Tod des zuletzt Versterbenden und nicht die Verfügungsbefugnis des überlebenden Ehegatten zu Lebzeiten.
2.Teilungsanordnung und Verwaltung der Wohnung:
- Die Teilungsanordnung, dass S die Wohnung in G erhalten soll, bezieht sich auf die Erbfolge nach dem Tod des zuletzt Versterbenden. Solange Y lebt, ist sie als Alleinerbin nicht an diese Anordnung gebunden, es sei denn, das Testament enthält eine ausdrückliche Beschränkung ihrer Verfügungsbefugnis, was hier nicht der Fall zu sein scheint.
- Die Auflage zur Verwaltung der Wohnung betrifft die Möglichkeit, die Wohnung aus gesundheitlichen Gründen früher zu übergeben, was jedoch keine Einschränkung der Verfügungsbefugnis darstellt.
3. Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung:
- Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament binden den überlebenden Ehegatten nur insoweit, als sie die Erbfolge nach dem Tod des Letztversterbenden betreffen. Die Verfügungsbefugnis zu Lebzeiten bleibt hiervon unberührt, es sei denn, es ist ausdrücklich anders geregelt.
- Ausgleichsansprüche unter den Erben hinsichtlich der Wohnungen bestehen nicht. So steht es im Testament.
- Ein Vor- und Nacherbfolge liegt nicht vor.
Der Vorerbe (überlebender Ehegatte) kann nämlich ohne die Zustimmung des Nacherben (Kind) keine Wertgegenstände oder Grundstücke lastenfrei veräußern.
4. Besonderheiten des Familienstammes:
- Auch wenn die Wohnung historisch zum Familienstamm von S und X gehört, ändert dies nichts an der rechtlichen Verfügungsbefugnis von Y als Alleinerbin, solange keine testamentarische Beschränkung vorliegt.
Das ist jedenfalls meine erste rechtliche Einschätzung ohne abschließenden Charakter. Sollte es zu einem Rechtstreit auch nur außergerichtlich kommen, rate ich absolut dazu an, dann auf jeden Fall weitere anwaltliche Ratschläge einzuholen bzw. auch eine anwaltliche Vertretung. Danke für Ihr Verständnis.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrter Herr Hesterberg,
vielen Dank für Ihre Einschätzung und Beantwortung. Allerdings ergibt sich auf Grund meiner Einschätzung dazu noch eine Nachfrage bzgl der Wechselbezüglichkeit und damit einher der bindenden Wirkung:
S und R sind als erben eingesetzt, zu dem ein Nachlass mit 2 Eigentumswohnungen gehört. Die diesbezügliche Teilungsanordnung erfolgt erst im nächsten Satz. Entspricht dies nicht der Wechselbezüglichkeit, da es sich um die jeweiligen Kinder handelt und das eine nicht ohne das andere verfügt worden wäre? Es hätte niemals dieses gemeinschaftliche Testament gegeben, wenn es keine Regelung bzgl der Wohnungen gegeben hätte und X hätte niemals einem Verkauf der Wohnung in G zugestimmt. Ist die Zuweisung der Eigentumswohnungen an S und R als Teil einer gemeinsamen Regelung zu verstehen, könnte dies doch bedeuten, dass die Verfügungen des überlebenden Ehegatten (in diesem Fall Y) hinsichtlich der Wohnungen nicht unabhängig voneinander getroffen werden können. Die Zuweisung der Wohnungen an die jeweiligen Kinder könnte als Teil eines Gesamtplans interpretiert werden, der die Gleichwertigkeit und den Erhalt des Nachlasses für beide Kinder sicherstellen soll. Es wäre dann nicht nur eine Frage der rechtlichen Verfügungsbefugnis, sondern auch der Erfüllung des Willens der Testierenden. Oder sehe ich das falsch?
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Frage zur Wechselbezüglichkeit und der bindenden Wirkung der Teilungsanordnung im gemeinschaftlichen Testament ist in der Tat relevant. Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament sind solche, bei denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Diese Verfügungen sind nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten für den überlebenden Ehegatten bindend.
In Ihrem Fall haben die Eheleute X und Y sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und für den Fall des Todes des zuletzt Versterbenden ihre jeweiligen Kinder als Erben bestimmt. Die Teilungsanordnung, die die Zuweisung der Eigentumswohnungen an S und R regelt, könnte als wechselbezügliche Verfügung angesehen werden, wenn sie als Ausdruck eines gemeinsamen Plans der Eheleute verstanden wird, der sicherstellen soll, dass beide Kinder gleichwertig bedacht werden.
Die Wechselbezüglichkeit könnte hier insbesondere dann angenommen werden, wenn die Zuweisung der Wohnungen an die jeweiligen Kinder als integraler Bestandteil der Erbeinsetzung der Kinder verstanden wird. Dies wäre der Fall, wenn die Eheleute die Teilungsanordnung als untrennbar mit der Erbeinsetzung verbunden angesehen haben, sodass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre.
Wenn die Teilungsanordnung als wechselbezüglich angesehen wird, wäre der überlebende Ehegatte Y an diese Anordnung gebunden und könnte nicht frei über die Wohnung in G verfügen, ohne die Regelung zu verletzen. Dies würde bedeuten, dass Y die Wohnung nicht ohne Rücksicht auf die Teilungsanordnung veräußern dürfte, da dies dem gemeinsamen Willen der Eheleute widersprechen würde.
Klar ist das aber nicht ohne Weiteres, dass eine Alleinerbschaft des überlebenden Ehegatten die Verfügung über die Wohnung sperrt. Davon steht nichts im Testament, sodass man auch dagegen argumentieren kann.
Die Änderung des Testamentes wäre etwas anderes, was hier nicht erfolgte.
Letztlich muss man leider die genauen Hintergründe und Motive der Ehegatten über diese Erstberatung hinaus weiter prüfen, danke für Ihr Verständnis,
Das ist für die Auslegung des Testaments unter Beachtung der geltenden Rechtsprechung unerlässlich.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen