Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
- Muss der AN regulären Urlaub nehmen? Ist vom AG Sonderurlaub mit oder ohne Bezahlung zu gewähren?
Im Regelfall ist der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach § 616 BGB bezahlt freizustellen.
- Wer trägt / erstattet die zusätzlichen Fahrtkosten?
Nach § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO ist das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG) hinsichtlich der Auslagen einer Partei entsprechend anzuwenden. Nach § 5 JVEG sind danach auch Fahrtkosten zu ersetzen. Allerdings ist in Ihrem Fall Abs. 5 zu beachten. Die Fahrt von bzw. zu einem anderen Ort als dem Wohnort muss durch besondere Umstände nötig sein.
- Wer trägt / erstattet den Umsatzausfall für den AG und den Ausfall der Umsatzprovision für den AN?
Der AG hat keine Ansprüche wegen eines Umsatzausfalls. Der AN kann gegebenenfalls die in § 19 Abs. 1 JVEG aufgeführten Entschädigungen geltend machen, sofern deren Voraussetzungen vorliegen.
- Was davon hängt vom Ausgang des Verfahrens ab, d. h. ob der AN zu Recht beklagt wurde oder nicht?
Derjenige, der in dem Rechtsstreit unterliegt, hat die Kosten zu tragen und damit auch die Erstattung von Auslagen bzw. Entschädigungen. Bei teilweisem Unterliegen wird die Kostentragung gequotelt.
Weitere Hinweise:
Sofern der AN anwaltlich vertreten ist und sein persönliches Erscheinen zu dem Termin nicht angeordnet ist, muss er auch nicht erscheinen, sofern sein Anwalt ihn vertritt. Sofern das persönliche Erscheinen angeordnet ist, kann nach § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO das Gericht von der Anordnung des Erscheinens wieder absehen, wenn einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten ist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Gunnar Wessel, Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Wessel,
vielen Dank für diese Antwort.
Ihren Hinweis auf § 616 BGB haben Sie mit "im Regelfall" eingeschränkt. Ich kann nicht einschätzen, wie diese Einschränkung gemeint ist: Allgemein oder speziell auf meine Anfrage bezogen, d. h. Sie sehen in der vorliegenden Schilderung Anzeichen, dass etwas anderes als der Regelfall vorliegt.
(z. B. weil die erforderliche Abwesenheit durch Anfahrt, Termin, Rückfahrt einen kompletten Arbeitstag ausmacht und nicht mehr als "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" gilt?)
Ihren Hinweis auf Absatz 5 in § 5 JVEG verstehe ich im Kontext der vorherigen Zeilen "AN ist bezahlt freizustellen" so:
- dass der AG die Rückfahrt zum Wohnort bezahlen muss,
- eine Kostenerstattung nach JVEG ist nur zwischen Wohnort und Gericht für den AN möglich
- dass der AG die Anfahrt zum Einsatzort bezahlen muss.
Haben Sie das so gemeint?
Mit Dank und freundlichen Grüßen.
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage!
Zu § 616 BGB:
Ganz Richtig!. Die Norm weist eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe ("verhältnismäßig", "Nicht erheblich") aus, die in Ihrem konkreten Falle zum Streitpunkt werden könnten. Allerdings würde ich nach meiner rechtlichen Einschätzung davon ausgehen, dass ein Arbeitsgericht den Vergütungsanspruch bestätigen würde, auch wenn der Ausfall für den kompletten Arbeitstag gegeben ist.
Zu § 5 Abs. 5 JVEG:
Die Kosten vom Arbeitsort zum Gerichtsort und zurück muss der Arbeitgeber nicht tragen, auch nicht aufgrund von § 616 BGB. Schließlich hat er mit dem Gerichtsverfahren gar nichts zu tun. Die Frage, ob der Arbeitnehmer als Beklagter diese Fahrtkosten erstattet bekommt (oder nur die von seinem Wohnort zum Gerichtsort), hängt davon ab, ob er zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war. Dies würde ich aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Verpflichtung bejahen, da er sich seinen Arbeitsort aufgrund der Weisungsgebundenheit nicht aussuchen kann. Diese Umstände sollten dem Gericht bereits vorab mitgeteilt werden. Unter Umständen kommt dann auch eine Terminsverlegung in Betracht, beispielsweise auf den Anfang oder das Ende einer Woche, sodass zum Arbeitsort keine doppelten Fahrtkosten anfallen würden. Die Fahrtkosten kann er allerdings nur dann vom Kläger erstattet bekommen, wenn die Klage abgewiesen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Gunnar Wessel
Rechtsanwalt