Ablehnung Maßnahme zur Eingliederung ALG1

| 1. Oktober 2012 18:07 |
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Sozialrecht


Zusammenfassung

Muss ich an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnehmen, obwohl diese für mich unpassend und unzumutbar erscheint?

Nein. Sie müssen nicht an einer Maßnahme teilnehmen, die für Sie unpassend und unzumutbar ist. Die Arbeitsagentur muss bei der Zuweisung Ihre persönlichen Verhältnisse berücksichtigen. Ist die Maßnahme mit Ihrer Lebenssituation, z.B. der Kinderbetreuung, nicht vereinbar, liegt ein wichtiger Grund vor, der Sie von der Teilnahmepflicht befreit.

Guten Tag,
genau 6 Monate nach Beginn eines ALG1-Bezugs wurde von der Agentur für Arbeit eine Zuweisung für eine Maßnahme "zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung" gem. § 45 Abs. 1 SGBIII losgeschossen, Teilnahme in Teilzeit für 8 Wochen.
Mit der inhaltlichen Ausrichtung bin ich überhaupt nicht einverstanden (ich zitiere aus Programm: "Suchmaschinen" "Besuch von Messen" "Netzwerkaktivierung") - m.E. ein Zeittotschläger, der mich grundsätzlich an Wichtigerem hindert - habe schon vor längerer Zeit bei einer vorherigen Arbeitslosigkeit eine derartige Maßnahme besucht.

Grund meiner Arbeitslosigkeit ist u.A. ein langer Auslandsaufenthalt als Akademiker - ich bräuchte dringend eine anders ausgerichtete Maßnahme, um fachlich wieder auf den deutschen Stand zu kommen. Eine inhaltliche Begründung für die Maßnahme gab es seitens der Agentur nicht.

Des weiteren stellt mich der Maßnahmenort und der tägliche Maßnahmenbeginn vor absurde zeitliche Probleme, vor allem inkludierend den Transfer vom Kind zur Schule und Abholung, Maßnahmen-Ort grundsätzlich mit mindestens 1:15h Fahrtzeit pro Weg weg, befindet sich in einem ganz anderen Bezirk als Lebensmittelpunkt + Schule, und die Ansteuerung des Ortes mit Hauptstadtverkehr etc. würde bedeuten, dass ich viele weitere Stunden unterwegs wäre, das Kind außerhalb der vereinbarten Hortbetreuungszeiten abgeliefert werden müsste.
Ich könnte also nicht einmal meine Arbeitssuche sinnvoll betreiben.

Alle Versuche, der zuständigen Vermittlerin die Probleme und Eindwände mit sachlichen Argumenten zu ...vermitteln, scheiterten. Es wird mir als Antwort in verschiedenen Varianten unterstellt, ich würde nicht für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Jetzt muss ich die Maßnahme per offziellem Schreiben gem. Rechtsbehelfschreiben aus wichtigem Grund ablehnen, so wie es aussieht.

Kann ich davon ausgehen, dass eine oder mehrere wichtige Gründe vorliegen?

Welche rechtlichen Hinweise, Formulierungen und Urteile können mein Anliegen untermauern, so dass von vornherein von einer Sperrzeit abgesehen wird?

Haben Sie sonst noch rechtliche Tipps für mein Vorgehen?
Besten Dank!
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


- Kann ich davon ausgehen, dass eine oder mehrere wichtige Gründe vorliegen?

Nach § 45 SGB III muss es sich um „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung" handeln.

Die BfA begründet über diesen offenen Passus alle Maßnahmen.

„Die Förderung wird nicht mehr an spezifische Voraussetzungen geknüpft. Vielmehr wird als Ziel der Förderung die Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung genannt. Auch die Förderungsziele sind abschließend benannt, zugleich aber weit gefasst. Nach der Gesetzesbegründung findet eine Förderung nach dieser Vorschrift statt, wenn sie zumindest im Zusammenhang mit der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung steht (vgl. BT-Drs. 16/10810, 53)."

Ein direkter spezifischer Zusammenhang zu Ihrer direkten beruflichen Ausrichtung muss also nicht gegeben sein.

Auch wenn Ihnen die Maßnahme sinnlos und eher als Beschäftigungstherapie vorkommt, hat sich der Gesetzgeber etwas dabei gedacht – zumindest behauptet er das. Dass es anders ist, wissen wir alle.

Wichtig ist aber Absatz 5 der Norm:

„(5) Die Agentur für Arbeit soll die Entscheidung über die Ausgabe eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins nach Absatz 4 von der Eignung und den persönlichen Verhältnissen der Förderberechtigten oder der örtlichen Verfügbarkeit von Arbeitsmarktdienstleistungen abhängig machen."

Die persönlichen Verhältnisse sind bei Ihnen offenbar ganz außer Acht gelassen worden.

Da die Kinderbetreuung nicht mehr gewährleistet ist, sind die persönlichen Verhältnisse nicht ausreichend gewürdigt.


- Welche rechtlichen Hinweise, Formulierungen und Urteile können mein Anliegen untermauern, so dass von vornherein von einer Sperrzeit abgesehen wird?

Sie haben nunmehr offenbar den rechtsmittelfähigen Bescheid bekommen, sodass dagegen binnen eines Monats ab Zustellung Widerspruch einzulegen ist.

Zur Begründung stützen Sie sich vor allem auf den oben zitierten Absatz 5 und verweisen darauf, dass die persönlichen Verhältnisse nicht mehr gewahrt sind.


- Haben Sie sonst noch rechtliche Tipps für mein Vorgehen?

Schauen Sie sich nicht zu sehr in irgendwelchen Foren an, die man über die Googlesuche findet. Die dort eingestellten Aussagen sind nicht immer rechtlich haltbar.

Im Übrigen muss nicht mehr beachtet werden, als den Widerspruch fristwahrend einzulegen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrike J. Schwerin, Rechtsanwältin
Rückfrage vom Fragesteller 3. Februar 2013 | 14:59

Sehr geehrte RÄ,
ich hatte u.a. auch noch die Rechtsnorm des § 8 Abs. 1SGB III aufgetan, die mir einschlägiger erschien, was jetzt das logistische Problem (kann nicht Kind zur Schule bringen und gleichzeitig bei weit entfernter Maßnahme eintreffen) anging.

Jedoch wurde die Sachlage auch im Widerspruchsverfahren nicht gewürdigt bzw. es kam sogar zu Tatsachenverdrehung - ein beabsichtigtes Nicht-Verstehen-Wollen meines Problems, meiner wichtigen Gründe. Kurzum: ich habe Klage einreichen müssen.

Das Ärgerliche ist, dass ich persönlich viel Zeit investieren musste, um den ganzen Schriftverkehr seit Anbeginn abzuwickeln, inklusive Formulierung der Klage - kann ich dafür Kosten geltend machen vor Gericht, wenn die Klage zu meinen Gunsten entschieden wird? Wenn ja wie / auf welcher Basis?
Danke und MfG

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 3. Februar 2013 | 15:08

Werter Fragesteller,

bitte beachten Sie, dass es nach so langer Zeit schwer fällt, den Sachverhalt wieder aufzugreifen und zufriedenstellend auf die Nachfrage zu antworten.

Sie können keine Kosten ansetzen, weil Sie die Klage selbst eingereicht haben.

Sie hätten ja einen Rechtsanwalt über die Prozesskostenhilfe beauftragen können.

Im Übrigen ist das auch immer noch möglich und sollte erwogen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrike J. Schwerin
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 3. Februar 2013 | 15:54

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"Habe leider durch die Antwort nichts Einschlägiges erfahren, was mein Anliegen in der Selbst-Verteidigung "untermauert" hätte, nur Allgemeinplätze. Mindestens zwei wichtige Rechtsnormen hinsichtlich des Sachverhalts wurden nicht genannt.
Hinweis: Prozesskostenhilfe muss wieder zurückgezahlt werden, in vielen Fällen (einkommensabhängig, statistisch wohl in 80% der Fälle zumindest anteilig), d.h. man bleibt letztenendes auf den Kosten sitzen, falls der Gegner nicht zur Kostenübernahme verdonnert wird. RA sollten ihre Mandanten unbedingt und ausdrücklich darauf hinweisen und nicht grundwegs suggerieren, die Beratung und Vertretung sei per PKH kostenlos."
Stellungnahme vom Anwalt:
Entgegen der Annahme der Ratsuchenden wurde die Frage umfassend beantwortet. Wenn dann die Nachfrage 4 Monate später folgt, kann eine solche nicht mehr zufriedenstellend beantwortet werden.