Sehr geehrter Fragestellerin,
zunächst bedanke ich mich für Ihre online-Anfrage.
Aufgrund der Höhe Ihres Einsatzes sowie des komplexen Sachverhaltes werde ich Ihnen meine umfassende Antwort morgen gegen Uhr 15.00 per eMail zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Jutta Petry-Berger
Rechtsanwältin
Antwort
vonRechtsanwältin Jutta Petry-Berger
Schönbornstr. 41
60431 Frankfurt
Tel: 069 - 523140
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwaeltin-Jutta-Petry-Berger-__l102476.html
E-Mail:
Sehr geehrte Frau Petry-Berger,
Vielen dank für Ihre Antwort. Ihr Schreiben beantwortet meine Fragen jedoch nur zum Teil:
zu Frage 1.
Die erste Frage zielte nicht auf Steuerzahlungen ab. Gefragt war, ob ein Insolvenzverwalter, der keinerlei Verwaltungstätigkeit entfaltet, die Masse nicht in Besitz nimmt, pfändbare Beträge nicht errechnet, keine Kontonummer angibt, etc, nach Jahren – hier 2 ½ Jahre – Zahlungen zur Masse verlangen kann.
Wie mitgeteilt, hat ein befragter Anwalt diese Frage verneint und sich auf den Standpunkt gestellt, es handele sich um eine stillschweigende Freigabe der Erwerbstätigkeit (Neuerwerb). Die Insolvenzverwalterin steht auf dem Standpunkt, sie könne auch im Nachhinein das pfändbare Einkommen verlangen, da ihre diesbzgl. Ansprüche nicht verjährt seien.
Die Insolvenzverwalterin hat, wie ebenfalls mitgeteilt, die Masse gerade nicht in Besitz genommen. Sie hat alle Angaben zur Erwerbstätigkeit ignoriert, entgegen jeder schriftlichen wie mündlichen Äußerung in ihrem Gutachten festgestellt, mein Mann sei seit dem Jahr 2000 überhaupt nicht erwerbstätig und nach einem ¾ Jahr Strafanzeige erstattet, in der sie sich auf ihr falsches Gutachten bezog und erneut behauptete, mein Mann habe seine Erwerbstätigkeit nicht angegeben, ihr sei von Dritter Seite bekannt geworden dass er erwerbstätig sei und somit Einnahmen erziele, die nicht zur Masse flössen.
zu Frage 2.
Die Massekosten beruhen auf Schätzungen des Finanzamts, da die Insolvenzverwalterin auch keine Steuerklärungen seit Verfahrenseröffnung abgegeben hat.
Lt. Auskunft des Finanzamts kann dagegen Einspruch eingelegt werden, der durch Abgabe einer Steuererklärung zu begründen ist. Wird der Einspruch nicht begründet, erfolgt keine Aussetzung der Vollziehung.
Da das Verfahren noch läuft kann mein Mann für die Jahre ab 2003 gar keine Steuererklärungen abgeben. Die Insolvenzverwalterin tut es nicht.
Falls die Insolvenzverwalterin keinen Einspruch einlegt: Kann es geschehen, dass mein Mann die Steuer aufgrund der Schätzungsbescheide nach dem Schlusstermin zu zahlen hat? Oder sind diese aus der vorhandenen Masse zu begleichen?
Falls die Insolvenzverwalterin Einspruch ohne Begründung einlegt: Kann dann überhaupt Schlusstermin anberaumt werden? Mit der Folge, dass mein Mann danach, entweder den Einspruch zurücknehmen oder durch Abgabe der Steuererklärung zu begründen, jedenfalls die sich aus der Zeit des Verfahrens ergebende Steuer zu bezahlen hat?
Masse ist natürlich vorhanden, da doch EUR 30.000,00 bezahlt wurden uns der pfändbare Betrag seit August 2005 abgeführt wird. Die Insolvenzverwalterin will nur nix bezahlen und Schlusstermin anberaumen. Danach ist laut Auskunft des Finanzamts der Schuldner wieder für seine steuerlichen Pflichten, auch wenn sie die Zeit des Insolvenzverfahrens betreffen, verantwortlich und hat die Steuern und damit verbundenen Kosten zu bezahlen.
zu Frage 4.
Die Frage bezog sich auf konkrete Beträge. Woher soll ein Schuldner, der sich korrekt verhalten will, wissen, was er konkret abzuführen hat, wenn eine Anstellung überhaupt nicht in Betracht kommt?
zu Frage 5.
Die Frage bezog sich darauf ob ein während des Insolvenzverfahrens zugestellter, aufgrund des Insolvenzverfahrens unzulässiger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam wird, wenn es nicht zu einem Restschuldbefreiungsverfahren kommt. Oder muss der Gläubiger einen neuen PfüB beantragen und zustellen?
Mit Ffreundlichen Grüssen.
Sehr geehrte Ratsuchende,
zu Ihren Nachfragen teile ich Ihnen folgendes mit:
Frage 1)
Soweit die Insolvenzverwalterin nach 2,5 Jahren die Rückzahlung der pfändbaren Bezüge verlangt, ist zunächst festzustellen, dass es sich insofern um einen Neuerwerb gem. § 35 InsO
handelt, der folglich in die Masse fällt. Verneint man vorliegend eine Inbesitznahme der Insolvenzverwalterin im Hinblick darauf, dass sie trotz Kenntnis der Erwerbstätigkeit die pfändbaren Beträge nicht einforderte und auch sonst untätig blieb, kann meiner Auffassung nach der Rückforderung eine konkludent erklärte Freigabe nicht entgegengehalten werden. Wenn nämlich bereits eine Inbesitznahme zu verneinen ist, kann rein begrifflich auch keine Freigabe erfolgen – vielmehr setzt die Freigabe den vorherigen Besitz des Insolvenzverwalters voraus. Mithin käme allenfalls ein konkludenter Verzicht auf die Besitzergreifung in Betracht.
Meiner Auffassung nach ist der Rückforderungsanspruch der Insolvenzverwalterin aus folgenden Gründen unbegründet: Zwar hat Ihr Ehemann auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Vergütungsansprüche gegen Dritte selbst eingezogen, obwohl ihm die Verfügung über sein gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen verboten wurde und die Verfügungsbefugnis auf die Insolvenzverwalterin übergegangen war. Die Insolvenzverwalterin hat jedoch nicht, wie das Insolvenzgericht gemäß § 148 Abs. 1 InsO
angeordnet haben wird, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwaltung genommen, insbesondere weder den pfändbaren Teil des Einkommens des Schuldners ermittelt noch die Einzahlung aller von Dritten eingezogenen Forderungsbeträge auf das Insolvenzkonto veranlaßt. Den hierdurch entstandenen Masseausfall hat ausschließlich die Insolvenzverwalterin gegenüber den Gläubigern zu vertreten. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Schuldners, selbst die pfändbaren Betrag zu ermitteln oder diese zurückzuhalten. Vielmehr obliegen dem Schuldner lediglich die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO
. Dem Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB
wird überdies der Einwand der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB
) entgegengehalten werden können, nachdem die jeweils pfändbaren Beträge bereits für den Lebensunterhalt verbraucht sein dürften.
Hat Ihr Ehemann sein Einkommen nachweislich der Insolvenzverwalterin mitgeteilt, wird der fehlende Einzug der pfändbaren Einkommensanteile darüber hinaus nicht mit Erfolg als Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung vorgetragen werden können (vgl. hierzu ähnlichen Fall „Diplom-Psychologin“ BGH Urt. vom 20.3.2003, IX ZB 388/02
).
Frage 2)
Die von Ihrem Ehemann aufgrund seiner Tätigkeit begründeten Steuerschulden werden als Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 InsO
, jedoch nicht als Massekosten, zu denen nur die Verfahrenskosten im Sinne des § 54 InsO
zählen, einzuordnen sein, zumal sie nicht zur Tabelle angemeldet wurden. - Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Meinung vertreten wird, dass die von dem Schuldner begründete Steuerforderung eine Insolvenzforderung darstellt und damit zur Tabelle anzumelden ist.
Die Vollstreckung der Masseverbindlichkeiten richtet sich gegen die Masse. Nachdem die InsO kein eigenes Vermögen neben der Masse kennt, kommt eine Beitreibung gegen den Schuldner nicht in Betracht. Da laut Ihren Informationen ausreichend Masse vorhanden ist, werden neben den Verfahrenskosten daher auch die Steuerschulden beglichen werden können.
Stehen die Masseverbindlichkeiten aufgrund des Einspruchs gegen die Steuerbescheide im Schlusstermin noch nicht fest, ist dies kein Grund den Schlusstermin nicht anzuberaumen, wenn die Masse verwertet ist. Vielmehr macht sich der Insolvenzverwalter schadenersatzpflichtig, wenn er den Schlusstermin verzögert, obwohl die Masse verwertet ist. Ist der Schlusstermin hiernach anzuberaumen, kann die von dem Finanzamt beanspruchte Steuerforderung gem. § 198 InsO
hinterlegt werden. Steht nach Abschluss des Steuerverfahrens die Steuerschuld fest, kann eine Begleichung aus dem hinterlegten Betrag erfolgen. – Im Ergebnis wird also auch vor Abschluss des Einspruchsverfahrens der Schlusstermin anberaumt werden können, falls die Masse verwertet ist, wobei für die Steuerschuld ein entsprechender Betrag aus der vorhanden Masse hinterlegt werden kann. Ihr Ehemann wird folglich nach dem Schlusstermin nicht persönlich in Anspruch genommen werden können.
Soweit das Finanzamt demgegenüber mitgeteilt hat, dass nach dem Schlusstermin Ihr Ehemann die Steuerschulden zu begleichen hat, so betifft dies nur diejenigen Steuerschulden, die keine Masseverbindlichkeiten darstellen, sondern vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden und damit Insolvenzforderungen in Sinne von § 38 InsO
sind. Hierzu wird unzweifelhaft die Forderung über EUR 500.000,- zählen. Werden die entsprechenden Steuerbescheide nicht abgeändert und wird darüber hinaus keine Restschuldbefreiung erteilt, kann das Finanzamt Ihren Ehemann nach Verfahrensabschluss in Anspruch nehmen.
Da die im Insolvenzverfahren begründeten Steuern (2003 bis 2005) - wie dargelegt - nach wohl überwiegender Auffassung als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind, obwohl sie von dem Insolvenzverwalter nicht begründet wurden (vgl. Münch. Kommentar zur InsO, Bd. 3 Insolvenzsteuerrecht, Kling Anm. 285), wird das Finanzamt Ihren Ehemann insofern nicht erfolgreich in Anspruch nehmen können, da diese vorweg aus der Masse zu befriedigen sind.
Frage 4)
Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, richtet sich der Betrag, den der Schuldner in der Wohlverhaltensphase gemäß seiner Abtretungserklärung (§ 287 InsO
) an den Treuhänder zu leisten hat nach seinem Einkommen bzw. nach dem pfändbaren Anteil seines Einkommens. Hat Ihr Ehemann kein Einkommen aus einem Anstellungsverhältnis, können die pfändbaren Beträge derzeit nicht festgelegt werden. Jedenfalls wird die unverschuldete Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Nichtleistung pfändbarer Beträge keinen Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung darstellen.
Gleiches gilt für den Fall, dass Ihr Ehemann Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt. Denn die Einkünfte aus selbständiger Arbeit werden den laufenden Bezügen aus einem Anstellungsverhältnis im Sinne von § 287 InsO
gleichgestellt.
Frage 5)
Die Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses während des Insolvenzverfahrens ist eine nach § 89 InsO
unzulässige Vollstreckungsmaßnahme. Vollstreckungsrechtlich ist eine Vollstreckungsmaßnahme solange wirksam, bis ihre förmliche Aufhebung erfolgt. Aufgrund Ihrer Schilderung gehe ich davon aus, dass eine Aufhebung nicht erfolgte. Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens wird der Mangel ex nunc geheilt, d.h. eine erneute Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird nicht erforderlich sein, da das Pfändungspfandrecht nunmehr entsteht. Für den Fall, dass sich kein Restschuldbefreiungsverfahren anschließt, werden Sie als Drittschuldnerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Verfahrensaufhebung an den Gläubiger leisten müssen.
Falls sich aufgrund der vorstehenden Ausführungen weitere Nachfragen ergeben sollten, können sie mit diese gerne per email stellen.
Mit freundlichen Grüßen
J.Petry-Berger
Rechtsanwältin
petry-berger@gmx.de