Sehr geehrter Herr Kollege,
vielen Dank zunächst für Ihre Anfrage!
Sehr gerne beantworte ich die von Ihnen gestellte Frage zusammenfassend wie folgt:
Nach Ihrer Sachverhaltsschilderung, eine entsprechende Beweisbarkeit vorausgesetzt, halte ich Ihren Vorschlag eine Kündigungsschutzklage einzureichen, für durchaus sinnvoll, was ich Ihnen nachfolgend gerne näher darlegen möchte.
Nach Ihrer Sachverhaltsschilderung gehe ich des Weiteren davon aus, dass das Kündigungsschutzgesetz auf den betreffenden Betrieb auch anwendbar ist.
Bis zum 31.12.2003 galt das Kündigungsschutzgesetz in der Form, wenn in einem Unternehmen mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt waren.
Dies hat sich maßgeblich geändert. Seit dem 1.1.2004 sieht das Kündigungsschutzgesetz nämlich in § 23 Abs. 1 Satz 1 vor, dass das Kündigungsschutzgesetz in Betrieben gilt, in denen in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind, wobei diese Regelung aber nur für neue Arbeitsverträge gilt, die nach dem 31.12.2003 geschlossen worden sind.
Bei davor geschlossenen Arbeitsverträgen bleibt es bei der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bei mehr als 5 Arbeitnehmern, so dass in Ihrem Fall aufgrund Ihrer neunjährigen Betriebszugehörigkeit mehr als 5 Mitarbeiter vorhanden sein müssen. Da wohl auch Renos und andere Mitarbeiter außer Anwälten beschäftigt sind, ist die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes aus diesem Gesichtspunkt heraus gegeben.
Des Weiteren müssten auch die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vorliegen.
Nach der Rechtsprechung müssen die folgenden vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung
1. Es muss ein betriebliches Erfordernis vorliegen, die dazu führen, daß der Bedarf an Arbeitsleistungen geringer wird.
2. Die Kündigung muß "dringlich" sein, d.h. es darf keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz geben.
3. Es muß eine Abwägung des Arbeitgeber-Interesses an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitnehmer-Interesses an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durchgeführt werden, wobei das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegen muss.
4. Es muss eine fehlerfreie Sozialauswahl stattgefunden haben
Zunächst könnte der fall sein, dass Ihr Arbeitgeber die Sozialauswahl nicht fehlerfrei getroffen hat. Dies kann ich aber leider aus der Ferne schlecht beurteilen.
Nach dem Prinzip der ordnungsgemäßen Sozialauswahl, darf nur derjenige Arbeitnehmer gekündigt werden, der sozial am wenigsten schutzbedürftig sind.
Die entsprechenden Kriterien zur Beantwortung dieser Frage sind in den § 1 Abs.3
bis 5 KSchG
festgeschrieben.
Das Erfordernis der Dringlichkeit wird nach Ihrer Schilderung wohl auch gegeben sein, da von einer Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz wohl ausscheiden dürfte nach Ihrer Sachverhaltsschilderung.
Fraglich ist aber, ob dringliche betriebliche Erfordernisse vorliegen bzw. es eine Rolle spielt, dass diese durch den Arbeitgeber quasi selbst verursacht worden sind, da dieser trotz wirtschaftlicher Schieflage nicht entgegen gewirkt hat. In diesem Zusammenhang wird es aber schwierig dies als Grund für die Unwirksamkeit einer betrieblichen Kündigung herbeizuführen, da es sich im Endeffekt um Unternehmerische Entscheidungen handelt, die im Rahmen einer Kündigungsschutzklage im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung von dem befassten Gericht grundsätzlich nicht überprüft werden.
Einem dringenden Erfordernis könnte aber entgegenstehen, dass der vierte Partner lediglich aufgrund seiner Englischkenntnisse bei der gegebenen Auftragslage ins Boot geholt wurde.
So spricht meines Erachtens einiges dafür, dass vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine Weiterbildung auf dem Bereich des Businessenglish hätte angestrebt werden müssen.
Eine Weiterbeschäftigung hat nämlich auch dann vorrangig vor einer betriebsbedingten Kündigung zu erfolgen, wenn sie erst nach einer Einarbeitung des Arbeitnehmers auf einer freien Stelle, gegebenenfalls erst nach einer dem Arbeitnehmer anzubietenden zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme möglich ist.
Dies hat das BAG jüngst ausgeurteilt, so dass ich Ihnen dringend anrate, in diesem Zusammenhang noch mal dieses Urteil durchzulesen, da es meines Erachtens einen guten Grund liefert , um eine Kündigungsschutzklage zu begründen (BAG Urteil vom 05.06.2008 ;AZ.: 2 AZR 107/07
).
Da es aber hierbei aber im Endeffekt in Bezug auf alle Tatbestandsmerkmale einer betriebsbedingten Kündigung um Wertungsfragen geht, kann nicht gesagt werden, ob eine Kündigungsschutzklage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg hätte. Würde die Angelegenheit mich persönlich betreffen, so würde ich aber in Anbetracht der allgemeinen schlechten Arbeitsmarktlage den Weg der Klage mit einer entsprechenden Argumentation angelehnt an das oben zitierte BAG-Urteil wählen.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können mich natürlich gerne im Rahmen der Nachfrageoption auf diesem Portal oder über meine E-Mail-Adresse mit mir Verbindung aufnehmen.
Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Montagabend!
mit freundlichem kollegialen Gruß
Dipl.-jur. Danjel-Philippe Newerla, Rechtsanwalt
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Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Danjel-Philippe Newerla
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Die Ausführungen zur Sozialauswahl sind m. E. nicht zutreffend, da wegen der Umstrukturierung allen angestellten Rechtsanwälten gekündigt wurde. Und ich gehe davon aus, dass auch die Entscheidung, ob man (in einer solchen Situation) einen Kollegen als Partner aufnimmt, und falls ja, welchen, zur unternehmerischen Freiheit gehört und somit nicht angreifbar sein dürfte. Die Kanzleiinhaber sind sicherlich nicht verpflichtet, den "Gewinner" einer theoretischen Sozialauswahl so zu schulen, dass man ihn statt dem anderen als Partner aufnehmen kann; da spielen natürlich auch andere Gesichtspunkte eine Rolle.
Entgegen Ihrer einleitenden Worte haben mich Ihre Ausführungen noch mehr davon überzeugt, dass ein Kündigungsschutzklage vermutlich keinen Erfolg hat. Das "Angebot" einer Beschäftigung als freier Mitarbeiter und die Interessenabwägung wären für mich noch am ehesten erfolgsversprechende Argumente, aber ich glaube, dass die Partner als Privatpersonen schon genug "geblutet" haben und man ihnen mehr nicht zumuten wird. Dahinter muss man ein Fragezeichen setzen, da ich genaue zahlen nicht kenne.
Sehr geehrter Herr Kollege,
vielen Dank für Ihren Nachtrag.
Wenn tatsächlich alle vergleichbaren Mitarbeiter in Ihrem Fall gekündigt wurden, ist eine Sozialauswahl in der Tat entbehrlich. Dies war auch mehr als pauschaler Hinweis gemeint. Nach Ihrer Sachverhaltsschilderung fällt diese Auswahl natürlich weg.
Die Aufnahme des Kollegen als Partner stellt eine klassische unternehmerische Entscheidung dar, die im Rahmen eines Kündigunsschutzprozesses von dem mit der Sache befassten Gericht grundsätzlich nicht auf Ihre Richtigkeit überprüft werden würde.
Das Argument der Weiterbeshäftigung als freier Mitarbeiter könnte in der Tat als Argument heranzuziehen sein, da hierdurch ja zu verstehen gegeben werden könnte, dass das dringende betriebliche erfordernis zur Kündigung doch nicht so dringen ist.
Andersrum halte ich dieses Argument im Ergebnis aber für eher schwach, da die freie Mitarbeiterschaft auch so gewertet werden kann (und da gehe ich nach der Sachlage eher von aus), dass für den Fall, dass doch wieder ein betriebliches erfordernis für mehr Arbeitskrafteinsatz nach der Kündigung erforderlich werden sollte, es den ehemaligen festangestellten Mitarbeitern nicht gänzlich verwehrt werden soll, für die Kanzlei zu arbeiten.
Ganz am Rande ist mir die Idee gekommen-Sie sind ja bereits seit längerem Anwalt und auf diesem Gebiet anscheinend auch erfahren-, dass Sie sich doch mit den ehemaligen Mitarbeitern zusammensetzen sollten und über die Gründung einer eigenen Kanzlei nachdenken sollten. Das würde ich an Ihrer Stelle dringend andenken. Den Schritt in die Selbstständigkeit habe ich persönlich nie bereuht.
Ich wünsche Ihnen für Ihre weitere Zukunft noch alles Gute und viel Erfolg!
Mit freundlichem kollegialen Gruß
Dipl.-jur. Danjel-Philippe Newerla,Rechtsanwalt