Komplette Wohngeldrückforderung trotz Anspruch im Bewilligungszeitraum

| 4. Juni 2025 12:05 |
Preis: 51,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von


16:24


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bereite meinen Widerspruch gegen einen Bescheid der Wohngeldbehörde vor:

Ich habe im Februar 2023 Wohngeld beantragt.

Im Juli 2023 teilte ich dem Amt mit, dass ich aufgrund meines Auszuges ab Anfang Juli keinen Anspruch mehr auf Wohngeld haben werde. Auch erwartete ich im Juli einen außergewöhnlichen Anstieg in meinen Einnahmen als Selbständiger.

Im Januar 2024 wurde mir Wohngeld für die Zeit vom 01.02.23 bis 31.07.23 bewilligt und ausgezahlt.

Nach Prüfung meines Einkommensteuerbescheides für 2023 wurde nun der Wohngeldbescheid „gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 WoGG i.V.m. § 27 Abs. 4 WoGG mit Wirkung ab 01.02.2023 aufgehoben."

Dadurch wurde mir mein Anspruch für die Zeit vom 01.02.23 bis 31.07.23 auf das gewährte Wohngeld entzogen. Das „zu Unrecht" gezahlte Wohngeld wird nun „gemäß § 50 SGB X" komplett zurückgefordert. Begründet wird dies mit der Erhöhung meines zu berücksichtigenden Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum um mehr als 15%.

Ich habe dem Amt angeboten meine Kontoauszüge einzureichen, als Nachweis meiner realen Einnahmen im Bewilligungszeitraum. Das Amt ignorierte den Vorschlag und besteht auf den Einkommensteuerbescheid als Grundlage.

1. Ich finde es sinnvoll das Wohngeld für den Juli 2023 zurückzufordern. Aber ist es richtig, dass die Leistungen komplett zurückzuzahlen sind, auch wenn ich im restlichen Bewilligungszeitraum Anspruch auf diese Leistungen hatte? Wie kann ich eine komplette Rückzahlung verhindern?

Bitte erlauben Sie mir noch folgende aufbauende Fragen:

Der Grund für die Erhöhung meiner Einnahmen in 2023 um mehr als 15% ist eine künstliche Verzerrung meines Gewinns im Einkommensteuerbescheid. So habe ich a) in diesem Jahr Zweck gebundene Fördergelder bekommen, die sofort hätten weitergeleitet werden sollen. Die empfangende Leasingbank weigerte sich aber diese Gelder in 2023 einzuziehen. Und b) erlaubte mir das Finanzamt nicht, die in 2023 vereinnahmte Umsatzsteuer auch in 2023 abzuführen. Es lag also viel Geld auf meinem Konto, das mir nicht gehörte. Ich habe dies dem Amt erklärt, leider ohne Erfolg.

2. Sollte ich damit im Widerspruch erneut argumentieren, um eine komplette Rückzahlung zu verhindern?

3. Nur falls dies noch in das Rechtsgebiet fallen sollte: Das Wohngeldgesetz sieht vor, dass auch Investitionsabzugsbeträge bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden sollten. Kann ich die erhaltene Fördersumme als Investition für die Leasingsonderzahlung im Folgejahr geltend machen und rückwirkend vom Gewinn abziehen?

Ich freue mich über Antworten, die mir dabei helfen einen erfolgsversprechenden Widerspruch zu formulieren.

Vielen Dank!

4. Juni 2025 | 13:03

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Fragen auf Grundlage des geschilderten Sachverhalts wie folgt:

Rückforderung des gesamten Wohngeldes bei Einkommensänderung

Nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WoGG in Verbindung mit § 27 Abs. 4 WoGG ist die Wohngeldstelle verpflichtet, einen bereits erlassenen Wohngeldbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sich das zu berücksichtigende Gesamteinkommen im Bewilligungszeitraum um mehr als 15 % erhöht hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Wohngeldberechtigte diese Veränderung verschuldet oder beeinflusst hat. Die Rückforderung erfolgt auf Grundlage von § 50 Abs. 1 SGB X, wonach zu Unrecht erbrachte Leistungen grundsätzlich vollständig zu erstatten sind.

Diese Rechtslage erklärt, warum die Behörde nicht nur das Wohngeld für den Monat Juli 2023, in dem Sie ohnehin bereits Ihren Auszug und damit den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen angezeigt hatten, sondern den gesamten Leistungszeitraum vom 01.02.2023 bis 31.07.2023 aufgehoben und zurückgefordert hat. Eine anteilige Rückforderung ist nach der Systematik des Wohngeldgesetzes nicht vorgesehen, da das Wohngeld für den gesamten Bewilligungszeitraum auf einer einheitlichen Einkommensprognose beruht.

Erklärung der verzerrten Einkommenssituation

Sie führen aus, dass Ihr Gewinn laut Einkommensteuerbescheid 2023 künstlich erhöht wurde – zum einen durch zweckgebundene Fördergelder, die Ihnen nur formal, aber nicht wirtschaftlich zur Verfügung standen, zum anderen durch vereinnahmte Umsatzsteuer, deren Abführung das Finanzamt ins Folgejahr verschob. Damit stellen Sie zu Recht die Frage, ob die Einkommensermittlung allein auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids sachgerecht ist.

Tatsächlich sieht das Wohngeldrecht vor, dass das zu berücksichtigende Gesamteinkommen grundsätzlich anhand der steuerlichen Verhältnisse festgestellt wird. Abweichungen hiervon sind möglich, wenn besondere Umstände vorliegen, insbesondere dann, wenn sich aus anderen Unterlagen (z. B. Kontoauszügen) ein differenzierteres Bild der Einkommenssituation ergibt. Dass die Behörde Ihren Vorschlag, die tatsächlichen Einnahmen durch Kontoauszüge nachzuweisen, ignorierte, könnte als Ermessensfehler gewertet werden, da § 23 Abs. 2 WoGG grundsätzlich auch andere geeignete Belege zulässt.

Sie sollten im Widerspruch daher erneut konkret darlegen, dass die zugrunde gelegten Einnahmen nur formal erzielt wurden und wirtschaftlich nicht zur Verfügung standen. Dies betrifft insbesondere die nicht abgerufenen Fördermittel sowie die nicht abgeführte Umsatzsteuer. Die Möglichkeit, mit ergänzenden Unterlagen (z. B. Kontoauszügen, Erläuterung der Verwendungszwecke, Zahlungsbelegen der Leasingbank etc.) den tatsächlichen Zufluss und Abfluss von Mitteln darzulegen, sollten Sie nochmals betonen.

Zur Frage des Investitionsabzugsbetrags

Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG sind steuerlich zulässige Gewinnminderungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung, finden aber im Wohngeldrecht grundsätzlich keine unmittelbare Berücksichtigung. Die Wohngeldbehörde orientiert sich an dem Einkommen, das im Einkommensteuerbescheid festgestellt wurde, berücksichtigt jedoch regelmäßig nicht die Möglichkeit, einen Investitionsabzugsbetrag nachträglich zu beantragen oder rückwirkend zu ändern. Die nachträgliche „Neutralisierung" zweckgebundener Einnahmen durch Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags wäre allenfalls dann wohngeldrechtlich relevant, wenn dies im Steuerbescheid selbst nachvollziehbar und verbindlich berücksichtigt worden ist. Dies scheint in Ihrem Fall nicht geschehen zu sein.

Fazit und Empfehlung

Sie sollten im Rahmen Ihres Widerspruchs mit Nachdruck deutlich machen, dass die Einkommenssteigerung im Jahr 2023 aus Ihrer Sicht nicht dem tatsächlichen wirtschaftlichen Zufluss entsprach und daher das ursprüngliche Wohngeld im Kern zu Recht bewilligt wurde. Dabei ist es hilfreich, die besondere Situation der Fördermittel und der Umsatzsteuerbuchungen präzise zu erläutern und mit geeigneten Nachweisen zu untermauern. Ergänzend sollte darauf hingewiesen werden, dass eine vollständige Rückforderung unter Vertrauensschutzgesichtspunkten (§ 45 Abs. 2 SGB X) unverhältnismäßig sein könnte, sofern Sie im Vertrauen auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid Dispositionen getroffen haben.

Ob ein Erfolg des Widerspruchs realistisch ist, hängt letztlich von der Bereitschaft der Wohngeldstelle ab, die pauschale Anwendung des Einkommensteuerbescheids zu hinterfragen und alternative Einkommensnachweise zuzulassen. Die Argumentation sollte daher faktenbasiert, sachlich und nachdrücklich erfolgen. Bei Ablehnung bleibt die Möglichkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen weiter und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 4. Juni 2025 | 16:03


Vielen lieben Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort!

Eine Sache verstehe ich noch nicht. Sie schreiben: „…wenn sich nachträglich herausstellt, dass sich das zu berücksichtigende Gesamteinkommen im Bewilligungszeitraum um mehr als 15% erhöht hat."

Wie wird denn ‚Bewilligungszeitraum‘ definiert?

Das Amt schreibt: „Ihnen wurde für den Zeitraum vom 01.02.2023 bis 31.07.2023 Wohngeld bewilligt." Ich lese daraus, der Bewilligungszeitraum war vom 01.02.2023 bis 31.07.2023, in dem ich nachweislich nicht mehr als 15% gegenüber der Prognose verdient habe.

Eine Feststellung meines Einkommens anhand alternativer Nachweise (wie Kontoauszüge) wäre also nur sinnvoll, wenn das Amt eine Bewertung erlaubte, die sich nur auf die Zeit beschränkt, in der ich tatsächlich Geld erhalten habe, richtig? Das scheint das WoGG nicht vorzusehen.

Ich möchte es gerne verstehen. Ich war bedürftig und habe Gelder beantragt. Dann war ich nicht mehr bedürftig und habe die Gelder abgelehnt. Was habe ich falsch gemacht?

Zum Investitionsabzugsbetrag

Die KI behauptet ich könne einen Investitionsabzugsbetrag nachträglich geltend zu machen, auch wenn der Einkommensteuerbescheid bereits ergangen ist, wenn ich eine Änderung meiner Steuererklärung beantrage.

Falls ich diesen Weg einschlagen möchte, könnte ich die Wohngeldbehörde im Wiederspruch um Aufschub bitten, da der eingereichte Einkommensteuerbescheid fehlerhaft ist?

Mir scheint wir haben es mit einem realitätsfremden Gesetz zu tun. Wenn der Widerspruch abgelehnt wird, lohnt sich eine Klage?

Vielen Dank und mit besten Grüßen!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 4. Juni 2025 | 16:24

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Rückfragen, die ich gerne wie folgt beantworte:

1. Begriff des „Bewilligungszeitraums" im Wohngeldrecht

Der Begriff des „Bewilligungszeitraums" ist gesetzlich definiert. Gemäß § 25 Wohngeldgesetz soll das Wohngeld für einen Bewilligungszeitraum von 12 Monaten gewährt werden. Je nach konkretem Einzelfall kann der Zeitraum aber auch länger bzw. kürzer sein, wie dies bei Ihnen der Fall ist.

Entscheidend ist: Das gesamte Einkommen, das während dieses Zeitraums tatsächlich erzielt wurde oder als zu berücksichtigend gilt, wird ins Verhältnis zur ursprünglichen Einkommensprognose gesetzt. Die 15 %-Grenze des § 27 Abs. 2 Nr. 3 WoGG bezieht sich nicht auf einzelne Monate, sondern auf das Gesamteinkommen im Bewilligungszeitraum im Vergleich zur ursprünglichen Prognose für denselben Zeitraum.

In Ihrem Fall wird also geprüft, ob Ihr tatsächliches Einkommen im Zeitraum Februar bis Juli 2023 um mehr als 15 % höher lag als das prognostizierte Einkommen für diesen Zeitraum.

Fazit: Ihre Interpretation ist richtig – eine Bewertung auf Monatsbasis sieht das Gesetz nicht vor. Daher ist es zwar sachlich nachvollziehbar, dass Sie nur im Juli überhöhtes Einkommen hatten und deshalb den Anspruch selbst verneint haben. Das Gesetz jedoch setzt für die Aufhebung eine Gesamtabweichung für den Bewilligungszeitraum voraus – und nicht nur für einen Teilzeitraum.

2. Investitionsabzugsbetrag nachträglich geltend machen – steuerlich und wohngeldrechtlich

Wenn Sie Ihre Steuererklärung entsprechend berichtigen und beim Finanzamt eine Änderung des Bescheids beantragen, könnte sich Ihr steuerlicher Gewinn rückwirkend mindern. Sollte das Finanzamt dem Antrag stattgeben und ein neuer Einkommensteuerbescheid ergehen, wäre dies gegenüber der Wohngeldstelle ein neues Beweismittel, das berücksichtigt werden müsste.

In diesem Fall könnten Sie im Widerspruch anregen, das Verfahren nach § 88 SGG bzw. § 363 AO auszusetzen, bis über die Änderung Ihrer Steuerfestsetzung entschieden wurde.

Fazit: Ja, es ist zulässig, im Widerspruch um Aufschub oder eine vorläufige Entscheidung zu bitten, wenn Sie glaubhaft machen, dass der zugrunde liegende Steuerbescheid derzeit überprüft wird und voraussichtlich geändert wird.

3. Lohnt sich eine Klage?

Eine Klage kann Erfolg haben, wenn die Behörde eine individuelle Prüfung verweigert und rein formalistisch auf den Steuerbescheid abstellt. Ihre Argumente – insbesondere zu zweckgebundenen Einnahmen und realer Bedürftigkeit – können dabei überzeugend sein. Es käme letztlich auch auf die Begründung im Widerspruchsbescheid an. Abschließend können die Erfolgsaussichten aktuell daher nicht seriös bewertet werden.

Ich hoffe Ihre Rückfragen beantwortet zu haben und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 4. Juni 2025 | 16:08

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