Sickergrube des Nachbarn auf unserem Grundstück

8. August 2008 10:31 |
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Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Jana Laurentius

Wir wohnen in einer Reihenhaus-Siedlung, wobei drei Hauseinheiten aneinander gebaut sind. Auf dem kleinen Hintergarten des mittleren Grundstücks befindet sich ein Sickerschacht, in die das Dachflächen-Regenwasser des Hauses vom mittleren Grundstück und des Hauses vom danach angrenzenden Grundstück eingeleite wird.
Wir leiten seit ca. 20 Jahren das Dachflächen-Regenwasser in den öffentlichen Kanal, weil die Zimmer zum Garten hin ständig feucht waren, aber nie unter Wasser standen.
2005 bei einem gro0en Unwetter standen unsere hinteren, zum Garten hin gelegene unteren Räume plötzlich sogar unter Wasser.
Wir fanden heraus, dass der Sickerschacht auf dem mittleren Grundstück viel zu klein dimensioniert ist, und deshalb die riesigen Wassermengen seinerzeit nicht aufnehmen konnte.
2005 war eine Gesamtwassermenge von ca. 10 Kubikmeter gefallen, der Sickerschacht fasst aber nur ca 3,5 Kubikmeter.
Wir forderten den Nachbarn seinerzeit auf, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Abhilfe zu schaffen. Allerdings wurde vom Nachbarn nichts unternommen,da er den Standpunkt vertrat, dass die Wassermengen höhere Gewalt darstellen würden.
Jetzt im Juni 2008 war es aber noch schlimmer und wir hatten einen dramatischen Wassereinbruch, und erneut war der viel zu kleine Sickerschacht das Problem.
Jetzt fanden wir zusätzlich heraus, dass der Sickerschacht auf dem Nachbargrundstück mit unserem stillgelegten Sickerschacht durch eine ca drei Meter lange Rohrleitung verbunden ist, wobei diese Rohrleitung nicht intakt zu sein scheint, was man dadurch sehen konnte, dass die Rohrleitung mit Erde belegt war.
Können wir dem Nachbarn untersagen, dass er weiterhin Wasser von seinem Sickerschacht in unseren stillgelegten und schon reichlich eingeschlammten Sickerschacht einleitet, da wir nun auch in einem weiteren Teil unseres Hauses dadurch im Juni einen Wassereinbruch in einem Zimmer hatten, was zunächst nicht erklärbar war?

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:

Einschlägig für Ihren Fall ist § 27 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetzes, der folgenden Wortlaut hat:

"Bauliche Anlagen sind so einzurichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt."

Mit "Niederschlagswasser" ist dabei Wasser, welches von einer baulichen Anlage, in Ihrem Fall von den Hausdächern Ihres Nachbarn und dessen Nachbarn, abfließt, gemeint. Unerheblich ist, ob das Wasser direkt von den Hausdächern Ihrer Nachbarn auf Ihr Grundstück fließt oder erst in ihre eigenen Gärten - in den Sickerschacht - fließt und dann auf Ihr Grundstück übertritt.

§ 27 Abs. 1 NachbG NRW verschafft Ihnen also grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass Ihr Nachbar und dessen Nachbar dafür Sorge tragen, dass Regenwasser, welches auf deren Dächer fällt, nicht auf Ihr Grundstück übertritt. Nun ist es in Ihrem Fall allerdings wohl so, dass ein Übertritt nur bei ungewöhnlich starken Regenfällen vorkommt. Ob § 27 Abs. 1 NachbG NRW auch für diesen Fall den Nachbarn in die Pflicht nimmt, ist umstritten, jedoch wird man sagen müssen, dass angesichts der Klimaveränderungen zu erwarten ist, dass derart starke Regenfälle in Zukunft häufiger, durchaus einmal im Jahr, auftreten können. Ihr Nachbar und dessen Nachbar können angesichts der gravierenden Auswirkungen auf Ihr Eigentum Ansprüche aus § 27 Abs. 1 NachbG NRW daher nicht mit der Begründung, derart starke Regenfälle seien "höhere Gewalt", zurückweisen.

Ob Sie daneben den Nachbarn einfach untersagen können, dass er Wasser aus deren Sickerschacht in Ihren stillgelegten Sickerschacht einleiten darf, hängt von den konkreten örtlichen Gegebenheiten ab. Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie seinerzeit eigenmächtig, also ohne Überprüfung, ob die Sickerschächte der aneinandergebauten Häuser vielleicht miteinander verbunden sind, Ihren Sickerschacht stillgelegt. Ihre Nachbarn wiederum haben die bestehende Anlage einfach weiterhin genutzt, was ja auch nahezu zwanzig Jahre gut ging. Fraglich ist, ob es den Nachbarn jetzt möglich und zumutbar ist, die Verbindung ihres Sickerschachts zum Sickerschacht auf Ihrem Grundstück, die seit Jahrzehnten bestand, zu kappen und das Niederschlagswasser anderweitig, unter Beachtung des § 27 Abs. 1 NachbG NRW, abzuleiten. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob eine anderweitige Ableitung technisch überhaupt realisierbar ist, in einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob die Nachbarn die Kosten einer solchen anderweitigen Ableitung allein tragen müssten oder ob Sie, da Sie durch die eigenmächtige Stilllegung Ihres Sickerschachts als vielleicht mitursächlich für das Problem anzusehen sind, sich an den Kosten beteiligen müssten. Die derzeitige Situation muss von Ihnen jedoch nicht weiter hingenommen werden.

Sie sollten also mit Ihrem Nachbarn und dessen Nachbarn erneut ins Gespräch eintreten und deutlich machen, dass die beiden erstens sehr wohl verpflichtet sein dürften, dafür Sorge zu tragen, dass auch bei schweren Regenfällen, wie sie in den vergangenen drei Jahren immerhin zweimal aufgetreten sind, kein Niederschlagswasser auf Ihr Grundstück übertritt, da das Vorkommen solcher Regenfälle aufgrund des Klimawandels in Zukunft häufiger zu erwarten ist. Zweitens müssen die Nachbarn zumindest an einer Veränderung der Sickerschachtanlage dahingehend, dass Niederschlagswasser nicht mehr durch das Rohr in Ihren stillgelegten Sickerschacht eindringt, mitwirken.

Sollten Sie im Gespräch mit den Nachbarn nicht weiterkommen, empfiehlt es sich, den Schiedsmann wegen dieser Angelegenheit anzurufen. Sofern Sie anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen möchten, stehe ich Ihnen hierfür gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Jana Laurentius
(Rechtsanwältin)

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