Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage , die ich Ihnen wie folgt beantworte:
Frage 1:
"Was sagen Sie dazu kann man da nichts machen muss ich also 11000+€ zahlen statt 1600€?"
Zu den Aussichten werde ich Ihnen ganz am Ende des Textes etwas sagen können.
Hier wurde bereits viel Porzellan zerschlagen und das Kind dürfte sich hier deutlich in Brunnennähe aufhalten, aber noch nicht vollständig drinliegen. Dies werde ich sogleich anhand Ihrer Sachverhaltsschilderung noch näher beleuchten und die Problematik versuchen in möglichst einfachen Worten darzustellen.
Was nun zu tun ist: Widerspruch und Überprüfungsantrag stellen und vor allem dabei auch nachweisbar den endgültigen Steuerbescheid aus dem Jahr 2021 der Kasse vorlegen, soweit dies noch nicht geschehen sein sollte. Dabei auch auf dessen Ausstellungsdatum und seine Zustellung bei Ihnen verweisen
Zum Überprüfungsantrag:
https://www.haufe.de/recht/deutsches-anwalt-office-premium/10-sozialrecht-g-moeglichkeiten-bei-der-versaeumung-von-rechtsbehelfsfristen-i-ueberpruefungsantrag-nach-44-sgb-x_idesk_PI17574_HI15944781.html
Bezüglich der Aussage "Für Selbstständige ist die Frist für die rückwirkende Anpassung der Beiträge abgelaufen":
Schildern Sie in Ihrem Überprüfungsantrag genauestens den Sachverhalt, den Sie hier auch geschildert haben, insbesondere ( ..."Letzten Monat habe ich erst die Steuerbescheinigung für das Jahr 2021 erhalten ...Von der AOK habe ich danach fast nie wieder etwas gehört... kurze Zeit später hat sich auch AOK wieder gemeldet... ich wusste nichts von dieser AOK Regel "Frist für rückwirkende Anpassung der Beiträge für Selbstständige"
)
Beantragen Sie auch die Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtlichen Klärung der Angelegenheit.
Je nach Reaktion der Kasse auf Ihre schriftlich und nachweisbar erfolgte Darstellung des Sachverhalts, eröffnet sich dann der Klageweg vor das zuständige Sozialgericht. Spätestens dann können Sie mich gerne bei Bedarf gerne hinzuziehen, was auch über die Entfernung kein Problem wäre.
Nun aber zu Ihrer Sachverhaltsdarstellung und einigen Anmerkungen dazu:
1.)
Zitat:Danach habe ich gekündigt und war offiziell Selbstständig aber es gab erstmal kaum Gewinne, die AOK hätte also den niedrigsten Beitrag einstellen sollen aber die haben sich geweigert und verlangten einen Steuerbescheid für das Jahr 2021, bis dahin haben die den höchstmöglichen Beitrag pro Monat verlangt (ca. 900€ im Monat).
Das klingt als wäre bereits der erste Schritt gegenüber der AOK hinsichtlich Ihrer Selbständigkeit ein Stolpern gewesen. Erfahrungsgemäß liegt das an einer Kommunikation, die nicht zielführend ist, sondern an der Sache vorbeigeht. Oft erfolgt auch gar keine Kommunikation nach dem Motto "die Zeit wird es klären". Dies ist jedoch besonders bei Steuerbehörden und Krankenkassen der falsche Weg.
Eine der Sache nach angemessene Kommunikation hätte eine Einstufung zum Mindestbetrag für freiwillig versicherte Personen zur Folge gehabt bzw. haben müssen. Das Ignorieren oder an der Kasse Vorbeireden hat nach ca. 3 Monaten zu einer Einstufung nach dem Höchstbeitragsatz geführt. Hier fing das Problem bereits an.
2.)
Zitat:Ich hatte der AOK damals schon gesagt, dass ich fast nichts verdiene und den niedrigsten Beitrag zahlen sollte statt den höchsten.
Wenn Sie das auch nachweisen können oder sich so in der Akte fände, wäre das gut. Erfolgte das Ganze telefonisch, wäre es eher wertlos.
3.)
Zitat:Letzten Monat habe ich erst die Steuerbescheinigung für das Jahr 2021 erhalten und kurze Zeit später hat sich auch AOK wieder gemeldet
Das ist beides vom zeitlichen Ablauf extrem ungewöhnlich und fernab des Normalfalls.
4.)
Zitat:Ich weis ich hätte die Krankenversicherung sofort wechseln sollen als ich zur Selbstständigkeit gewechselt bin aber ist nunmal jetzt so gekommen.
Die Aussage ist so in der Pauschalität so nicht richtig.
Als hauptberuflich Selbständiger sind Sie nicht länger pflichtversichert so wie vorher als Arbeitnehmer.
Sie können sich privat versichern (PKV) können aber auch in der gesetzlichen (GKV) verbleiben, dann als freiwilliges Mitglied. Dadurch berechnen sich Ihre Beiträge nach § 240 SGB V in Verbindung mit Sonderregelungen der Krankenkasse.
Als freiwilliges Mitglied zahlen Sie immer einen Beitrag aus der Mindestbemessungsgrenze (ca. 1000 €), der dann jahresweise nach Vorlage des Steuerbescheids anhand des tatsächlichen verdiensts angepasst wird.
Es wäre bereits bei dem ersten Auftreten der Probleme sinnvoll gewesen, sich extern Unterstütung hinzuzuholen.
5.)
Zitat:Deswegen habe ich die AOK erstmal ignoriert und auf die Steuerbescheinigung gewartet, die Kosten und Zinsen haben sich angehäuft.
Das hat meiner Meinung nach die gleiche Handlungsqualität als würden Sie bei sich einen Wohnungsbrand feststellen und sich erst einmal zum Mittagsschlaf hinlegen.
Das war hier sicherlich der größte Fehler, den Sie über einen Dreijahreszeitraum hinweg begehen konnten.
Hierdurch haben Sie die Büchse der Pandorra geöffnet.
6.)
Zitat:Ab dem 01.02.2022 war ich dann wo anders versichert.
PKV oder GKV ? Wenn letzteres, haben Sie das gleiche Problem wieder mit den Steuerbescheid für 2022 usw.
7.)
Zitat:Von der AOK habe ich danach fast nie wieder etwas gehört
Auch das wäre höchst ungewöhnlich. bei der AOK könnte ich mir sogar vorstellen, dass sie diese noch im letzten Jahr angeschrieben haben wird, um auf den Ablauf der Drei-Jahres-Frist des § 240 IVa SGB V hinzuweisen.
Jedenfalls besteht die Gefahr, dass bereits im vorherigen Schriftverkehr auf die Frist hingewiesen worden ist.
Die Frist findet sich im Gesetzestext unter:
Zitat:...Die nach den Sätzen 1 und 2 vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. Weist das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nach, werden die nach Satz 1 oder Satz 2 vorläufig festgesetzten Beiträge abweichend von Satz 3 unter Zugrundelegung beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze endgültig festgesetzt...
Fazit:
Ihr Handeln gegenüber der Krankenkasse war keine Glanzleistung und hat Sie nun leider in vermeidbare Schwierigkeiten gebracht.
Die anfängliche Beitragsfestsetzung dürfte hier auf einer unterbliebenen Kommunikation hinsichtlich Ihrer Selbständigkeit und den daraus erzielten Einkommen beruhen. Keine Kasse - erst Recht nicht die AOK - wird in 2021 bei Aufnahme der Selbständigkeit zeitgleich den Steuerbescheid anfordern, der ja faktisch noch gar nicht vorliegen konnte.
Jede Kasse wird aber nach ca. 3-monatigem Ausbleiben der Beiträge ohne Erklärung über den Versicherungsstatus zur Festsetzung nach dem Höchstbetrag greifen. Kommunikation ist nach diesem Festsetzungsbescheid zwar auch noch gut, aber man muss den Bescheid dann auch notfalls gerichtlich angreifen.
In der Sache sehe ich aber gute Aussichten für Sie, wenn der Steuerbescheid für 2021 wirklich erst im Januar 2025 erstellt worden sein sollte.
Den Betrag den Sie nach dem Steuerbescheid zu zahlen hätten, den sollten Sie dann auch umgehend begleichen (abzüglich der bereits gezahlten Summe) und den Rest gerichtlich klären.
Mit freundlichen Grüßen aus Dortmund
Raphael Fork
-Rechtsanwalt-