Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Stripe scheint sich bei der angekündigten Rückerstattung aller Zahlungen und der Einbehaltung verbleibender Gelder auf Abschnitt 5.6 der Stripe Payments-Nutzungsbedingungen zu berufen. Ob Stripe dazu berechtigt ist, hängt vom genauen Wortlaut und der Wirksamkeit dieser Klausel ab. Grundsätzlich sind AGB-Klauseln, die dem Verwender ein einseitiges Leistungsverweigerungsrecht einräumen, kritisch zu sehen und können einer AGB-Kontrolle unterliegen. Ohne Kenntnis des exakten Wortlauts lässt sich dies aber nicht abschließend beurteilen.
Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob Stripe die Rückerstattungen zu Recht vornimmt, wenn die Leistungen von Ihnen bereits erbracht wurden und keine Kundenbeschwerden vorliegen. Dies könnte gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen.
Um rechtlich gegen das Vorgehen von Stripe vorzugehen, kämen folgende Schritte in Betracht:
1. Außergerichtliche Aufforderung an Stripe unter Fristsetzung, von den angekündigten Maßnahmen Abstand zu nehmen und Ihnen den Auszahlungsbetrag zur Verfügung zu stellen. Dabei sollten Sie darlegen, dass die Leistungen erbracht wurden und kein Grund für Rückerstattungen besteht.
2. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist könnte eine negative Feststellungsklage gegen Stripe erhoben werden mit dem Antrag festzustellen, dass Stripe nicht berechtigt ist, die Zahlungen zu erstatten. Parallel oder alternativ käme eine Leistungsklage auf Auszahlung der einbehaltenen Beträge in Betracht.
3. Einstweiliger Rechtsschutz, um die Rückbuchungen zu verhindern, dürfte mangels Dringlichkeit ausscheiden, da Stripe die Maßnahmen erst zum 22.7.2024 angekündigt hat.
Ich empfehle Ihnen, sich zeitnah an einen Anwalt im IT- und Internetrecht zu wenden, um den Sachverhalt und die Erfolgsaussichten umfassend prüfen zu lassen. Insbesondere die genauen Nutzungsbedingungen von Stripe und der konkrete Ablauf der Geschäftsbeziehung müssten dabei in die Bewertung einfließen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Milad Ahmadi
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Milad Ahmadi
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Vielen Dank für Ihre Antwort. Gerne stelle ich Ihnen den Absatz zur Verfügung:
5.6 Stripe Remedies – Scope.
Stripe may, in accordance with Sections 5.4 and 5.5 of these Stripe Payments Terms:
(a) initiate Reversals;
(b) change the Payout Schedule or delay or cancel the payout of funds to the User Bank Accounts;
(c) establish, fund and use a Reserve;
(d) debit the User Bank Accounts or the bank or financial institution accounts of any or all User Group Entities;
(e) suspend or terminate your ability to accept or process Transactions;
(f) refuse to (i) process Transactions, and (ii) act upon Refund instructions; and
(g) setoff or recoup all liability that Stripe reasonably determines a User Entity owes to Stripe or a Stripe Affiliate under this Agreement or another agreement, against any amounts that a Stripe Entity owes to a User Entity whether the liability is matured, unmatured, liquidated or unliquidated.
https://stripe.com/de/legal/ssa#services-terms
Ist ein solches Handeln rechtens, da der Kaufvertrag zwischen mir und dem Kunden stattfand und Stripe bloß der Zahlungsdienstleister ist?
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für die Zusendung des relevanten Auszugs aus den Stripe Payments-Nutzungsbedingungen. Nach nochmaliger Prüfung komme ich zu folgendem Ergebnis:
Die Klausel in Abschnitt 5.6 räumt Stripe sehr weitreichende einseitige Rechte ein, u.a. Rückbuchungen vorzunehmen, Auszahlungen zu verzögern oder zu verweigern und Konten zu belasten. Eine solch weitgehende Verschiebung des Risikos zu Lasten des Nutzers ist meines Erachtens kritisch zu sehen.
Zwar handelt es sich bei Stripe-Nutzern oftmals um Unternehmer, so dass die strengen Vorschriften des Verbraucherschutzes nicht greifen. Dennoch unterliegen auch Klauseln in AGB gegenüber Unternehmern einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB. Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Vorliegend dürfte eine solche unangemessene Benachteiligung zu bejahen sein. Stripe behält sich vor, nach eigenem Ermessen und ohne weitere Voraussetzungen Zahlungen zurückzubuchen und einzubehalten, selbst wenn die zugrundeliegende Leistung vom Nutzer ordnungsgemäß erbracht wurde. Dies widerspricht den berechtigten Interessen des Nutzers und dem Äquivalenzprinzip.
Richtig ist, dass der Kaufvertrag zwischen Ihnen und dem Kunden besteht. Stripe ist "nur" Zahlungsdienstleister und abwickelnde Stelle. Allerdings schuldet Stripe Ihnen aus dem Nutzungsvertrag auch die Auszahlung der eingegangenen Kundengelder. Wenn Stripe sich nun die Möglichkeit einräumt, diese Auszahlung unter den genannten Voraussetzungen zu verweigern, liegt darin eine unangemessene Benachteiligung.
Ich rate Ihnen daher, die Klausel 5.6 der Stripe-AGB als unwirksam zu rügen und Stripe unter Fristsetzung aufzufordern, von den angekündigten Maßnahmen Abstand zu nehmen. Sollte Stripe dem nicht nachkommen, sollten Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um Ihre Ansprüche ggf. auch gerichtlich durchzusetzen. Die Erfolgsaussichten, zumindest einen Teil des Guthabens zu retten, sehe ich durchaus positiv.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Milad Ahmadi
Rechtsanwalt