Testamentsauslegung bei Erbstreit

| 22. Mai 2008 12:05 |
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Erbrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte Sie in folgender, meine Mutter betreffenden Erbstreitigkeit um Ihren Rat.

Meine Tante ist im Jahr 2006 plötzlich und unerwartet verstorben. In Ihrem Nachlass befand sich folgendes handgeschriebenes Testament (Namen gebe ich gekürzt wieder):


Mein letzter Wille !
1. Nach meinem Ableben möchte ich meine Eigentumswohnung einem SOS-Kinderdorf überlassen.
2. Meinen gesamten Hausrat, Auto, Schmuck u.s.w., soll meine Schwester erhalten. Nach deren Ableben
meine Nichte in x.
3. Spargeld und Bargeld soll für Beerdigungskosten und Grabpflege verwendet werden. Es ist mein Wunsch, daß die
Grabpflege von der Fa. x. in x. durchgeführt wird.

x., den 27.8.93


Den zugrundeliegenden Sachverhalt schildere ich anhand der mir von meiner Mutter überlassenen Unterlagen.

Meine Tante besaß zum Zeitpunkt der Testamentserstellung eine Eigentumswohnung, die sie jedoch 1998 verkaufte (Erlös ca DM 255.000) um eine Wohnung im Anwesen meiner Mutter zu erwerben (in der Anschaffung zwar deutlich günstiger, es fielen jedoch noch erhebliche Kosten für Renovierungen an). In der Erbmasse befand sich weiterhin ein Sparguthaben in Höhe von rund 65.000 EUR

Meine Mutter (80 Jahre) ließ sich anwaltlich vertreten und beantragte beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als Alleinerbe vorsah, mit der Auflage das Vermächtnis Ihrer Schwester (Überlassung der Wohnung an ein SOS-Kinderdorf) zu erfüllen.

Gegen den Bescheid hat die SOS-Kinderdorf e.V. Beschwerde eingelegt, dahingehend, daß sie die Verfügung bzgl. der Wohnung als Erbeinsetzung betrachtet und sich aufgrund des überwiegenden Vermögensanteils als Alleinerbe sieht.
(An dieser Stelle sei angemerkt, daß die SOS-Kinderdorf e.V. auf Ihrer Homepage u.a. ein Pdf-Dokument bereitstellt, das klare Vorschläge zu Wortwahl in einem Testament macht, mit dem Ziel ein "Vermächtnis" von einer "Erbeinsetzung" zu unterscheiden.
Bis auf die Worte "vermache" und "überlasse" ist hier kein großer Unterschied zu erkennen, so daß die Absicht hier wohl eher war ein Vermächtnis zu hinterlassen.)

In der Folge wurde ein Vergleich geschlossen, der die SOS-Kinderdorf e.V. als Alleinerbe vorsieht und durch den meine Mutter einen Geldbetrag in Höhe von 45.000 EUR erhalten sollte. Beide Seiten stimmten dem Vergleich zu.

Nachdem jedoch meine Mutter die geforderten Unterlagen bzgl. der Bestattungskosten zur Verfügung gestellt hatte, widerrief die Gegenseite den Vergleich und reduzierte in einem Gegenvorschlag den ursprünglichen Betrag auf 10.000 EUR (Beerdigung und Grabpflege) mit der Begründung, daß die Vermögenswerte meiner Tante in Summe (also vorhandene Immobilie und Geldvermögen) den Wert der ursprünglich 1993 vorhandenen Immobilie widerspiegelt und die SOS-Kinderdorf e.V. somit Anspruch auf das gesamte Vermögen (mit Ausnahme der Punkte 2 und 3) erhebt.

Das zuständige Landgericht hat leider diese Auffassung geteilt und ist dabei fast ausnahmslos der Argumentation der Anwälte der SOS-Kinderdorf e.V. gefolgt, obwohl das Testament keine klare Formulierung bzgl. der Begünstigten und dessen Einsetzung als Alleinerbe enthält.
Eigenartigerweise hat daraufhin der Anwalt meiner Mutter ihr erklärt, daß dies ein endgültiger Bescheid sei, der hingenommen werden müsse.

Meine Fragen sind hierzu nun:
1) Ist es zulässig ein derart unklares Testament so einseitig zu Ungunsten des gesetzlich Erbberechtigten zu interpretieren ?
2) Ist es zulässig anstelle der real vorhandenen Immobilie den fiktiven Wert der Immobilie anzusetzen die bei Testamentserstellung vorhanden war. Zählt zur Erbmasse nicht das, was bei Todeseintritt vorhanden ist ?
3) Gibt es evtl. Präzedenzfälle in ähnlichen Erbstreitigkeiten mit der SOS-Kinderdorf e.V. ?
4) Sehen Sie eine vernünftige Erfolgschance in einem Revisionsverfahren (sofern überhaupt möglich) ?

Ich bitte Sie um kurzfristige Beantwortung meiner Fragen, da die ganze Angelegenheit nun schon 1,5 Jahre dauert und meine Mutter dadurch nervlich stark belastet ist. Das ist ja auch der Grund, weshalb ich ihr hier meine Unterstützung angeboten habe.
Falls das angebotene Honorar Ihren Aufwand hierfür abdeckt, kann ich Ihnen auch gerne die wesentlichen Teile des Schriftverkehrs zukommen lassen.


Danke für Ihre Bemühungen und

Viele Grüße

Sehr geehrte Fragestellerin,

im Rahmen einer Erstberatung beantworte ich Ihre Fragen unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes summarisch wie folgt:

1.Die Erblasserin hat das SOS Kinderdorf nicht ausdrücklich als Erben bezeichnet und ihnen nur einen einzelnen Gegenstand, nämlich ihre ETW zugewendet. Das spricht nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB für eine Vermächtnisanordnung. Diese Auslegungsregel ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn sich ein abweichender Wille des Erblassers feststellen lässt. Die Auslegung kann dazu führen, dass nur scheinbar die Zuwendung eines einzelnen Gegenstands vorliegt, der Erblasser indessen mit dem konkret bezeichneten Gegenstand einen Bruchteil seines Vermögens oder sogar sein ganzes Vermögen zuwenden wollte (BGH FamRZ 1972, 561 /563; BayObLGZ 1958, 248/250; BayObLG FamRZ 1995, 835 /836; FamRZ 1999, 62 /63). Für einen solchen Willen des Erblassers kann das Wertverhältnis des zugewendeten Einzelgegenstands zum Nachlass sprechen, nämlich wenn der zugewendete Vermögensbestandteil nach seinem objektiven Wert das im Testament nicht weiter genannte Vermögen an Wert erheblich übertrifft (BayObLGZ 1992, 296 /299; BayObLG FamRZ 1995, 246 /247; FamRZ 1999, 62 /63}, insbesondere wenn der zugewendete Vermögensgegenstand die anderen Vermögensgegenstände an Wert so sehr übersteigt, dass anzunehmen ist, der Erblasser habe im Wesentlichen diesem Gegenstand seinen Nachlass erblickt (BayObLGZ 1992, 296 /299; BayObLG FamRZ 1995, 246 /248). Bildet eine Immobilie ihrem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens, so liegt es in der Regel nahe, in ihrer Zuwendung eine Erbeinsetzung des Bedachten als Alleinerben zu sehen (BayObLG FamRZ 1997, 1177 /1178; FamRZ 2000, 60 /61; NJW-RR 2000, 1174 m.w.N.).
2. Richtig ist, dass natürlich nur das vererbt werden kann, was zur Zeit des Erbfalls noch vorhanden ist und die Gegenstände mit dem Wert den diese im Zeitpunkt des Erbfalls haben anzusetzen sind. Die fiktive Wertberechnung ist deshalb in diesem Zusammenhang nicht zulässig, sondern kann nur herangezogen werden, bei Bestimmung ob ein Vermächntis oder Erbeinsetzung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorliegt. Falls man konsequenterweise der Auffassung des Gerichtes folgen mag, sind die Punkte 2 und 3 als Vermächntis zu betrachten.
3. Es gibt ähnliche Fälle zur Auslegungsregel zu § 2087 BGB , ob ein Vermächtnis oder eine Erbeinsetzung gewollt war, bspw.
BayObLG, Beschl. v. 01.07.2003 - 1Z BR 116/02 .
4. Um die Erfolgsaussichten seriös beurteilen zu können, bedarf es der Übersendung und Einsicht in die Akte und sämtlichen Schriftverkehr. Gerne können Sie mich bzw. meinen Kollegen Dr. Stingl (www.steinkrueger.com) mit der Sache beauftragen, so dass wir uns noch einmal die Akte anschauen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion von „Frag einen Anwalt“ gerne zu Verfügung oder auch im Rahmen einer Mandatserteilung; am besten per mail: info@kanzlei-hermes.com.
Mit besten Grüßen
RA Hermes
auch Fachanwalt für Steuerrecht

www.kanzlei-hermes.com
Die vorstehende summarische Lösung ist beschränkt durch die von Ihnen gegebenen Informationen. Außerdem wird, wie die Plattform-Bedingungen es vorsehen, nur ein erster Überblick geboten. Außerdem ist der Umfang der Antwort auch abhängig von der Höhe des gebotenen Honorars. Daher kann diese Beratung das umfassende, verbindliche und abschließende Beratungsgespräch durch den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens keineswegs ersetzen. Bitte beachten Sie dies!

Rückfrage vom Fragesteller 22. Mai 2008 | 14:01

Sehr geehrter Herr Hermes,

vielen Dank für Ihre schnelle und detaillierte Beantwortung meiner Fragen !

Wenn ich alles richig verstanden habe, dann heißt das ja, daß zur Beurteilung der Vermögensteile der Verkehrswert der vorhandenen Immobilie (Kaufpreis 1998 ca.100.000 DM, angenommener Wert heute 75.000 EUR) und das Sparguthaben in Höhe von 65.000 EUR gegnübergestellt werden müssten.

Die Gegenseite hat hier den Erlös aus dem Verkauf der damaligen Immobilie (255.000 DM, ca 130.000 EUR) angesetzt, mutmaßt, daß damals kein wesentliches Sparguthaben vorhanden gewesen sei und das heutige Sparguthaben zwangsläufig noch aus dem Verkauf der früheren Immobilie stammen müsse.

Wenn man die Berechnung auf Basis der vorhandenen Immobilie durchführt, hätte dann meine Mutter also Anspruch auf das Sparguthaben ?

Ich werde die Angelegenheit noch einmal mit meiner Mutter besprechen und mich dann ggfs. bei Ihnen zur Vereinbarung eines Beratungstermins melden.
Wie hoch wäre in diesem Fall Ihr Honorar?

Nochmals herzlichen Dank für Ihre Hilfe!

mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 23. Mai 2008 | 01:45

Vielen Dank für die Nachfrage.
Für die Beurteilung, ob Erbeinsetzung oder Vermächntis vorliegt, ist der Wert der Gegenstände im Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich.
Ihre Mutter hat m.E. Anspruch auf das Sparguthaben.

Für Honoraranfragen setzen Sie sich am besten per email mit uns in Verbindung oder am kommenden Montag telefonisch.

Mit besten Grüßen

RA Hermes

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