Auftragnehmer insolvent - Zurückbehaltungsrecht wegen Mehrkosten

| 16. Februar 2023 12:30 |
Preis: 70,00 € |

Insolvenzrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hätte gerne eine rechtliche Einschätzung folgender Situation:
Letztes Jahr haben wir einem Fensterbauer den Auftrag erteilt über die Lieferung und von Fenstern (Neubau) über einem Gesamtbetrag von 30.000 EUR (davon 3.000 Einbaukosten).
Der Auftragnehmer hat die Fenster bereits geliefert und eine Abschlagszahlung in Höhe von 20.000 EUR erhalten. Leider hat der AN in der Zwischenzeit insolvent angemeldet und nach mehrwöchigen Verzögerungen bestätigte der Insolvenzverwalter, dass der Auftrag nicht mehr ausgeführt werden kann.
Der AN bzw der Insolvenzverwalter hat daraufhin noch Restmaterial angeliefert und 14 Tage später eine um 14 Tage zurückdatierte Rechnung über 7.000 EUR zur sofortigen Zahlung geschickt, mit der Begründung, dass das Material ja jetzt komplett geliefert sei. Ferner behaupte der AN, dass wir die Rechnung bereits vor 14 Tagen erhalten aber noch nicht bezahlt hätten. Ein Nachweis ist nicht erbracht worden, aber um einen mgl Zahlungsverzug zu verhindern, haben wir umgehend den Empfang der Rechnung bestätigt (tatsächlicher Re Empfang) und um Zeit zum Prüfen gebeten.
In der Zwischenzeit sind die Fenster von einer anderen Firma eingebaut worden. Das Material würde größtenteils vom ursprünglichen AN verwendet. Die Einbaukosten selbst beliefen sich auf 5.000 EUR, also 2.000 EUR Mehrkosten.
Ferner ist ein Fenster nachweislich vom AN falsch bestellt worden und das Glas muss neu bestellt und getauscht werden. Der Kostenvoranschlag beträgt 500 EUR.
Zusätzlich sind einige Rollläden beschädigt, die nicht durch den Einbau verschuldet wurden.
Eine Reklamation ist über den AN/Insolvenzverwalter natürlich schwierig und muss unter Umständen von uns getragen werden. KV schätzen wir auf weitere 1.000 EUR.

Folgende Frage ergeben sich derzeit für uns:

1. Der Insolvenzverwalter drängt, die Rechnung komplett zu bezahlen. Wie lange haben wir Zeit diese zu Prüfen?

2. Sind wir berechtigt, die dadurch entstandenen Mehrkosten davon direkt abzuziehen bzw zurückbehalten?

a) Erst einmal die Mehrkosten von 2.000 EUR für den Einbau
b) Die Kosten des falsch bestellten Glases von 500 EUR (Nachweis KV)
c) Kosten von 1.000 EUR bis der Garantieanspruch der Rollläden geklärt bzw behoben ist
d) Mehrkosten durch den Verzug der Fertigstellung der Fenster (min. 2 Monate länger in einer Mietwohnung, ggf Mehrkosten durch Verzögerungen anderer Gewerke) wollen wir nicht unbedingt geltend machen, sind wir prinzipiell berechtigt dies zu tun?

Wir wären bereit nach Prüfung 3.500 EUR zu begleichen (7.000-2.000-500-1.000) bis die Reklamationen erfüllt sind (extern oder durch den AN) unter Vorbehalt einer Geltendmachung der Mehrkosten Punkt 2.d) (ggf über die Insolvenzliste).
Wäre das so in Ordnung bzw auch ratsam?

Besten Dank für ihre Einschätzung.
Ihre geplagten Bauherren

16. Februar 2023 | 18:42

Antwort

von


(849)
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65201 Wiesbaden
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Sehr geehrte/r Fragesteller/in,

soweit es keinerlei weiteren ergänzenden Absprachen zwischen Ihnen und der Insolvenzverwaltung gab, ist es grundsätzlich so, dass der Verwalter nach § 103 Insolvenzordnung eigentlich nur die Möglichkeit den Vertrag wie vereinbart zu erfüllen, oder die Erfüllung gänzlich zu verweigern.

Zitat:
§ 103 - Wahlrecht des Insolvenzverwalters
(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.
(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.


In der Auslieferung der Fenster ist daher die Zusage zusehen, sich mit der Erfüllung einverstanden zu erklären.

Problematisch (und im Grunde insolvenzrechtlich nicht mehr relevant) ist jetzt die Frage nach den entstandenen Mehrkosten. Dabei muss sich der Verwalter genauso behandeln lassen, wie vorher der Auftragnehmer selbst. Wenn also die mit dem Auftragnehmer vereinbarten Konditionen es zugelassen haben die Fenster durch Dritte einzubauen bzw. die Nacharbeiten durch Dritte zu erledigen oder dies von vornherein durch den Verwalter ausgeschlossen wurde, dann ist es durchaus zulässig die Schäden entsprechend geltend zu machen. Hätte der ursprüngliche Auftragnehmer alles geliefert und dann die Schadensreparatur endgültig verweigert, dann hätte Sie ebenfalls die Rechnung entsprechend kürzen können.

Da Insolvenzverwalter zumindest bei kleineren, aber langwierig einzuklagenden Summen meist nicht an einem Prozess interessier sind sollten Sie also die Rechnung erstmal kürzen, den unstreitigen Betrag aber recht bald überweisen. Wie ein Gerichtsverfahren ausgehen würde lässt sich schwer sagen, eventuell heißt es dann, dass der Verwalter ja angedeutet hat nur einen Teil zu liefern oder Sie nochmals eine Frist hätten setzen müssen usw... Auch bei den Schäden wegen der Verzögerung wird es Unklarheiten geben. Sie sollten daher vehement dies alles im zukünftigen Schriftverkehr geltend machen und damit rechnen noch einen kleineren Betrag nachzuschießen, um dann Ruhe und Rechtssicherheit zu haben. Einen Prozess sollten Sie aufgrund des hohen Kostenrisikos jedenfalls besser vermeiden, grade im Baubereich ist der Ausgang oft ungewiss.

Ich hoffe damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke


Rückfrage vom Fragesteller 16. Februar 2023 | 19:17

Herzlichen Dank für ihre Antwort Herr Fricke.

Ich möchte kurz den letzten Ablauf bzw Absprache ausführlicher beschreiben, um etwaige Fehler unsererseits auszuschließen.
Die Fenster wurden bereits Anfang Januar geliefert und eine entsprechende Abschlagszahlung vorher geleistet. Hierbei war uns noch nicht bekannt, dass die Firma bereits Insolvenz angemeldet hatte. Dies erfuhren wir erst kurz danach.
Dennoch hat der Auftragnehmer uns sowie dem Insolvenzverwalter gegenüber versichert, dass der Auftrag noch vertragsgemäß bis Ende Januar auszuführen.
Leider hat der AN sich ständig eine andere Ausrede einfallen lassen dies nicht zu tun. Hintergrund war, dass noch Material zur Montage gefehlt hat. Die Zahlung dafür musste erst durch den Insolvenzverwalter freigegeben werden. Dies hat er entsprechend getan, mit der Absicht, dass Der AN den Auftrag doch noch ausführt.
Das wurde seitens AN weiterhin verzögert, bis der Insolvenzverwalter uns am 30. Jan mitgeteilt hat, dass der Auftrag nicht mehr ausgeführt werden kann und wir uns um eine Fremdfirma kümmern sollen/können, der den Einbau vornimmt.
Danach hat der AN noch alles Material, das er noch für den Auftrag hatte, auf unsere Baustelle geliefert (Am 2. Feb).
Am 14. Feb hat uns der Insolvenzverwalter aufgefordert, die offene Rechnung über das Restmaterial endlich zu begleichen, die der AN uns angeblich bereits geschickt hätte (Re Datum 2. Feb). Davon erfuhren wir allerdings zum ersten Mal.
Wie geschrieben sind die Fenster mittlerweile eingebaut, was nachweislich zu Mehrkosten gegenüber dem ursprünglichen Angebot führte. Zusätzlich kommen die Reklamationen wie oben beschrieben dazu.

Nur um sicher zu gehen: Wir können diese Kosten von der noch offenen Rechnung ein- bzw zurückzubehalten?
Der unstrittige Betrag wird selbstverständlich überwiesen.

Besten Dank.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 16. Februar 2023 | 19:30

Sehr geehrte/r Fragesteller/in

wie bereits geschrieben kommt es hier nur auf die Erklärungen des Insolvenzverwalters an. Wenn hier Unsicherheit besteht und hier keine klare Kommunikation vorliegt und der Verwalter selbst sogar explizit mitgeteilt hat, dass der (ursprüngliche) Auftrag so nicht mehr ausgeführt wird, dann handelt es sich hier auch nicht mehr um die Ausübung des Wahlrechts und Bestätigung der vor der Insolvenz getroffenen Vereinbarung.

Sie können sich daher grade nicht mehr auf den eigentlichen Auftrag berufen, sondern nur darauf was jetzt noch ausdrücklich vereinbart wurde. Nach Ihren Schilderungen läuft es eher darauf hinaus, dass nachweislich der Verwalter nur noch die Lieferung der Fenster ohne Einbau vorgeschlagen hat. Dann können Sie auch nur diese Lieferung verlangen und hier nur die Schäden (falsches Glas und Rollläden) geltend machen, aber nicht die Einbaukosten, denn dieser Teil wurde ja grade abgelehnt.


Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke

Bewertung des Fragestellers 16. Februar 2023 | 20:02

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