Beabs. Hauskauf mit eingetr. „Leibgeding“

14. März 2008 16:42 |
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Kaufrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich beabsichtige eine Immobilie zu kaufen. Die Eltern (m 94 Jahre, w 88 Jahre)der Eigentümerin wohnen mit im Grundbuch eingetragenem Leibgeding in einer 68 qm großen Wohnung in diesem Haus (Gesamtwohnraum 211 qm, 2 Wohnungen).

Die Eigentümerin hat das Anwesen vor 16 Jahren per Überlassungsvertrag bekommen und soll für Ihre Eltern weiterhin in vollem Umfang zuständig bleiben.
Im schlimmsten Fall könnten nun die Eltern ins Pflegeheim kommen, die Tochter zum Unterhalt nicht herangezogen werden können und das Sozialamt sich an das Leibgeding und seine Verwertbarkeit erinnern.
Aus meiner Sicht denkbar ist dann, dass man mich nötigt, die Wohnung nach heutigen Gesichtspunkten vermietbar zu machen (die derzeitige Einrichtung und der Zustand der Wohnung passt nicht zu jüngeren Leuten) und zu vermieten - oder mich vielleicht dazu zwingen könnte, nach fiktiven Werten meine eigene Wohnung zu mieten - solange einer von beiden lebt.
Dies soll von Seiten der Eigentümerin und muss auch von meiner Seite zwingend vermieden werden!


Im Grundbuch ist auch eine Grundschuld eingetragen, die in etwa der Grundschuld entspricht, die nach dem Kauf durch mich ersatzweise hinzukommt, und bei der die Last aus Kapitel II des Grundbuches im Rang hinter den Rechten der Bank im Falle des Zahlungsverzuges eingetragen sind.
Die beiden alten Leute sind nicht mehr sicher in der Lage, einem neuerlichen Rücktritt hinter möglichen Bankenforderungen zuzustimmen, da der Mann nicht mehr wirklich bewusst am Geschehen teil nimmt.

Meine Fragen:

1.) Wie kann die Voraussetzung geschaffen werden, dass ich das Haus ohne die Möglichkeit einer Belastung über das reine Wohnrecht hinaus kaufen kann?

2.) Was kann das Sozialamt tatsächlich von mir verlangen?

3.) Ist der Grundschuldeintrag mit Rang vor dem Leibgeding ohne ausdrückliche Einwilligung der alten Leute an ein anderes Kreditinstitut übertragbar - oder welche Lösung zum Erhalt eines günstigen Kredites trotz Leibgeding ist denkbar?

Mit freundlichen Grüssen,
Harald Schmitt


PS: Zwei Dinge...

1) Ideen: Möglicherweise muß das Wohnrecht bewertet werden, ein greifender Passus mit „Verzicht auf das Wohnrecht bei Auszug“ ins Grundbuch oder in einen Kaufvertrag, ein Teil des Kaufbetrages gebunden angelegt werden, bis das Wohnrecht erloschen ist - oder sonstig sinngemäßes. Der Preis des Hauses ist jedenfalls etwas unter Schätzwert und nicht mehr nach unten zu handeln.

2.) Sterbetafeln des Statistischen Landesamtes: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/GeburtenSterbefaelle/Tabellen/Content100/SterbetafelDeutschland,property=file.xls

Sehr geehrter Fragensteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Anhand Ihrer Angaben beantworte ich Ihre Fragestellungen wie folgt:

Zunächst hoffe ich, Sie richtig dahingehend zu verstehen, dass allein ein Wohnrecht nicht aber eine Reallast für die Pflegeverpflichtung im Grundbuch eingetragen ist.
Dies unterstellt -ansonsten bitte ich um Korrektur bei der Nachfrage- bedarf eine Eintragung im Grundbuch vor dem Leibgeding der Zustimmung der Eltern. Wenn der Vater nicht mehr geschäftsfähig sein sollte, könnte eine Betreuung in Betracht kommen. Sodann könnte die Ehefrau oder die Tochter als Betreuerin die Zustimmung zur Rangänderung erteilen, was wesentlich für die Konditionen Ihres Kredits sein wird.

Ferner empfehle ich Ihnen, schriftlich besonders sorgfältig mit der Tochter festzuhalten (der mit dem Kaufvertrag befasste Notar berät sicher gern), dass sie der Pflegeverpflichtung ausschließlich nachkommen wird und Sie von dieser Pflicht freistellt. Zudem sollten sich zwei Ersatzpfleger für den Fall des Ablebens der Tochter vor den Eltern höchstvorsorglich verpflichten.

Im Hinblick auf den möglichen Rückgriff des Sozialamtes auf Sie verweise ich auf einen Beschluss des BGH vom 23.01.2003 (V ZR 48/02), bei dem sich die Kinder zur Gewährung eines Wohnrechtes, von Beköstigung und Pflege verpflichtet hatten. Für den Fall eines Krankenhausaufenthaltes sollten die Pflichten aus dem Altenteilvertrag ruhen. Die Mutter ist dann ins Altenheim umgezogen und verlangte, dass sich die Kinder in Höhe des Wertes der ersparten Aufwendungen an den Heimkosten beteiligen.
Der BGH führt hierzu aus, dass die Sonderregelung über den Krankenhausaufenthalt nicht auf einen Heimaufenthalt anwendbar sind, denn der Krankenhausaufenthalt ist nur vorübergehend, während der Heimaufenthalt dauerhaft ist. Gesonderte Regeln über den Fall, dass ein Heimaufenthalt stattfindet, sind in dem Altenteilvertrag jedoch nicht enthalten. Der BGH meint daher, dass der Vertrag auszulegen sei. Diese Auslegung ergibt für den BGH, dass die Mutter umfassend von den Kindern unterhalten werden sollte; ein Verweis auf Sozialleistungen sollte durch die umfassende Gewährung der Altenteil-Leistungen ausgeschlossen werden. Zudem würde es zu Lasten der Sozialhilfe gehen, wenn die Kinder durch den Umzug der Mutter von ihren vertraglichen Pflichten befreit würden. Daher sind die Kinder verpflichtet, die ersparten Aufwendungen an die Mutter auszuzahlen, sich also in dieser Höhe an den Heimkosten zu beteiligen.

Da der BGH den Fall nicht abschließend entschieden hat sondern lediglich über ein Prozeßkostenhilfe-Gesuch der Mutter entscheiden musste, fehlen ausführliche Hinweise, wie der Wert der ersparten Aufwendungen zu berechnen wäre. Der BGH deutet aber an, dass nur wirklich ersparte Aufwendungen - etwa für Strom oder Wohnungsrenovierungen - anzusetzen sind, nicht aber der "Wohnwert" des Leibgeding. Eine fiktive Miete wird daher nicht anzusetzen sein.

Sollte es denn in Ihrem Fall zu einem Rückgriff kommen, müssten Sie sich die ersparten Aufwendungen entgegen halten lassen. In Anbetracht der Altersangabe zu den Eltern scheint das Risiko kalkulierbar.

Bitte lassen Sie im Übrigen alle Verträge der Tochter mit den Eltern zeigen, damit Sie abschließend das Risiko des Kaufs einschätzen können. Der Notar berät Sie dabei unabhängig und die Kosten für den Kaufvertrag fallen ohnehin an.

Zur Vermeidung von Nachteilen in der Zwangsvollstreckung wird das Leibgeding regelmäßig im Grundbuch in Abteilung II eingetragen. Bei der Frage des Grades der Sicherheit des Leibgeding kommt es darauf an, ob bereits ältere Grundpfandrechte eingetragen sind. Auch wenn diese zum Zeitpunkt der Hofübergabe nicht valutierten, können sie im Rahmen der Kreditsicherung bei Übernahme eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang prüfen Sie bitte die vorhandene Grundschuld. Solche Grundpfandrechte gehen dem Leibgeding vor.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen ersten Einschätzungen weiterhelfen konnte und verweise bei Unklarheiten nochmals auf die kostenlose Nachfragefunktion.

Einstweilen verbleibe ich

mit besten Grüßen


Inga Dransfeld-Haase
Rechtsanwältin
E-Mail: dr-haase@dr-schwoebbermeyer.de


Ich bitte noch folgendes zu beachten:

Die Beratung ist beschränkt durch die von Ihnen gegebenen Informationen. Es kann entsprechend den vorliegenden Bedingungen nur ein erster Überblick geboten werden, der eine abschließende, umfassende und verbindliche Anwaltsberatung nicht ersetzen kann. Der Umfang der Antwort steht weiterhin in Abhängigkeit zu Ihrem eingesetzten Honorar.

Rückfrage vom Fragesteller 15. März 2008 | 11:38

Sehr geehrte Frau Dransfeld – Haase,

vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ein bisschen kann ich noch zur Klarstellung beitragen.

Zum Grundbuch

Leibgeding:
Belastet sind beide Grundstücke, die in Ihrer Gesamtheit mit dem auf einem von beiden stehenden komplettem Haus (nicht nur die bewohnte Wohnung der Nutznießer) das zu kaufen beabsichtigte Anwesen ausmachen.

Die Einträge im Grundbuch lauten folgendermaßen:


In der I. Abteilung wurde am 14. Februar 1991 die heutige Eigentümerin des Anwesens als solche festgestellt. Aufgelassen am 01. Februar 1991 und eingetragen am 14. Februar 1991.
Die Voreigentümerin war deren Mutter, die heute noch mit ihrem Mann das Leibgeding wahrnimmt, um das es hier geht.

Abt. II:

„Leibgeding für (Name des Mannes) in (Wohnort), geb. am (Geburtsdatum) und dessen Ehefrau (Name, geborene, Wohnort, Geburtsdatum) in Gesamtberechtigung nach § 428 BGB .
Zur Löschung der Last genügt der Nachweis des Todes der Berechtigten. Unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom 01.Februar 1991 eingetragen mit Rang nach den Rechten Abt. III Nr. 2 und 3 am 14.Februar 1991.“

In Abt. III findet sich mit jeweils gleichem Datum wie das Leibgeding (14. Febr. 1991) dazu als Belastung für das gesamte Anwesen folgendes:

Nr. 2: 194.000.-- Deutsche Mark (99.160,62.- EUR) Grundschuld vom 01. Februar 1991 an mit vierzehn vom Hundert jährlich verzinslich sowie einer einmaligen Nebenleistung von fünf vom Hundert des Grundschuldbetrages zugunsten der Volksbank Zell – Oberharmersbach eG, Zell a. Harmersbach. Der jeweilige Eigentümer ist der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom 01. Februar 1991 eingetragen mit Rang vor der Last Abt. II Nr. 4 am 14. Febr. 1991.

Nr. 3: 40.000.-- Deutsche Mark (20.451,68.-- EUR) Grundschuld vom Februar 1991 an mit vierzehn vom Hundert jährlich verzinslich sowie einer einmaligen Nebenleistung von fünf vom Hundert des Grundschuldbetrages zugunsten der Volksbank Zell – Oberharmersbach eG, Zell a. Harmersbach. Unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom 01. Februar 1991 eingetragen mit Rang vor der Last Abt. II Nr. 4 am 14. Febr. 1991.


Ältere Grundpfandrechte sind nicht eingetragen. Vielleicht können Sie damit eine bessere Einschätzung von Eintrag und Verwertbarkeit für neue Belastung vornehmen.


Es gibt auch einen Überlassungsvertrag, in dem die Tochter für Leibgeding, Verpflegung und Pflege verantwortlich beschrieben wird. Desweiteren sind Gärtnern, Hühnerhaltung und ähnliches darin geregelt – Dinge, die altersbedingt d.h. gesundheitsbedingt schon seit längerem nicht mehr wahrgenommen werden können.
Den vollständigen Vertrag habe ich noch nicht gesehen, da als privat bezeichnete Stellen (wer aus der Verwandtschaft bekommt was oder muss wem was geben) abgedeckt wurden.
Die Einsicht in den vollständigen Vertrag und dessen Kopie wurden mir zwischenzeitlich zugesichert.

Inwieweit man auf herausgelesene Andeutungen des BGH in Entscheidungen in anderer Sache (Prozesskostenhilfe) bauen kann, entzieht sich mir als Laie natürlich – ein mulmiges Gefühl in der Magengegend bleibt aber, denn Sicherheit klingt anders…

Wenn Sie daraus etwas Griffiges im Sinne des Ausschlusses oder der Kompensierung etwaiger Belangbarkeit meinerseits gestalten können, bin ich Ihnen sehr dankbar.
Alle Beteiligten wünschen in diesem Sinne eine optimale Lösung – und für mich gute Kreditkonditionen, so dass der Kauf überhaupt erst möglich wird.


Vielen Dank – und freundliche Grüsse,

Ihr Harald Schmitt

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 15. März 2008 | 19:48

Sehr geehrter Ratsuchender!

Vielen Dank für die Übersendung des Grundbuchauszugs!

Nach alledem hat das Leibgeding den ersten Rang inne. Dieser Umstand wird der finanzierenden Bank zwar nicht gefallen, aber das Alter der Herschaften wird sie beruhigen.

Anhand des Urteils des BGH können Sie sehen, dass Sie nicht eine fiktive Miete, sondern nur ersparte Aufwendungen in letzter Konsequenz schulden.

Sehr wichtig ist nun, genau den Überlassungsvertrag zu prüfen. Bitte stellen Sie sicher, dass die Eltern nur das Recht haben, die Wohnung von 68 qm zu bewohnen. Nicht das die Eltern das ganze Anwesen beanspruchen.

Sodann sollten Sie mit der Tochter schriftlich vereinbaren, dass Sie die Pflegeverpflichtung und alle weiteren von Ihnen angesprochenen Dinge trotz Übertragung des Eigentums ausschließlich weiterhin bis zu dem Tod der Eltern übernimmt. Ich rate Ihnen, einen notariellen Vertrag zu schließen. Auch sollten sich die Ersatzpfleger schriftlich zur Übernahme der Pflege verpflichten.

Mit freundliches Grüßen

Inga Dransfeld-Haase

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