Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich gilt bei Bauleistungen folgendes: Werden einheitliche Bauleistungen in der Zeit ab dem 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt (i. d. R. ist hier die Abnahme durch den Auftraggeber maßgeblich), unterliegt die gesamte Leistung dem Regelsteuersatz von dann 16 %, unabhängig davon, in welchem Umfang schon (mit 19 %) besteuerte Anzahlungen geleistet worden waren. Entsprechend ist die Leistung dann wieder dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen, wenn die Leistung nach dem 31.12.2020 ausgeführt wird.
Entscheidend ist also nicht die Rechnungsstellung durch das Bauunternehmen, und es kommt auch nicht darauf an, welche Einschätzung die Finanzverwaltung vornimmt. Entscheidend ist bei Bauleistungen der Zeitpunkt der Abnahme. Wenn diese Abnahme tatsächlich zwischen dem 1.7. und dem 31.12 2012 liegt dann gilt der Mehrwertsteuersatz von 16%, es sei denn Sie haben mit dem Bauunternehmer etwas anderes vereinbart.
Bei Bauleistungen liegen regelmäßig nicht die Voraussetzungen für Teilleistungen vor. Es werden zwar häufig wirtschaftlich abgrenzbare Leistungen ausgeführt, überwiegend fehlt es hier aber an einer Vereinbarung von Teilleistungen und der entsprechenden steuerwirksamen Abnahme von solchen Teilleistungen.
Wie Sie schreiben, war eine förmliche Abnahme mit dem Bauträger vereinbart. Diese hat noch nicht stattgefunden. Auch der Einzug im Mai 2020 hat daran nichts geändert, es sei denn, der Bauträger hätte diesen Einzug als konkludente Abnahme seiner Leistung gewertet. Davon ist aber nicht auszugehen.
Vielleicht sollten Sie insofern nicht die schriftliche Aufforderung durch den Unternehmer abwarten, sondern ihn selbst anschreiben und mitteilen, dass für Sie die Voraussetzung der Abnahme mit der Beendigung der Außenputzzarbeiten vorliegt.
Wenn noch etwas unklar geblieben ist, fragen Sie gerne nach. Vorerst verbleibe ich mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
Sehr geehrte Frau v. Dorrien,
der Bauunternehmer geht, wie sie richtigerweise sagen, nicht von einer Abnahme ( im Sinne des Beginns der
Gewährleistungsfristen usw. ) aus. Dies hat man mir bestätigt.
Sein Steuerberater jedoch spricht unabhängig von dieser, ich nenne Sie nun
"echten" Abnahme von einer angeblich für die Bemessung der Steuer relevanten zweiten Abnahme mit dem Einzug im Mai.
Gibt es überhaupt eine Trennung zwischen der Abnahme des Auftraggebers mit dem Auftragnehmer und einer zweiten "steuerlichen" Abnahme?
Ich befürchte mittlerweile, dass sich die Steuerberater und eventuell auch die Behörden derzeit nicht "trauen" die Steuer mit 16% anzusetzen, weil diese im Nachgang Kosequenzen fürchten.
Noch einmal Herzlichen Dank für die rasche und sehr gut verständliche Beantwortung meines Anliegens!
Sehr geehrter Fragesteller, vielen Dank für Ihre freundliche Nachfrage!
Sie haben sicher recht damit, dass der Steuerberater der Firma sich "nicht traut" - gegenüber seinem Auftraggeber, der Baufirma! Eine "steuerliche" Abnahme kenne ich nicht. Es gibt nur die Abnahme eines Bauwerks oder einer sonstigen Werkleistung, die in § 640 BGB
geregelt ist. Sehen Sie hier alles Wissenswerte dazu:
https://www.liebert-roeth.de/de/rechtsgebiete/baurecht/130-abnahme-bei-bauvertraegen-und-werkvertraegen
Oder auch hier:
https://www.bauprofessor.de/foermliche-abnahme/
Die Finanzverwaltung hat überhaupt nichts damit zu tun, der abgesenkte Umsatzsteuersatz gilt nun einmal zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember, daran ist nicht zu rütteln. Bei solchen Änderungen gibt es immer Gewinner und Verlierer, und da die Abnahme Ihres Hauses nun einmal nicht im ersten Halbjahr 2020 stattgefunden hat, sondern aller Voraussicht nach (und das sollten Sie versuchen selbst zu bestimmen) im zweiten Halbjahr 2020 stattfinden wird, ist der Bauunternehmer der Verlierer und Sie sind der Gewinner.
Bei Geschäften zwischen jeweils vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern (sogenannten B2B-Geschäften) wirkt sich die abgesenkte Umsatzsteuer gar nicht aus, sie ist für einen Unternehmer ja nur ein sogenannter durchlaufender Posten. Bei B2C-Geschäften (Business to Costumer), also den normalen Unternehmer-Verbrauchergeschäften, hat der Verbraucher (oder wie Sie jetzt als Werkvertragspartner bzw. - Abnehmer) einen Vorteil durch die Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020. Sicher ist das etwas schmerzhaft für den Bauunternehmer, aber er sollte nicht anfangen zu tricksen.
Halten Sie mit meinen Ausführungen und dem Gesetzestext (§ 640 Abs. 2 S. 2 BGB
) dagegen!
https://dejure.org/gesetze/BGB/640.html
Alles Gute und nochmals freundliche Grüße!
EvD