Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
1. Muss ich für den entstandenen Schaden gerade stehen? Stichwort Wertverlust und wer definiert deren Höhe? Oder fällt dieser höchstens leicht fahrlässige Schaden zu Lasten des Händlers?
Da Sie zum Zeitpunkt der Probefahrt Eigentümer des Fahrrades waren und dieses Eigentum durch den Widerruf faktisch rückabwickelt wird, haften Sie auch für den in dieser Zeit entstandenen Schaden. Der Umfang des Verschuldens ist dabei recht irrelevant, denn Sie müssen dem Verkäufer insoweit jeden Schaden ersetzen, welcher über eine bloße Prüfung des Kaufgegenstandes hinausgeht. Eventuell kann hier Ihre Haftpflichtversicherung einspringen, welches aber gesondert zu prüfen wäre.
Beispielsweise müssen Sie den Abrieb der Räder natürlich nicht ersetzen, da dies für die Prüfung notwendig ist. Schäden durch einen Sturz müssen aber ersetzt werden, da ein Sturz nicht Gegenstand einer Prüfung ist, sondern eine Folge einer falschen (bzw. wie hier ungewohnten) Nutzung.
Der Schaden ist im Zweifel zu schätzen oder aber durch ein Gutachten zu ermitteln. Dabei sind Vorschäden jedoch mitzuberücksichtigen und wirken schadensmindernd (z.B. bei einer Volllackierung). Die Höhe des Schadens spiegelt sich entweder in dem dann zu erwartenden Wertverlust oder aber in den Kosten der Instandsetzung wieder.
Entscheidend darüber hinaus sind aber auch die vertraglichen Regelungen, insbesondere ob ein zu erstattender Wertverlust/Wertminderung im Falle der Rückabwicklung/Widerruf des Vertrages vereinbart ist.
2. Wie ist die Rechtslage bezüglich der Herausgabe des bezahlten Betrages bzw. wie lange hat der Verkäufer(=Hersteller) Zeit sich um die Rückabwicklung zu kümmern?
Hier sind die vertraglichen als auch gesetzlichen Regelungen zu beachten. Vereinbart ist eine Frist von 14 Tagen nach Eingang des Widerrufs. Da der Verkäufer das Fahrrad abzuholen und i.d.R. auch den Rücktransport zu veranlassen hat, wie bei Ihnen zugesagt, befindet sich der Verkäufer nach Ablauf der 2 Wochen insoweit in Verzug.
Sie haben daher gegen den Verkäufer einen gerichtlich durchsetzbaren Ansprüch auf Rückerstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rücknahme des Fahrrades. Sollten nicht unerhebliche Wertverluste eingetreten sein (und dies vereinbart), so wären diese ggf. vom zu erstattenden Kaufpreis abzuziehen. Über die Höhe des Schadens müsste dann ggf. ein Gutachten oder Kostenvoranschlag eingeholt werden, sodass hier meistens noch Streitpotential bestünde.
Setzen Sie der Gegenseite daher nochmals eine verkürzte Frist von 7 Tagen zwecks Erstattung des Kaufpreises. Solange der Kaufpreis nicht gezahlt wird, steht Ihnen ein Zurückbehaltungsrecht Zug-um-Zug zu.
Sollte auch diese Frist fruchtlos verstreichen, wäre ggf. der gerichtliche Weg der nächste Schritt um Ihren berechtigen Anspruch weiter Ausdruck zu verleihen. Gerne kann ich Sie in diesem Fall gesondert unterstützen, da die Kanzlei auf bundesweite Mandante ausgerichtet ist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Sascha Lembcke
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Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, hierzu noch eine Rückfrage: Wie lange hafte ich denn als "unfreiwilliger Eigentümer" noch für das Fahrrad? Ich muss es jeden Tag mit erheblichem Aufwand aus der Garage manövrieren, meinen PKW herausfahren, das Fahrrad wieder reinfahren und am Abend das gleiche Spiel umgekehrt, damit dieses bestmöglich geschützt bleibt. Wenn der Hersteller das Fahrrad noch länger bei mir "lagert", ist es nur eine Frage der Zeit bis weitere Faktoren wie Verschmutzung oder vielleicht weitere Kratzer hinzukommen.
Vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Hier gelten die Regeln über den sog. Annahmeverzug § 293 ff. BGB
. Der Annahmeverzug führt dazu, dass der Gläubiger nunmehr die Leistungsgefahr trägt. Der Schuldner genießt insoweit während des Annahmeverzugs eine Haftungsprivilegierung und muss nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vertreten (§ 300 Abs. 1 BGB
). Geht die Sache leicht fahrlässig oder zufällig unter, so bleibt der Gläubiger zu seiner Gegenleistung verpflichtet (§ 326 Abs. 2 S. 1 BGB
), während der Schuldner die Leistung nicht mehr bewirken muss. Der Gläubiger muss auch Aufwendungsersatz nach § 304 BGB
leisten, wenn Kosten entstehen.
Mit Eintreten des Annahmeverzuges, sprich nach Ablauf der Aufforderung zur Abholung des Fahrrades zu Tag X, haftet der Verkäufer für die Verschlechterung oder den Untergang des Kaufgegenstandes. Der Käufer insoweit nur, wenn er diesbezüglich vorsätzlich (absichtliche Beschädigung) oder grob fahrlässig (z.B. bei Diebstahl, wenn es nicht angeschlossen ist und Garage nicht zugeschlossen war) gehandelt hat. Treten durch das vermehrte Umstellen daher weitere Gebrauchsspuren hinzu, dann ist die weitere Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen.
MfG
RA Lembcke