Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Aus Ihrer Sachverhaltsschilderung ergibt sich, dass Sie einen Antrag auf nachehelichen Unterhalt gestellt haben. In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Essen haben Sie, und so verstehe ich Ihre Angaben, von Ihrem geschiedenen Ehemann nachehelichen Unterhalt von monatlich 3.900 € verlangt. Dieser Antrag wurde abgewiesen. Unklar bleibt dabei, ob der Antrag auf nachehelichen Unterhalt grundsätzlich abgewiesen worden ist mit der Begründung, dass Ihnen nachehelicher Unterhalt nicht zustehe oder ob Ihnen nur ein geringerer nachehelicher Unterhalt als beantragt (3.900 €) zugesprochen wurde. Ich vermute, dass das Amtsgericht Essen den Antrag vollständig zurückgewiesen hat, allerdings ist das, wie bereits gesagt, nur eine Vermutung.
Sodann haben Sie vermutlich beim Oberlandesgericht Hamm Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt.
In diesem Zusammenhang verstehe ich Ihren Hinweis, die Beschwerdefrist beim OLG Hamm werde ständig verlängert, nicht. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Sodann gibt es die Frist zur Beschwerdebegründung, die einen weiteren Monat beträgt. Da Sie, wovon ich ausgehe, die Beschwerdeführerin sind, liegt es bei Ihnen und Ihrem Rechtsanwalt, die Beschwerde zeitnah zu begründen.
Allerdings vermute ich, dass Sie nicht die Beschwerdefrist oder die Beschwerdebegründungsfrist meinen, sondern die Frist, die sich an Ihren geschiedenen Ehemann richtet und die sich auf die Verteidigung gegen die Beschwerde bezieht. Vermutlich wird von der Gegenseite Fristverlängerung beantragt, weil nur das vom Ergebnis her gesehen Sinn machen kann. Sie wollen schließlich eine rasche Entscheidung, Ihr geschiedener Ehemann ist daran interessiert, die Entscheidung hinauszuzögern.
Hier bestehen also bezüglich Ihrer Sachverhaltsschilderung einige Unklarheiten, so dass ich hinsichtlich des Verfahrensstands leider nur Vermutungen anstellen kann.
Im Beschwerdeverfahren hat es aber wohl im Mai 2017 eine mündliche Verhandlung gegeben. Dort, so Ihre Sachverhaltsschilderung, habe Ihr geschiedener Ehemann den Vorschlag macht, die gemeinsame Immobilie zu verkaufen. Sie sagen sodann, dass das Gericht diesem Vorschlag gefolgt sei.
Auch hier bleibt unklar, wie Sie das konkret meinen.
Das Gericht kann keine Entscheidung treffen, wonach Sie gezwungen werden, die gemeinsame Immobilie zu verkaufen. Also scheidet eine diesbezügliche gerichtliche Entscheidung in zweiter Instanz aus.
Daher kann ich den Satz, dass das Gericht dem Vorschlag Ihres geschiedenen Ehemanns gefolgt sei, nur dahingehend lesen, dass das Gericht diesen Vorschlag für praktikabel erachtet und geraten hat, sich gegebenenfalls dahingehend zu vergleichen.
Unklar bleibt, weshalb das Berufungsgericht nach der mündlichen Verhandlung im Mai 2017 bis heute noch keine Entscheidung getroffen hat. Es würde dem üblichen Verfahrensgang entsprechen, dass das Gericht einen Vergleichsvorschlag macht, zu dem sich die Prozessparteien innerhalb einer bestimmten Frist äußern müssen. Für den Fall, dass der Vergleich nicht zu Stande kommt, bestimmt das Gericht einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung.
Deshalb sollten Sie wegen der Zeitabläufe prüfen, ob der Senat des Oberlandesgerichts Hamm nicht bereits eine Entscheidung getroffen hat.
2.
Sie fragen, ob Sie einen Unterhaltsanspruch (Nachscheidungsunterhalt) haben und ob Sie einem Unterhaltsverzicht zustimmen dürfen.
Vorab muss man hierzu festhalten, dass Sie ein Gerichtsverfahren wegen nachehelichen Unterhalts bereits in zweiter Instanz führen. Man darf davon ausgehen, dass in diesen beiden Gerichtsverfahren alle tatsächlichen und rechtlichen Aspekte ausgeleuchtet und erörtert worden sind. D.h., Ihr Rechtsanwalt hat, was die Kenntnis des gesamten Sachverhalts und den Stand des Verfahrens angeht, einen Wissensvorsprung, der durch eine einfache Internetanfrage niemals "eingeholt" werden kann.
Solch komplexe Angelegenheiten wie nachehelicher Unterhalt sind auch für Internetanfragen eher weniger geeignet und schon gar nicht, wenn man bereits in zweiter Instanz prozessiert.
Dennoch will ich versuchen, Ihnen auf der Grundlage des geschilderten Sachverhalts und Ihrer Fragestellung eine Antwort zu geben.
3.
Die Frage, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung auf sein Vermögen zurückgreifen muss, ist in § 1577 BGB
geregelt.
In § 1577 BGB
heißt es im ersten Absatz folgendermaßen:
„Der geschiedene Ehegatte kann den Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1573, 1575 und 1576 nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann."
Interessant ist besonders § 1577 Abs. 3 BGB
, in dem es folgendermaßen heißt:
„Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre."
Wie Sie bereits aus dem Wortlaut des § 1577 Abs. 3 BGB
entnehmen können, wird mit unbestimmten Rechtsbegriffen gearbeitet, die durch die Rechtsprechung ausgelegt und auf den Einzelfall anzuwenden sind.
D.h. aber auch, aufgrund der Informationen kann ich nicht einmal ansatzweise beurteilen, ob die Verwertung der Immobilie unwirtschaftlich ist und als unbillig einzuordnen wäre.
Man könnte beispielsweise auch argumentieren, das Sie Ihren monatlichen Bedarf zurückschrauben müssten. Sie sagen, Ihr monatlicher Bedarf läge bei etwa 3.500 €, wobei 750 € auf die private Krankenversicherung entfielen. D.h., für die Lebenshaltung würden Ihnen 2.750 € verbleiben.
Das ist für eine alleinstehende Person ein verhältnismäßig hoher Betrag, wobei man sich vorstellen kann, dass gegebenenfalls auch Einsparpotenzial vorhanden wäre.
Das sind aber abstrakte Überlegungen meinerseits, da ich keinerlei konkrete Anhaltspunkte habe, inwieweit der von Ihnen angesetzte Bedarf als realistisch im rechtlichen Sinne in Bezug auf den Nachscheidungsunterhalt anzusehen ist.
Einem Unterhaltsverzicht dürften Sie meiner Meinung nach zustimmen, da das Vermögen von 375.000 € zum bestreiten des Lebensunterhalts ausreichen kann. Ein Unterhaltsverzicht ist nur dann unwirksam, wenn schon im Vorfeld klar ist, dass ohne Unterhalt die Inanspruchnahme von Sozialleistungen unausweislich sei.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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Sehr geehrter Herr Raab,
zunächst vielen Dank für Ihre Beantwortung.
Als Ergänzung ;
Lt. Aussage meines jetzigen RA, steht mir kein nachehelicher Unterhalt zu, sondern ich muss von meinem Vermögen leben.
Das Verfahren vor dem OLG Hamm ist noch nicht erfolgt. Er will die gesamte Angelegenheit, auch Hausübernahme , aussergerichtlich regeln.
Vorausgesetzt, ich erhalte den Verkaufspreis von 375.000,00 €, könnte ich bei einem mtl.-Verbrauch von 3.000,00 €, davon ca. 10 Jahre leben. Ich bin jetzt 66 Jahre. MIt 76 Jahren wäre damit das Ende erreicht.
Leider bin ich immer davon ausgegangen, das mein Lebensstandard nach der Ehe, annähernd dem Lebensstandard während der Ehe entsprechen darf. Obwohl ich schon längst nicht mehr diesen Lebensstandard lebe. Schade.
Insgesamt bin ich um ein beträchtliches Vermögen betrogen worden.
Herzlichen Dank für Ihre Beantwortung.
Sehr geehrte Fragestellerin,
da Ihr Rechtsanwalt alle Einzelheiten des Falls kennt, werden Sie davon ausgehen können (und müssen), dass der Unterhaltsanspruch gem. § 1577 Abs. 1 BGB
ausscheidet, weil Ihr Vermögen als ausreichend angesehen wird, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt