Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
(1)
Gem. Ihren Schilderungen liegt hier ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB
vor. Für diesen haben Sie gem. § 312g Abs. 1 ein Widerrufsrecht.
(2)
Die Frage ist nun, ob das Widerrufsrecht erloschen ist. Nach § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB
erlischt bei einem Dienstleistungsvertrag das Widerrufsrecht, wenn
1. die Dienstleistung vollständig erbracht ist
2. nach ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers mit den Diensten begonnen wurde.
Die Voraussetzung zu 2 liegt hier vor. Allerdings war im Zeitpunkt Ihres Widerrufs die Dienstleistung gerade noch nicht vollständig erbracht. Es ist unerheblich, dass der Sachverständige bereits Vorarbeiten getroffen hat. Das Gesetz spricht eindeutig von vollständig erbachten Diensten. Selbst wenn das Gutachten beim Sachverständigen bereits vollständig in der Schublade gelegen hätte, hätte er seine Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht. Denn geschuldete Leistung war hier das zur Verfügung stellen das Gutachtens.
Damit war Ihr Widerrufsrecht nicht erloschen.
(3)
Die Rechtsfolgen sind dann in § 357 BGB
geregelt. Hier stellt sich die Frage, ob Sie eventuell einen Teil der Dienstleistung bezahlen müssen. Nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB
schulden Sie Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen, da Sie verlangt haben, dass der Sachverständige vor Ablauf der Widerrufsfrist mit seiner Arbeit beginnt.
Retten könnte Sie jedoch § 357 Abs. 8 Satz 2 BGB
der als weitere Voraussetzung vorsieht, dass Sie nach Artikel 246 a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ordnungsgemäß informiert wurden. Dazu gehört der ausdrückliche Hinweis darauf, dass Sie einen angemessenen Betrag nach § 357 Absatz 8 BGB
zu zahlen haben, wenn Sie das Widerrufsrecht ausüben.
Das kann ich indes nicht beurteilen, da mir der vollständige Vertrag nicht vorliegt. In dem oben zitierten Abschnitt fehlt ein solcher Hinweis, so dass Sie überhaupt nichts zahlen müssten.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Johannes Kromer
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Rechtsanwalt Johannes Kromer
"Nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB
schulden Sie Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen, ..."
Ist hier die Sendezeit des E-Mails, die nachweisbar ist, entscheidend oder spielt hier Empfang des Widerrufs bei der Abrechnung des Wertersatzes eine Rolle?
Wie im Frage erwähnt, wurde der Gesamtpreis (nach § 357 Absatz 8 BGB
) weder mündlich noch schriftlich vereinbart. Es gibt keine AGB oder Preisangaben auf der Webseite. Der Sachverständige hat den Preis erst nach dem Widerruf auf die Widerrufsbelehrung eingetragen. Ist das überhaupt zulässig?
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden. § 357 Abs. 8 BGB
spricht insoweit nur vom Widerruf. Da der Widerruf aber als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erst mit Zugang beim Vertragspartner wirksam wird, spricht meines Erachtens viel dafür, auf den Zeitpunkt des Zugangs des Widerrufs abzustellen. Maßgeblich ist hierbei weder der Zeitpunkt des Maileingangs aber auch nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme. Entscheidend ist, wann Sie davon ausgehen durften, dass die Mail gelesen wird. Von einem kleineren Unternehmen kann man hier davon ausgehen, dass die Mail spätestens am nächsten Morgen zur Kenntnis genommen wird.
Dass kein Preis angegeben wurde, ist rechtlich in der Tat zu beanstanden. Rechte können sie hieraus für Ihren Fall aber leider nicht herleiten. Der Wertersatz bestimmt sich immer im Verhältnis zum vereinbarten Preis und – wenn es einen solchen nicht gibt – nach einem verkehrsüblichen Entgelt für diese Dienstleistung.
Sie könnten allenfalls versuchen so zu argumentieren, dass Sie nicht ordnungsgemäß über die Folgen des Widerrufs belehrt wurden, weil Sie sich keine Vorstellung vom zu leistenden Wertersatz machen konnten. Der Erfolg dieser Argumentation ist aber leider offen.