Anrechnungsfähige Zeit öffentlicher Dienst

17. Juni 2016 13:38 |
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Verwaltungsrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin seit diesem Schuljahr Lehrer im Direkteinstieg in Baden-Württemberg (Angestellter des Landes). Nun kann das RPS (Regierungspräsidium Stuttgart) vorangegangene Berufserfahrung anrechnen. Ich habe nach dem Studium 2 Jahre und 8 Monate Vollzeit im Angestelltenverhältnis gearbeitet. Zudem habe ich sowohl als Dozent (an verschiedenen Hochschulen als auch an der VHS) als auch in meinem Fachgebiet auf selbstständiger Basis gearbeitet. Dies ist meiner Meinung nach ebenfalls einschlägige Berufserfahrung für meine aktuelle Tätigkeit. Das RPS hat mit jedoch nur die Zeit als Angestellter angerechnet. Begründung sei, dass man nicht zur selben Zeit zwei verschiedene Tätigkeiten angerechnet bekommen kann. Das ist aus meiner Sich bereits fraglich. Nun gibt es des Weiteren die gesetzliche Regelung, dass Wehr- und Zivildienst anerkannt werden muss. (LBesGBW §32).
Das LBesGBW zielt zwar auf Beamte ab, jedoch gibt es kein spezielles Gesetz für Angestellte des Landes. Ich, habe meinen Zivildienst vor meinem Studium abgeleistet. Dies ist laut RPS der Grund warum der Zivildienst nicht anerkannt wird. Auch hier bin ich anderer Meinung.


Meine Frage ist:
1. Muss meine selbstständige Zeit zusätzlich anerkannt werden?
2. Muss der Zivildienst anerkannt werden?

Es geht bei der Sache um 1 bis 2 Erfahrungsstufen die ich uU höher eingestuft werden muss.

17. Juni 2016 | 15:40

Antwort

von


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Für die Vergütung der Angestellten, nicht nur der Lehrer, sondern aller Angestellten im öffentlichen Dienst gilt grundsätzlich der TVöD, bei Angestellten der Länder in der entsprechenden Fassung TV-L. Für die Eingruppierung der Lehrer gibt es noch eine entsprechende Besonderheit, nämlich den Tarifvertrag Entgeltordnung Lehrkräfte der Länder. (TV EntgO-L)In dieser Entgeltordnung werden in § 6 Abweichungen zu den Festsetzungen in § 16 TVöD, der die Stufenzuordnung regelt, festgelegt. Die einschlägige Berufserfahrung muss damit viel länger sein als in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Sonst reichen drei Jahre einschlägige Berufserfahrung für die Stufe drei, im Geltungsbereich Entgeltordnung Lehrer müssen es jetzt sieben Jahre sein.

Dabei wird die Referendarzeit mit einem halben Jahr angerechnet, andere Zeiten entsprechend ihrer Dauer.

Ein Zeitraum kann immer nur einmal angerechnet werden. Wenn also in einem Zeitraum, z.B. Januar bis Oktober eines Jahres eine Anrechnung wegen einer Tätigkeit als Angestellter erfolgt, kann dieser identische Kalenderjahre Zeitraum nicht noch einmal wegen einer parallel durchgeführten selbständigen Tätigkeit angerechnet werden. Wenn Sie also Ihre selbständigen Tätigkeit zeitlich parallel zu der Tätigkeit als Angestellter ausgeübt haben, kann dieser Zeitraum nicht doppelt berücksichtigt werden. Soweit die Zeiträume nicht identisch sind, sind sie als einschlägige Berufserfahrung tariflich relevant und können angerechnet werden. Allerdings hilft das nur, wenn eben die Zeiträume bis zur Zuordnung zur nächsten Stufe auch überschritten werden.

Grundsätzlich verlangt der Tarifvertrag eine „einschlägige Berufserfahrung", der Zivildienst würde darunter sicherlich nicht fallen. Auch im Beamtenrecht ist grundsätzlich von einer Zeit dienstlicher Erfahrung die Rede, der Begriff wird allerdings weit ausgelegt. Offensichtlich war der Gesetzgeber aber der Auffassung, dass Wehrdienst, Zivildienst usw. grundsätzlich wertvolle Zeiten sind, denn sie werden ja in jedem Fall und unabhängig von der Nützlichkeit für den vorgesehenen Dienstposten als Erfahrungszeit für die beamtenrechtliche Erfahrungszeit gewertet.

Es lässt sich auch durchaus anführen, dass insbesondere für die so genannten Erfüller, also die Lehrer die die Voraussetzungen für eine Verbeamtung von ihrer Ausbildung her erfüllen, aber z.B. aus Altersgründen nicht mehr Beamte werden können, eine weitgehende Angleichung mit den Beamten erfolgen soll. Wenn also ein Beamter nach A 14 befördert werden würde, muss der Lehrer der so genannter Erfüller ist, in EG 14 eingeordnet werden.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz könnte hier durchaus eine relevante Rolle spielen. Denn im Wesentlichen gleich ist die Frage, welche Zeiten anzurechnen sind für Beamte und Angestellte natürlich schon zu regeln.

Diesen Streit muss man aber, bevor man in tatsächlich führt, dahingehend prüfen, ob denn selbst mit Anerkennung des Zivildienstes die nächste Stufe überhaupt erreicht werden würde. Dafür Lehrer der eine andere Erfahrungszeit erforderlich ist als im Normalfall erscheint mir das in Ihrem Fall noch nicht gegeben zu sein. Wenn es allerdings zur nächsten Stufe führen könnte, könnte mit dem Gleichbehandlungsargument die Berücksichtigung dieser Zeit verlangt werden. Gerichtsurteile sind dazu aber nicht auffindbar.


Rechtsanwalt Jörg Klepsch
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Familienrecht

Rückfrage vom Fragesteller 19. Juni 2016 | 13:06

Vielen Dank für ihre schnelle und kompetente Antwort. Da ich Direkteinsteiger bin, (Kein Lehramtsstudium, sondern Einstellung aufgrund des fachlichen Studiums), gelten andere Regelungen. Da wir auch kein Referendariat oder ähnliches machen müssen.

https://www.lehrer-online-bw.de/,Lde/Startseite/lobw/Direkteinstieg-Informationen
https://www.lehrer-online-bw.de/site/pbs-bw-new/get/documents/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/lehrer-online-bw/pdf/Direkteinstieg/Merkblatt%20Besoldung%20Entgelt.pdf

Kollegen von mir wurden mit 3 Jahren Berufserfahrung in Stufe 3 eingeordnet. Soweit ich weiß gelten somit für uns die normalen Stufenaufstiege:

0 Jahre = 1. Stufe
1 Jahr = 2. Stufe
3 Jahre = 3. Stufe
7 Jahre = 4. Stufe
usw...

Somit müsste doch in der Summe (2 Jahre 8 Monate Berufserfahrung + 10 Monate Zivildienst VOR dem Studium) die Voraussetzung gegeben sein um in Stufe 3 eingeordnet zu werden?

Die Frage ist also: Aufstieg in Stufe 3 nach 3 Jahren UND nach rechtlicher Auffassung Anrechnung des Zivildienstes zwingend in meinem Sachverhalt?

Vielen Dank für die Mühe!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 19. Juni 2016 | 15:41

Die Regelungen sind für alle Lehrkräft als Angestellte gleich.

Die Stufenaufstiege sind fast "normal", aber sowhl die Stufendauer als auch die Ersteinordnung mit der Anrechnung "einschlägiger Berufserfahrung" oder "förderlicher Zeiten" ist speziell geregelt in den Maßgaben zu den Vorschriften des TV. (§ 6 Maßgaben zu § 16 TV-L – Stufen der Entgelttabelle).
Für die Stufenlaufzeit heißt es dort:
"Für ab 1. August 2015 neu zu begründende Arbeitsverhältnisse von Lehrkräften im Sinne von Abschnitt 2 Ziffer 1 der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) beträgt die Stufenlaufzeit in Stufe 1 zwei Jahre und in Stufe 2 fünf Jahre."

Es kommt auf die Entgeltgruppe und den Zeitpunkt der Einstellung an: Für Sie reichen die drei Jahre im Rahmen der Ersteinordnung für die Stufe 3 nicht. In dem TV heißt es nämlich:

"Für ab 1. August 2015 neu zu begründende Arbeitsverhältnisse von Lehrkräften im Sinne von Abschnitt 2 Ziffer 1 der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) gilt § 16 Absatz 2 Satz 3 TV-L in folgender Fassung:
„Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise – bei Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens sieben Jahren – in Stufe 3."

Der Zivildienst ist keine einschlägige Berufserfahrung für Lehrer, ob er als förderliche Zeit angerechnet werden kann, darüber mag man streiten. Fachlich wohl eher nicht, außer in Pflegeberufen (je nach Art der Tätigkeit im Zivildienst). Auch bei den Beamten ist es keine fachliche Zeit, sondern eine Sonderregelung für den Zivildienst. Fachliche Zeiten können immer erst nach dem Studium erworben werden. (so die Rspr. bei den Beamten)

In Ihrem Fall reicht es aber selbst mit Zivildienst nicht für die Stufe 3.

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