Sehr geehrter Fragesteller,
den einzigen Ansatzpunkt für ein Vorgehen gegen Ihre Kollegen sehe ich in der Benutzung Ihres Computerprogramms oder anderer Materialien ohne Ihre Erlaubnis. Hier liegt eine Urheberrechtsverletzung nahe, die zivil- und evtl. sogar strafrechtlich verfolgbar wäre. Sie hätten bei Erfolg auch Anspruch auf eine "Entschädigung" in Geld (sog. Schadensersatz i.F.v. Lizenzanalogie).
Die entscheidende Frage wird allerdings sein, ob Sie beweisen und darlegen können, dass das Computerprogramm u.a. ohne Ihr Wissen und Einverständnis genutzt wurde. Die nichtbeantworteten E-Mails sprechen in diesem Fall nicht für Sie, auf der anderen Seite durften Ihre Kollegen allein aus Ihrem Schweigen keine Schlüsse auf das Einverständnis zur Nutzung des Computerprogramms ziehen. Dazu käme noch die Frage, ob sich aus Ihrem Arbeitsverhältnis bzw. aus dem Kontext der Forschungsarbeit ergibt, dass Ihre Leistungen nicht als Ihr Werk, sondern als Werk des Lehrstuhls bzw. Forschungsteams aufzufassen sind.
Wenn ich einmal nur Ihre Angaben zum Gegenstand nehme und von deren Wahrheit ausgehe, spricht einiges dafür, dass Sie im Recht sind, d.h. Ihr Computerprogramm u.a. durfte nicht einfach durch andere Kollegen benutzt werden, eine wirksame Einwilligung durch Sie lag niemals vor, so dass eine Urheberrechtsverletzung gegeben wäre, die zu Unterlassungs- u. Schadensersatzansprüchen führen würde. Wie weiter oben schon beschrieben, kommt es aber im Streitfalle darauf an, dass Sie Ihre Angaben auch (z.B. dem Richter) beweisen könnten.
Ich würde Ihnen raten, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Nach Ihren Ausführungen bietet der Fall zu viele Verteidigungsmöglichkeiten für Ihre Gegner, ob das nun der Vorfall mit den nichtbeantworteten E-Mails oder das Überlassen der Testversion ist. Es wäre also recht schwierig, die Voraussetzungen der Urheberrechtsverletzung zu beweisen. Die Chancen bei einem Rechtsstreit wären kaum größer als 50:50 und wegen der Geringfügigkeit in der Sache würde ein Richter auch kaum genau prüfen, sondern eher nach seinem juristischen Gefühl entscheiden (was nicht sein sollte, aber in der Realität oft so ist), so dass erhebliche Risiken für Sie bestünden.
Zudem ist zu bedenken, dass dadurch naturgemäß "böses Blut" zum ehemaligen Lehrstuhl entsteht, was Ihrer zukünftigen Entwicklung hinderlich sein könnte.
Sollten Sie dennoch vorhaben, in der Sache weiter vorzugehen, würde ich Ihnen in jedem Fall vorher die Beauftragung eines Rechtsanwalts für eine genaue Vorabprüfung anraten. Außerdem sollten Sie dann schon jetzt alle möglichen Beweismittel (E-Mails) sichern.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit einen ersten Eindruck vermitteln.
Bei weiteren Fragen oder Anliegen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Soweit aus dem Bereich www.frag-einen-anwalt.de heraus eine Kontaktaufnahme an mich persönlich gewünscht ist, bitte ich zunächst ausschließlich um Kontakt per E-Mail.
Mit freundlichen Grüßen
Schneider
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Schneider,
ganz herzlichen Dank für Ihre sehr hilfreiche, detaillierte und verständnisvolle Antwort.
Zu einer Passage Ihrer Ausführungen möchte ich gerne nachfragen.
Sie schreiben: "Dazu käme noch die Frage, ob sich aus Ihrem Arbeitsverhältnis bzw. aus dem Kontext der Forschungsarbeit ergibt, dass Ihre Leistungen nicht als Ihr Werk, sondern als Werk des Lehrstuhls bzw. Forschungsteams aufzufassen sind."
Angenommen, die in Rede stehenden Leistungen wären als Leistungen des ganzen Teams anzusehen. Darf sich dann ein Teil des Teams einfach abspalten und, ohne zu fragen, unter Benutzung der Vorarbeiten weitermachen? (Daß sich ggf. aus dem Arbeitsverhältnis etwas derartiges ergeben könnte, ist mir klar -- aber generell?)
Ich werde es wohl und hoffentlich nicht auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, aber ich kann besser argumentieren, wenn ich weiß, nicht vollkommen im Unrecht zu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
xy
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage: Nein, dann stände das Urheberrecht dem Team zur gesamten Hand zu, d.h. eine "Abspaltung" Einzelner wäre nicht möglich, alle müßten zusammen entscheiden.
Das Problem bei Arbeitsverhältnissen ist auch eher, dass dort die Rechte des Urhebers z.T. derart beschnitten werden, dass er alle seine Urheberrechte mehr oder weniger (z.B. an den Lehrstuhlinhaber) verliert. Deshalb bleibt ohne Durchsicht des Arbeitsvertrages immer eine gewisse Unsicherheit in diesem Bereich.
MfG
Schneider
Rechtsanwalt