Deutsch-Amerikanisches Familie -Lebensmittelpunkt des Kindes?

| 30. Juni 2013 10:09 |
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Familienrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Yvonne Bellmann

Zusammenfassung

Bei der Frage, ob ein Elternteil bei gemeinsamem Sorgerecht mit dem Kind umziehen darf, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und alle Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Mittelpunkt steht hierbei immer das Kindeswohl.

Sehr geehrte Dame, Sehr geehrter Herr,

ich habe als Journalistin von 2005-2010 in Washington DC für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gearbeitet. Mein damaliger Freund zog 2007 aus Europa zu mir in die USA. 2008 haben wir in Virginia geheiratet. 2009 wurde unsere Tochter in Alexandria, VA-USA geboren, 2010 gingen wir zurück nach Deutschland (München) mit der Option in den folgenden Jahren wieder in die USA zurück zu kehren.
Mein Mann hat eine Stelle in seinem "alten" Unternehmen angekommen, Sitz in Düsseldorf, konnte aber in München leben und dort im HomeOffice arbeiten. Für mich war immer klar, dass ich mit der Familie zurück nach Washington DC wolle, mein Mann zeigte sich einverstanden - dazu gibt es allerdings nichts schriftliches, nur mündl. Bestätigungen von Aussenstehenden / Freunden und ein "Beleg" dieser Absicht ist das im Jahr 2011 beantragte & ausgestellte Arbeitsvisum für meine weitere freie Tätigkeit im ARD Studio in Washington DC.

2012 habe ich mich von meinem Mann getrennt und lebe seither mit meiner Tochter in München - mein Mann ist nach Bad Oldesloe (Norden) gezogen, arbeitet aber immer noch für das Büro Düsseldorf. Er kommt alle zwei Wochen nach München (Sa-So) und pflegt den Umgang mit unserer Totcher - heute 3j., zahlt aber "nur" 300 Euro Kindesunterhalt + PreSchoolFee + Krankenversicherung. Trotz der genannten Zahlungen bzw. weil mein Mann mir keinen Unterhalt zahlen muss bin ich seit meiner Trennung finanz. von meinem Vater abhängig - alleine könnte ich den Lebensunterhalt in München nicht bewältigen.

Seit Ende 2011 bemühe ich mich um eine Tätigkeit in München, doch allen Bewerbungen und Kontakte zum Trotz, ist es mir nicht gelungen einen Job zu finden, der mit der Erziehung meiner Tochter vereinbar ist. Das wäre in den USA anders, dort könnte ich an meine alte Tätigkeit anzuknüpfen und zunächst als freie Mitarbeiterin mit Aussicht auf Festanstellung arbeiten.

Mein Mann und ich stehen kurz vor der Scheidung und werden ein gemeinsames Sorgerecht haben, da meine Tochter bei mir lebt, habe ich das "theoretische" Aufenthaltsbestimmungsrecht. Mein bald Ex-Mann ist gegen die Rückkehr in die USA. Für mich würden die USA eine finanz. Unabhängigkeit bedeuten und meiner Tochter eine Mutter mit weniger Sorgen beschweren ... neben anderen wichtigen Aspekten. Wie mit der Entfernung München - Bad Oldesloe würde ich auch den Kontakt zw. DC und Bad Oldesloe zum Vater sehr fördern und könnte mir vorstellen auch meinen Anteil an den Ferienzeiten ganz zum Umgang für den Vater zur Verfügung zu stellen.


Meine Fragen:

1) Ganz allgemein, wie stünden meine Chancen als Alleinerziehende vor dem deutschen Gesetzt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu erhalten, um in die USA zum alten Job (und in die finanz. Unabhängigkeit) zurückkehren zu können?

2) Schützt der Staat die Rechte einer minderjährige Staatsangehörigen und unterstützt sie in "ihr" Land zurückkehren zukönnen?
3) Kann der deutsche Vater über zwei Leben (Mutter & Tochter) bestimmen und seiner (deutsch/)amerikanischen Tochter das Recht streitig machen, ihre Wurzeln / Geburtsland kennenzulernen - und der Mutter verwehren ihren zuletzt über 5 Jahre ausgeübten Beruf wieder auszuüben?


Ich freue mich auf Ihre Antwort. Herzlichen Dank.

Mit freundlichem Gruß

Sehr geehrte Fragestellerin,

vielen Dank für die Anfrage. Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür gedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Teilen des Sachverhalts kann es durchaus zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kommen.

Unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhalts und Ihres Einsatzes möchte ich Ihre Fragen wie folgt beantworten:

"1) Ganz allgemein, wie stünden meine Chancen als Alleinerziehende vor dem deutschen Gesetzt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu erhalten, um in die USA zum alten Job (und in die finanz. Unabhängigkeit) zurückkehren zu können?"

Diese Frage kann leider nicht abschließend beantwortet werden, da es hier auf eine Abwägung aller Interessen, vor allem aber der des Kindeswohls ankommt.

Einerseits ist Ihr Interesse an einer Rückkehr in die USA zu berücksichtigen, um dort wieder arbeiten zu können und finanziell unabhängig zu sein. Dies käme natürlich auch dem Kind entgegen.

Andererseits ist die Entfernung USA - Deutschland sehr groß, der Umgang des Vaters mit dem Kind würde durch eine Rückkehr in die USA natürlich erheblich einschränkt. Dies könnte aber durch eine entsprechende großzügige Umgangsregelung geklärt werden.

Dem Kindeswohl entspricht sowohl der regelmäßige Umgang mit dem Vater als auch finanzielle Sicherheit.

Dies alles müsste ein Gericht prüfen und abwägen. Hinzu käme natürlich auch der ursprünglich gemeinsame Plan zur Rückkehr in die USA. Aber die Verhältnisse haben sich eben auch geändert.

Letztendlich haben Sie aber, wenn der Vater einem Umzug in die USA nicht zustimmt, bei gemeinsamem Sorgerecht nur die Möglichkeit, einen Antrag beim Familiengericht auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Sie zu stellen. Dieser müsste dann unter Darlegung Ihrer Situation begründet werden. Dieser sollte aber auch möglichst schon einen Vorschlag für die Gestaltung des Umgangsrechts enthalten.

Wie das Gericht entscheiden wird, kann leider nicht vorhergesagt werden.


"2) Schützt der Staat die Rechte einer minderjährige Staatsangehörigen und unterstützt sie in "ihr" Land zurückkehren zukönnen?"

Wie oben bereits beschrieben, steht das Kindeswohl im Zentrum einer solchen Entscheidung. Hier muss eben sehr genau argumentiert werden. Wenn aber begründet werden könnte, dass das Kind in den USA bessere Lebensbedingungen und trotz der Entfernung regelmäßigen Kontakt zum Vater hätte, könnte ein Umzug in die USA möglich sein. Aber wie bereits beschrieben, ist dies eine Wertungsfrage, deren Ergebnis nicht vorhergesehen werden kann.


"3) Kann der deutsche Vater über zwei Leben (Mutter & Tochter) bestimmen und seiner (deutsch/)amerikanischen Tochter das Recht streitig machen, ihre Wurzeln / Geburtsland kennenzulernen - und der Mutter verwehren ihren zuletzt über 5 Jahre ausgeübten Beruf wieder auszuüben?"

Solange Sie das gemeinsame Sorgerecht und demzufolge auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht haben, kann der Vater die Zustimmung zu einem Umzug in die USA verweigern. Würden Sie trotzdem mit dem Kind umziehen, wäre dies eine Kindesentführung.

Es gibt daher nur den Weg, eine Entscheidung über das Familiengericht herbeizuführen. Diese wird alle Interessen abwägen und eine Entscheidung treffen. Diese könnte aber natürlich auch zu Ihren Ungunsten ausfallen.

Ich kann Ihnen daher nur raten, zur genaueren Prüfung der Angelegenheit und Stellung des Antrags einen auf Familienrecht spezialisierten Anwalt vor Ort aufzusuchen.


Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine genauere Antwort geben kann. Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort dennoch weitergeholfen zu haben. Sollte Ihnen noch etwas unklar sein, dürfen Sie gerne die kostenlose Nachfragemöglichkeit nutzen. Wenn Sie zufrieden sind, würde ich mich über eine positive Bewertung freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin

Rückfrage vom Fragesteller 30. Juni 2013 | 11:26

Liebe Frau Bellmann,

zunächst vielen Dank für die prompte Antwort. Sie sprechen ausschließlich aus Sicht der deutschen Rechtslage, mir lag aber vor allem an der Einschätzung eines Anwalts, der/die in beiden (deutsche wie amerikanische) Rechtssystemen über fundierte Kenntnisse verfügt. Kennen Sie sich im amerik. Familienrecht aus?

Dann würde ich Sie bitten die Frage 2) Schützt der Staat die Rechte einer minderjährige Staatsangehörigen und unterstützt sie in "ihr" Land zurückkehren zukönnen?" - aus amerik. Sicht zu beantworten.

Konkret nachgefragt. Wie sähe die Lage aus Sicht der amerik. Rechtsprechung aus? Müsste / könnte ein Anwalt nach amerik. Familienrecht für eine minderjährige Amerikanerin - notfalls auch gegen den Willen des deutschen Vaters - das Recht auf eine Rückkehr im Geburtsland durchsetzten?

Mir geht es vor allem um eine verlässliche Einschätzung, ob bzw. wie die zwei Staatsangehörigkeiten die Möglichkeiten, zurück in die USA zu gehen, beeinflussen.
In jedem Fall muss es doch einen Unterschied machen, ob man mit einer minderjährigen Amerikaner (& dt. Staatsangehörigkeit) mit vorhandenen Bezug bzw. Wurzeln (Job&Lebensmittelpunkt der Mutter / Geburtsland der Tochter) nach DC zurückkehrt oder mit einer "deutschen" Minderjährigen (ohne vorhandene Wurzeln) einfach ins Ausland will.

Herzlichen Dank und mit freundlichem Gruß,

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 30. Juni 2013 | 11:49

Sehr geehrte Fragestellerin,

da wohl Sie und der Vater deutsche Staatsangehörige sind und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes derzeit in Deutschland ist, ist die Angelegenheit nach § 21 EGBGB nach deutschem Recht zu beurteilen. Die amerikanischen Wurzeln wären wiederum bei der Abwägung zu berücksichtigen.

Einen Bezug zum amerikanischen Recht kann zu dem Einsatz nicht erwartet werden.

Ich kann Ihnen aber einen Anwalt in München empfehlen, der gerade auf internationales Familienrecht spezialisiert ist und Ihnen hier sicher weitere Informationen geben kann. Ich habe Ihnen eine Mail mit den Kontaktdaten geschrieben.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 2. Juli 2013 | 07:38

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