Höhe des pfändbaren Einkommens bei Leben und Arbeiten im Ausland.

25. September 2012 11:08 |
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Insolvenzrecht


Beantwortet von

Hallo,

ich lebe seit einiger Zeit im Ausland, nicht Europa, und hatte vor meinem Umzug ins Ausland in Deutschland ein Insolvenzverfahren abgeschlossen und befand mich in der Wohlverhaltensphase.

Ich möchte meinen Verpflichtungen als Schuldner gerne nachkommen und die pfändbaren Beträge zahlen. Nun meint mein Treuhänder/Insolvenzverwalter meine pfändbaren Beträge müssten nach dem deutschen Recht berechnet werden, da das Insolvenzverfahren in Deutschland begonnen wurde.

Diese Einschätzung beachtet aber die deutlich höheren Lebenshaltungskosten hier im Ausland nicht. Die in Deutschland zu zahlenden Sozialabgaben gibt es hier nicht und können so auch den zu zahlenden Betrag nicht verringern.

Laut dem AG Passau (Urt. v. 15.01.2009; AZ: 15 C 1980/08 ) unterliegen ich den Pfändungsfreigrenzen hier im Ausland, welche niedriger als in Deutschland sind. Damit die Gläubiger nicht schlechter gestellt werden, habe ich dem TH/IV vorgeschlagen die Höhe der Beträge wie in Deutschland zu lassen, und etwas zu erhöhen. Dieser Vorschlag wurde leider bisher seitens des TH/IV abgelehnt.

Hier nun meine Fragen:

1. Gibt es weitere Urteile in mit diesem Sachverhalt?
Vielleicht von höher rangingen Gerichten?
(Ich bin kein Grenzgänger, ich lebe und arbeite im Ausland)
2. Wenn ich Einspruch gegen die Entscheidung des TH/IV einlegen möchte,
muss dieses dann beim Insolvenzgericht erfolgen?
3. Habe ich vielleicht etwas übersehen.
4. Wie verhält es sich mit der Berechnung der pfänd. Beträge und dem Kaufkraftausgleich?

Für konstruktive Hilfe bin ich sehr Dankbar.
Chris


25. September 2012 | 15:23

Antwort

von


(654)
Heinz-Fangman-Str. 2
42287 Wuppertal
Tel: 0202 76988091
Web: https://www.kanzlei-scheibeler.de
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


Das Urteil des AG Passau sowie die ähnlichen Urteile des LG Traunstein, 4 T 263/09 sowie des AG München, 1504 IK 600/10, dürften auf Ihren Fall nicht ohne weiteres anwendbar sein, da dort mit einer EG-Verordnung über die internationale Zuständigkeit in Insolvenzsachen argumentiert wird. Sie wohnen aber nach Ihrer Mitteilung nicht in Europa. Es müsste hier zunächst geprüft werden, welche internationalen Abkommen zu dieser Frage mit Ihrem Wohnsitzstaat getroffen worden sind. Mir wird hier vom System nur ein Ort, aber kein Land angezeigt. Wenn ich den Ort aber bei Google eingebe, finde ich nur etliche Hinweise auf einen offenbar gleichnamigen Ort, der sich in Großbritannien und damit in der EG befindet. Ggf. können Sie hier weitere Ausführungen im Rahmen der Nachfragefunktion machen.

Sie teilen mit, dass an Ihrem Wohnsitz keine Pflicht zur Abführung von Sozialabgaben besteht. In diesem Fall werden Sie aber vermutlich so etwas wie eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben. Selbst bei Anwendung von deutschem Recht ist aber anerkannt, dass eine private Krankenversicherung das pfändbare Einkommen mindert, soweit diese nicht im Vergleich zu einer gesetzlichen Krankenversicherung überteuert ist. Ggf. ist dies auch ein Ansatz, über den Sie eine Einigung mit dem Insolvenzverwalter erzielen können.

Möglicherweise könnten Sie bei Anwendung des deutschen Rechts einen Antrag auf Anhebung des unpfändbaren Betrags gemäß § 850 f ZPO stellen, wenn Sie nachweisen können, dass an Ihrem Wohnort der Euro quasi nur die Hälfte wert ist.

Ich habe noch überlegt, ob Sie sich in die Gefahr begeben, sich den Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung auszusetzen, wenn Sie hier mit dem Insolvenzverwalter Streit anfangen, und so die Restschuldbefreiung riskieren und die Schulden nicht "los" würden.. Nach weiter Prüfung betrifft die Pflicht zur Abführung des pfändbaren Betrags aber Ihren Arbeitgeber, sie müssen dem Treuhänder nur die notwendigen Auskünfte über Ihre Bezüge erteilen, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO . Wenn der Treuhänder der Ansicht wäre, dass Ihr Arbeitgeber zu wenig überweist, würde dieser haften und müsste notfalls verklagt werden. Gleichwohl würde ich vorsichtig agieren und versuchen, mich mit dem Treuhänder zu einigen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Elke Scheibeler, Rechtsanwältin


Rechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Ergänzung vom Anwalt 25. September 2012 | 16:10

Sehr geehrter Fragesteller,

nach Beantwortung der Frage habe ich jetzt eine Straße angezeigt bekommen, die mir den Schluss erlaubt, wo Sie wohnhaft sind.
Ich kann Ihnen jetzt mitteilen, dass Ihr Wohnsitzland wohl das UNCITRAL-Abkommen über internationale Insolvenzverfahren anerkannt hat, wobei wohl noch im Einzelnen geprüft werden müsste, ob auch der jeweilige Bundesstaat dieses Abkommen auch anerkannt hat. Es bestehen also grundsätzlich Aussichten, dass ihr deutsches Insolvenzverfahren an Ihrem Wohnsitz und von Ihrem Arbeitgeber anerkannt wird.

Bei der Beantwortung Ihrer Frage, ob deutsches Recht oder das Recht Ihres Wohnsitzlandes auf die Berechnung des unpfändbaren Einkommens anwendbar ist, hilft diese Erkenntnis aber nicht weiter, da diese Frage auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten außerhalb der EG umstritten ist.

Verhandlungsmöglichkeiten mit dem Insolvenzverwalter bei Anwendung des deutschen Rechts habe ich Ihnen aufgezeigt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Scheibeler

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