Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage auf der Grundlage des von Ihnen geschilderten Sachverhalts wie folgt:
I.
Der Haken ist folgender: Die Website wirbt u.a. damit, dass eine Anreise nicht nötig ist. Jedoch hat der EuGH in einer Grundsatz-Entscheidung aus diesem Jahr betont, dass das Wohnsitzkriterium erfüllt sein muss (dazu gleich unten mehr).
Insoweit könnte es sich um irreführende Werbung handeln. Mit der neuesten Rechtsprechung des EuGH soll eben keine grenzenlose Anerkennung der im EU-Ausland erworbenen EU-Führerscheine erfolgen. Der sogenannte Führerscheintourismus soll gerade nicht stattfinden.
Wie seriös die Website ist, sollte von Verbraucherschutkreisen nach eingehenden Untersuchungen und Recherchen entschieden werden. Mehr kann und will ich dazu aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht sagen.
II.
Gemäß § 28 Abs. 4 Ziffer 3 FeV sind ausländische Führerscheine (also auch EU-Führerscheine) dann nicht anzuerkennen, wenn zuvor in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden war.
Die Regelung hielt der EuGH nunmehr nicht mehr als europarechtskonform. Doch die ganzen Werbungen im Internet hinsichtlich des Führerscheintourismus innerhalb der EU sind mit Vorsicht zu genießen. Die entsprechende Führerscheinrichtlinien verbieten nur dann eine Nichtanerkennung des Führerscheins, wenn der ordentliche Wohnsitz im Ausstellerstaat bestanden hat und eine etwaige Sperrfrist abgelaufen ist. Bei Ihnen ist ja die Sperrfrist mittlerweile abgelaufen.
Alleinige Voraussetzung für eine Anerkennung ist demnach nu noch, dass Sie Ihren (Zweit-)Wohnistz in England haben bzw. hatten.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)hatte entschieden, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörden dem Inhaber eines ausländischen EU-Führerscheins das Recht entziehen können, von dieser Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, wenn Ermittlungen bei den Behörden des Ausstellermitgliedstaates von dort herrührende unbestreitbare Informationen ergeben, dass der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Erteilung dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellermitgliedstaat hatte.
Auf dieser Website wird aber m.E. mit der Angabe "185-Tage" das Wohnsitzkriterium umgangen. Ob die englischen Behörden, ohne eine nähere Prüfung dann einfach eine Führeschein erstellen, dürfte zumindest anzuzweifeln sein.
Originaltext des EuGH:
"...Somit besteht für eine Person, deren Führerschein in einem Mitgliedstaat entzogen wurde und die sodann ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, die einzige Möglichkeit, einen neuen Führerschein im Einklang mit den Richtlinien 91/439 und 2006/126 zu erwerben, darin, sich an die zuständigen Behörden des neuen Wohnmitgliedstaats zu wenden."
III.
Wenn das Wohnsitzkriterium erfüllt ist, können die deutschen Begörden auch keine MPU mehr von Ihnen verlangen.
Ein Beschluss des EuGH, resultierend aus einer Vorlagefrage stellte fest, dass nach Erteilung einer ausländischen Fahrerlaubnis keine Eignungszweifel durch deutsche Behörden angemeldet werden dürfen, wenn sie sich auf Vorgänge beziehen, die vor der Erteilung des ausländischen Führerscheins liegen.
Originaltext EuGH:
"Überdies hat der Gerichtshof wiederholt ausgeführt, dass es Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats (Also hier in Ihrem Fall: ENGLAND) ist, zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist (vgl. Urteile Schwarz, Randnr. 76, und Grasser, Randnr. 20).
Haben die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 ausgestellt, sind die anderen Mitgliedstaaten (Also hier in Ihrem Fall: DEUTSCHLAND) nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag seiner Ausstellung diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. u. a. Urteile Schwarz, Randnr. 77, und Grasser, Randnr. 21)."
Die deutschen Behörden müssten demnach Ihnen dann den englischen Führerschein umschreiben, ohne Ihnen eine vorherige MPU aufzuerlegen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einen ersten rechtlichen Überblick verschaffen konnte.
Abschließend weise ich Sie darauf hin, dass die hiesige Beratungsplattform die Beratung durch einen Rechtanwaltskollegen vor Ort nicht ersetzen kann, sondern lediglich dazu dient, dem Mandanten eine grobe rechtliche Einschätzung zu verleihen.
Das Weglassen und bzw.oder Hinzufügen von relevanten Angaben kann eine völlig andere rechtliche Bewertung nach sich ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirli
(Rechtsanwalt)
Antwort
vonRechtsanwalt Serkan Kirli
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Sehr geehrter Fragesteller,
ergänzend füge ich noch hinzu, dass diese englischen Führerscheine das Geld nicht Wert sind.
Hierzu gibt es auch eine Entscheidung des OLG Oldenburg (Urt. vom 19.09.2011, Az: 1 Ss 116/11
).
"Der britische Führerschein des Angeklagten weist nach den Feststellungen des Landgerichts unter Ziffer 12. hinter den Fahrzeugklassen B und BE jeweils den Code „70D" auf, der gemäß dem Anhang der insoweit übereinstimmenden EURichtlinien 91/439/EWG („2. EUFührerscheinRichtlinie") und 2006/126/EG („3. EUFührerscheinrichtlinie") als harmonisierter Gemeinschaftscode den Umtausch eines deutschen Führerscheins bedeutet."
In der Entscheidung heisst es weiterhin:
"...Die gemäß Artikel 8 Abs. 1 der zum Zeitpunkt der Ausstellung (vor dem 19. Januar 2009) noch gültigen (vgl. Art. 18 der Richtlinie 2006/126/EG) 2. EUFührerscheinRichtlinie im Falle des Umtausches des Führerscheins dem ausstellenden Mitgliedsstaates obliegende Prüfung der Gültigkeit des Führerscheins ist nicht der Prüfung bei (Neu) Erteilung einer Fahrerlaubnis gleichzusetzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 08.05.2009, 12 ME 47/09
, NZV 2009, 469
). Dementsprechend handelt es sich bei dem britischen Führerschein nicht um eine neu erteilte Fahrerlaubnis, sondern lediglich um ein neues Dokument, das bisher erteilte Fahrerlaubnisse ausweist. Die bloße Ausstellung der Beweisurkunde „Führerschein" bewirkt deshalb nicht, dass der Betroffene allein dadurch eine Fahrerlaubnis erlangt. .."
Die Umschreibung eines nicht vorhandenen Führerscheins funktioniert demnach nicht. Von daher würde ich Ihnen abraten, den Weg über den englischen Führerschein zu bestreiten.
Den Vollzeit der Entscheidung können Sie unter folgendem Link lesen:
http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/root.php4?_gerichtstyp=OLG&_ort=Oldenburg&_spruchkoerper=01.+Strafsenat&_az=&neuseit=0&_datum=2011-09-1&entdat=ab&_typ=&_norm=&_schlagwoerter=&suchwort=&suchopt=text&button=SUCHEN&adm=&lid=
Mit freundlichen Grüßen
Kirli
(Rechtsanwalt)