Equal Pay Krankenhaus

8. Mai 2011 15:27 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von


10:12

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wende mich hier als Jurist an Juristen.
Ich möchte meine Frau in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht vertreten, bin mir aber unsicher, ob sich der Arbeitsaufwand auch lohnt. Da ich im Arbeitsrecht keine erweiterten Kenntnisse besitze, hoffe ich auf diesem Wege eine grobe Einschätzung meiner Erfolgsaussichten zu erhalten.

Es geht hier grundsätzlich um die Nachzahlung einer tariflichen Vergütung und Sonderzahlungen aufgrund des Equal Pay Grundsatzes.

Meine Frau ist seit dem 01.06.2006 als Diätassistentin in einem Evangelischen Klinikum beschäftigt. Im ersten Jahr bestand ein befristeter Arbeitsvertrag mit dem Klinikum. Angesichts der Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses hat meine Frau seit dem 01.07.2007 einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer dem Klinikum als 100%ige Tochter zugehörigen Diensleistungs-GmbH abgeschlossen, verwaltet wir das Arbeitsverhältnis von einer Cleaners GmbH Oberhausen . Die Tochterfirma besitzt keine Erlaubnis nach AÜG und es gilt kein Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis mit meiner Frau.
Soweit so typisch. Letztendlich arbeitet meine Frau unter den gleichen Bedingungen wie vorher - dieselbe Arbeit mit denselben Vorgesetzten. Lediglich die Gehaltszettel werden von der Tochterfirma erstellt.
Die Mitarbeitervertretung hatte Ihre Zustimmung nur für eine kurzzeitige Befristung erteilt.

Später hat die Mitarbeitservertretung herausgefunden, dass meine Frau bei der Dienstleistungs GmbH ohne deren Zustimmung unbefristet beschäftigt ist und im Juli 2010 ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, wo dann rechtskräftigt beschlossen wurde, dass
„ die Beteiligte zu 2 mit der Beschäftigung der Frau… seit dem 01.01.2008 das Beteiligungsrecht der Beteiligten zu 1 verletzt hat und die Beteiligte zu 2 Frau.. nicht beschäftigen darf, solange die Mitarbeitervertretung der Beschäftigung nicht zugestimmt oder das Kirchengericht nicht festgestellt hat, dass der Beteiligten zu 1 ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung nicht zusteht.".

In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass meine Frau eigentlich organisatorisch weiterhin im Krankenhaus beschäftigt ist und die Tochter GmbH gar keinen Einfluss auf Ihre Arbeit hat.
Im Übrigen denkt das Krankenhaus gar nicht daran meine Frau anderweitig zu beschäftigen und ignoriert den unangefochtenen Schlichtungsbeschluss einfach.
Meine Frau hat das Arbeitsverhältnis deshalb gekündigt und ich prüfe, ob wir hier noch Ansprüche gegenüber der Tochter GmbH und dem Krankenhaus geltend machen können.
Falls ein Kollege hier wirkliche Chancen sieht, würde ich einen Auskunftsanspruch an das Krankenhaus stellen um den Anspruch der Höhe nach feststellen zu können.
Den Anspruch dem Grunde nach würde ich gegenüber der Tochter GmbH geltend machen und notfalls beide vor das Arbeitsgericht ziehen.
Daher meine Frage:

Könnten hier durchsetzbare Ansprüche nach dem equal pay Grundsatz bestehen?

8. Mai 2011 | 16:08

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:

Soweit das Arbeitsverhältnis mit der Tochter-GmbH hier gekündigt worden ist, stellt sich die Frage, ob dieses überhaupt möglich war, wenn dieses ggf. eben gar keinen Bestand hatte.

Ich kenne natürlich den Schlichtungsspruch nicht in allen Einzelheiten, aber nach Ihrer Mitteilung geht dieser dahin, dass Ihre Frau weiterhin im Klinikum beschäftigt war.

Die Frage ist daher diejenige danach, ob dann nicht das alte Arbeitsverhältnis weiter Bestand hatte, weil im Innenverhältnis zum Klinikum diese keine Zustimmung der Tochter-GmbH gegeben hatte.

Möglich ist aber das Vorliegen eines sogenannten faktischen Arbeitsverhältnisses:

Ein faktisches oder auch fehlerhaftes Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer ohne rechtswirksamen Arbeitsvertrag gleichwohl Arbeit leistet.

Nach der ständigen Rechtssprechung des BAG wird ein solches Arbeitsverhältnis mit allen beiderseitigen Rechten und Pflichten wie ein fehlerfreies Arbeitsverhältnis behandelt. Die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer richten sich also während des Vollzugs des faktischen Arbeitsverhältnisses nach den gleichen gesetzlichen Vorschriften, die für ein wirksames Arbeitsverhältnis gelten, was dann auch für die Beendigung gilt.

Das Problem ist nur hier, dass möglicherweise aufgrund des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses möglicherweise die Rechte und Pflichten des alten Arbeitverhältnisses fortgelten.

Ich meine aber, dass dieses aufgrund der selbstständigen Befristung des alten Arbeitsverhältnisses eigentlich nicht stattfinden kann, so jedenfalls meine erste Einschätzung.

Damit sind also wohl die Rechte und Pflichten des neuen (faktischen) Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen.

Dieses gilt dann insbesondere auch für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Möglicherweise enthält der Vertrag mit der Tochter-GmbH eine Ausschlussfrist für die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis im außer- und gerichtlichen Bereich, was unbedingt nachzusehen wäre, damit Ansprüche rechtzeitig erhoben werden und nicht ausgeschlossen sind.

Die Frage ist aber auch noch, ob Ihre Frau mit der „Kündigung" nur erreichen wollte, dass dieses wohl anscheinend unwirksame Arbeitsverhältnis mit der Tochter-GmbH aufgelöst wird und Sie von dem Klinikum beschäftigt wird. Insofern müsste die Kündigungserklärung genau und sorgfältig ausgelegt werden.

Dieses dürfte somit entscheidend sein.

Aufgrund der oben genannten Grundsätze über das faktische Arbeitsverhältnis dürften aber im Ergebnis tatsächlich Ihrer Frau – für die Vertragszeit – keine Nachteile entstehen.

Da Sie den equal pay Grundsatz in Ihrer Anfrage erwähnten, ist auch eine gleichartige (der Höhe nach) Bezahlung Ihrer Frau festzustellen. Insofern macht der Auskunftsanspruch durchaus Sinn, kann zweckmäßigerweise gleich mit einem (außer-)gerichtlichem Leistungsantrag verbunden werden, also:

- Auskunft über die Höhe des mtl. Lohns;
- Leistung des im Wege der Auskunft ermittelten Lohns;

Meines vorläufigen Erachtens dürfte aber zunächst erstmal der Lohn maßgeblich sein, der im (unwirksamen, aber faktisch durchgeführten) Arbeitsvertrag steht.

Diese Lohnvereinbarung müsste natürlich ansonsten wirksam sein.

Natürlich dürfte der Umweg über die Tochter-GmbH nicht dazuführen, dass sittenwidrige Löhne gezahlt werden.

Ich rate Ihnen an, den schriftlichen Arbeitsvertrag Ihrer Frau und den Schlichtungsbeschluss genau prüfen zu lassen, da man alles Weitere nur anhand dessen prüfen und abschließend einschätzen kann.

Ich stehe Ihnen dabei gerne zur Verfügung, wobei Ihnen die hier gezahlte Erstberatung angerechnet und gutgeschrieben würde.

Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.


Rechtsanwalt Daniel Hesterberg

Rückfrage vom Fragesteller 8. Mai 2011 | 19:49

Vielen Dank für die schnelle Beantwortung.

Ausschlussfristen sind hier kein Thema. Das hatte ich als erstes geprüft und war auch meine größte Sorge. Der Lohn ist auch nicht sittenwidrig-die Bezahlung blieb mit dem Wechsel in die Tochter GmbH im wesentlichen gleich - da in der "neuen Firma" kein Tarifvertrag gilt, gab es aber keine tariflichen Gehaltserhöhungen und es unterbleib die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (das würden wir gerne nachgezahlt haben).
Die Kündigung erfolgte aus persönlichen Gründen.
Der Schlichtungsspruch besagt nur, dass das Mitbestimmungsrecht der MAV verletzt wurde. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts berührt nicht das Arbeitsverhältnis meiner Frau (das würde nur funktionieren, wenn ich nachweisen könnte, dass die Tochterfirma gewerbliche Zeitarbeit betreibt)- hier handelt es sich auch um kirchliches Arbeitsrecht, d.h die Entscheidung ist dummerweise nicht vollstreckbar.
Das mit dem faktischen Arbeitsverhältnis könnte die richtige Richtung sein. Bloß wie begründen ? Wie kann ich begründen, dass der unbefristete Vertrag mit der Tochter GmbH unwirksam/anfechtbar ist?

Die Antwort eilt nicht und ich bedanke mich schon einmal im Voraus und wünsche Ihnen noch ein schönes Restwochenende.


Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Mai 2011 | 10:12

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:

In Ordnung, das hilft mir weiter, ich weiß jetzt, um welche konkreten Ansprüche es Ihnen geht.

Zum Nachweis des faktischen Arbeitsverhältnis genügt meines Erachtens der Beleg, dass Ihre Frau dort gearbeitet hat, also bei der Tochter-GmbH, was an sich unstreitig sein sollte.

Wie es dann in Bezug auf vergleichbare tarifvertragliche Ansprüche ist, ist in der Tat prüfenswert, wenn nämlich dann Ihr Frau eigentlich organisatorisch weiterhin im Krankenhaus beschäftigt ist, wie Sie mir mitteilten und was im Entscheid der Schlichtungsstelle steht.

Ich werde mir die Sache nochmals überlegen und näher ansehen müssen und mich dann gesondert bei wieder melden.

Sie können dann meine weitere Antwort hier abrufen.

Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt

Ergänzung vom Anwalt 8. Mai 2011 | 16:11

Sehr geehrter Fragesteller,

Sie können auch gerne noch von der hier kostenlos möglichen Nachfragefunktion Gebrauch machen.

Im Rahmen dessen kann ich Ihnen noch Weiteres mitteilen.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt

Ergänzung vom Anwalt 22. Juni 2011 | 17:41

Sehr geehrter Fragesteller,

folgende Ergänzung erhalten Sie noch, wie ich Ihnen angekündigt hatte:

Wie gesagt, ich würde zunächst eine Stufen- oder isolierte Auskunftsklage prüfen:

- Auskunft über die Höhe des mtl. Lohns;
- Leistung des im Wege der Auskunft ermittelten Lohns;

Der Lohn ist allerdings prüfenswert, ist er sittenwidrig, hätte er nach einem einschlägigen Tarifvertrag insbesondere gezahlt werden müssen oder wurden sonst wie gesetzlich zwingende Bestimmungen übergangen.

Da aber wohl Ihre Frau eigentlich organisatorisch weiterhin im Krankenhaus beschäftigt war und die Tochter GmbH gar keinen Einfluss auf Ihre Arbeit hatte, fragt sich tatsächlich, ob nicht Sie Anspruch auf Zahlung von Lohn vergleichbarer Arbeitnehmer im Krankenhaus hat – dieses ist meine derzeitige Einschätzung.

Denn dann wäre tatsächlicher Arbeitgeber das Krankenhaus gewesen, nicht die insoweit vorgeschobene Tochter-GmbH.

Dieses wird eine Wertungseinschätzung des Arbeitsgerichts sein.

Insofern müsste ich aber den Schlichtungsbeschluss und nähere Angaben über die (vergleichbaren) Arbeitsverhältnisse haben, um Näheres sagen zu können.

Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt

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