Zugewinnausgleich Fallbeispiel ETW + Haus

31. August 2023 16:54 |
Preis: 84,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von


14:27
Sehr geehrte Anwältin, Sehr geehrter Anwalt,

meine Frau und ich trennen uns zum zweiten Mal. Beim ersten Mal hatte sie mich für ca. 5 Jahre verlassen, ohne Scheidung, jetzt trennen wir uns einvernehmlich und Scheidung ist anzunehmen.

Deshalb habe ich die Frage wie in unserem Fallbeispiel ein Zugewinnausgleich berechnet würde.

Fall 1:
Vor unserer Eheschließung hatte ich eine ETW gekauft.
Anfangskapital = 0€, Kaufpreis = 70.000€, Hypothek = 90.000€, Restschuld aktuell = 22.000€, aktueller Verkaufswert ca. 140.000€
Die Hypothek ist höher ausgefallen, da auch Makler, Notar, Grundbuch, Renovierung finanziert werden mussten. Im Grundbuch stehe ich alleine und ich bin auch alleiniger Darlehensnehmer.

Fall 2:
Nach der Eheschließung haben wir ein Reihenhaus gekauft.
Mitgebrachtes Kapital durch mich 30.000€ (Anfangskapital Ehefrau = 0€), Kaufpreis = 130.000€, Hypothek = 120.000€, Restschuld aktuell = 69.000€, aktueller Verkaufswert ca. 250.000€
Mit den 30.000€ Anfangskapital wurden Notar, Grundbuch, Renovierung bezahlt.
Im Grundbuch stehe ich seit 8 Jahren alleine und ich bin auch alleiniger Darlehensnehmer.

Fall 2.1: In den ersten 2 Jahren stand meine Frau mit im Grundbuch und war auch Teil-Darlehensnehmerin.
Wie Eingangs erwähnt hatte sie mich verlassen, woraufhin ich einen notariellen Übertragungsvertrag veranlasste. Dieser besagte, dass sie alle Rechte und Pflichten ohne weitere Ansprüche auf mich überträgt. Seit dem stehe ich alleine im Grundbuch und bin alleiniger Darlehensnehmer.

Fall 3: Meine Frau hat während unserer 5-jährigen Trennung (getrennt lebend) einen Kredit aufgenommen. Da ich bessere Zinskonditionen bekomme, habe ich einen Kredit aufgenommen und ihren abgelöst. Restschuld aktuell 23.000€

Meine Ersparnisse sind immer in Haus und Wohnung geflossen. D.h. Berechnung nach oben geschilderten Werten.

Über Erläuterung unserer Fallbeispiel mit Berechnung würde ich mich sehr freuen.

MfG
M.A.G.

31. August 2023 | 17:46

Antwort

von


(2333)
Aachener Strasse 585
50226 Frechen-Königsdorf
Tel: 02234-63990
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E-Mail: mail@ra-raab.de
Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:


1.

Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs muss für jeden Ehegatten das Anfangsvermögen und das Endvermögen festgestellt werden.

Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, das jeder Ehegatte zum Stichtag der Eheschließung hat. Der maßgebende Stichtag für die Ermittlung des Endvermögens ist der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags beim Antragsgegner.

Damit hat man also 2 präzise Stichtage, nämlich der Tag, an dem die Eheleute geheiratet haben und – für das Endvermögen – der Tag, an dem das Gericht dem Ehegatten, der den Scheidungsantrags nicht gestellt hat, den Scheidungsantrag zustellt.

Auf diese beiden Stichtage kommt es an. Was zwischen diesen Stichtage geschehen ist, ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, wie beispielsweise Schenkungen seitens der Eltern, unbeachtlich.


2.

Soweit Sie Ihre Frage in verschiedene Fälle aufgliedern, sind das keine unterschiedlichen Fälle für die Berechnung des Zugewinnausgleichs. Für die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist, wie oben schon gesagt, die Ermittlung des Anfangsvermögens und des Endvermögens maßgeblich.

Wir haben hier also einen Fall, nämlich Ihre Ehe vom Tag der Heirat bis zum Tag der Zustellung des Scheidungsantrags.


3.

Bei der Ermittlung des Anfangsvermögens sind alle Vermögenswerte, und das gilt selbstverständlich auch für das Endvermögen, zu berücksichtigen.

Geht man davon aus, dass Sie bei der Eheschließung als einzigen Vermögenswert die Eigentumswohnung hatten, ist der Verkehrswert der Eigentumswohnung abzüglich bestehender Schulden als Anfangsvermögen heranzuziehen.

Wenn man also den Kaufpreis von 70.000 € als den seinerzeitigen Verkehrswert betrachtet, muss man die Schulden berücksichtigen, wobei ich hier von 90.000 € ausgehe. Im Ergebnis würde das, ihren Beispielsfall zu Grunde gelegt, bedeuten, dass Sie ein negatives Anfangsvermögen von 20.000 € in die Ehe „eingebracht" haben.

Da Sie zum Anfangsvermögen Ihrer Ehefrau keine Angaben machen, unterstelle ich, dass deren Anfangsvermögen bei 0 € liegt.

Bezüglich des Endvermögens ist auf Ihrer Seite der Verkehrswert der Eigentumswohnung zu berücksichtigen und auch der Verkehrswert des Reihenhauses. Das Reihenhaus, das in Ihrem alleinigen Eigentum steht, hat nach Ihren Angaben einen Verkehrswert von 250.000 €.

Sodann bestehen noch Schulden von 69.000 €, so dass sich das Endvermögen auf 181.000 € beläuft (250.000 € abzüglich 69.000 €). Hinzu kommen noch Schulden aus dem Kredit von 23.000 €, so dass sich ihr Endvermögen auf 158.000 € abzüglich der Schulden beim Anfangsvermögen von 20.000 €, mithin auf 138.000 € beläuft.

Ihre Ehefrau hat nach Ihren Angaben kein Endvermögen, d.h. sie hat während der Ehezeit kein Vermögen erwirtschaftet.


4.

Wenn ich also nur diese Zahlen, die Sie in Ihrem Beispielsfall genannt haben, zu Grunde lege, haben Sie ein Endvermögen von 138.000 € und Ihre Ehefrau kein Endvermögen mit der Folge, dass Sie Ihrer Ehefrau hälftig zum Ausgleich verpflichtet sind. Sie müssen also nach dieser Rechnung 69.000 € an Ihre Ehefrau zahlen.

Die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist im Detail wesentlich komplizierter als ich das hier dargestellt habe. Meine Darstellung zeigt aber, wie der Zugewinnausgleich berechnet wird und welche Stichtage heranzuziehen sind.


Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 1. September 2023 | 12:33

Sehr geehrter Herr Raab,

zunächst vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme.
In Ihrer Rechnung haben Sie den aktuellen Wert der ETW leider nicht einbezogen.
Ich meine in einem anderen Post gelesen zu haben, dass bei Immobilien, die vor der Ehe erworben wurden nur die Wertsteigerung in den Zugewinn einfließt, ist das richtig?
Demzufolge könnte man doch die ETW als Anfangskapital annehmen, oder?
Meine Frau hat hauptsächlich in reduzierter Stundenzahl gearbeitet, weshalb die Annahme 0€ Kapital richtig ist.

Wäre diese Rechnung dann ungefähr korrekt?
Anfangsvermögen (AV): 70.000€ ETW, Kauf vor Ehe

Endvermögen (EV) entsprechend nachfolgender Aufstellung in Summe: 276.000€
+140.000€ ETW, aktueller Schätzwert
- 22.000€ ETW, Restschulden
+250.000€ Reihenhaus, aktueller Schätzwert
- 69.000€ Reihenhaus, Restschulden
- 23.000€ Privatkredit

EV-AV: 276.000€ - 70.000€ = 206.000€. D.h. meiner Frau würden hälftig 103.000€ zustehen?


MfG
M.A.G.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 1. September 2023 | 14:27

Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:


1.

Es trifft zu, dass dann, wenn ein Ehegatte vor der Eheschließung eine Immobilie besessen hatte, nur die Wertsteigerung beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist.


2.

Beim Anfangsvermögen müssen Sie aber die Schulden berücksichtigen, also 90.000 €.

Und beim Endvermögen die Wertsteigerung der Eigentumswohnung.

Aber selbst wenn man so rechnet, erhält man nur eine überschlägige Schätzung. Schließlich muss auch eine Indexierung vorgenommen werden.


Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt

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