Antwort
vonRechtsanwalt Thomas Henning, Wirtschaftsjurist
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Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Unter Zugrundelegung des geschilderten Sachverhalts beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
1) Eigentum an der Abwasserleitung
Grundsätzlich erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück auch auf dessen wesentliche Bestandteile, §§ 93, 94, 946 BGB. Ein wesentlicher Bestandteil ist demnach jede Sache, die nicht von einer anderen getrennt werden kann, ohne dass ihre wesentlichen Eigenschaften verloren gehen. Dies ist nach der Rechtsprechung bei Ver- und Entsorgungsleitungen von Grundstücken der Fall (BGH V ZR 35/05). Demnach wäre die Leitung grds. ein wesentlicher Bestandteil des ehem. städtischen Grundstücks und stünde im Eigentum des dortigen Eigentümers.
Nach der zitierten Rechtsprechung kann die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil entgegen dem Schrifttum aber durch Parteivereinbarung aufgehoben werden, so dass die Leitungen „nur" noch sog. Scheinbestandteile darstellen, die durchaus im Eigentum eines anderen als des Grundstückseigentümers stehen können. Da über eine solche Vereinbarung nichts bekannt ist, sei nur der Vollständigkeit halber auf diese Möglichkeit hingewiesen.
2) Übergabepunkt
Die örtlichen Gegebenheiten verstehe ich wie folgt:
-> aus Ihrem Grundstück (und ebenso anderen) mündet die Abwasserleitung in eine Abwasserleitung, die auf öffentlichem Grund liegt;
-> anschließend mündet die Abwasserleitung vom öffentlichen Grund in eine Leitung, die auf Privatgrund liegt;
-> schließlich mündet die Abwasserleitung in den öffentlichen Abwasserkanal, der wieder auf öffentlichem Grund liegt.
Nach der Definition Ihres Zweckverbands kommt es für die Bestimmung des Übergabepunktes auf den ersten öffentlichen ANSCHLUSS-Kanal an. D.h. es kommt gerade nicht (nur) darauf an, wann die Leitung das erste Mal öffentlichen Grund passiert. Ausweislich der Satzung des für Sie zuständigen Zweckverbands wird der Abwasserkanal definiert als „die Leitung vom Kanal bis zum Kontrollschacht an der Grundstücksgrenze bzw. soweit kein Kontrollschacht vorhanden ist, die Leitung vom Kanal bis zur Grundstücksgrenze. Bei mehreren hintereinander liegenden Grundstücken endet der Grundstücksanschluss am Schnittpunkt des Anschlusskanals mit der ersten Grundstücksgrenze unabhängig davon, ob auch ein oder mehrere hinter dem ersten Grundstück liegende Grundstücke über diese Leitung an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen sind." Nach dieser Definition läge der Übergabepunkt an der Grenze Straße/ehem. städtisches Grundstück.
3) Bestellung Dienstbarkeit
Die Bestellung einer Dienstbarkeit bedarf grds. der Einigung mit dem Eigentümer des künftig dienenden Grundstücks, § 873 BGB. Dieser Grundsatz gilt auch in Ihrem Fall, da die Vorschriften des GBBerG nicht (mehr) anwendbar sind. So waren grds. nicht eingetragene dingliche Rechte bis spätestens 1995 in einer dem allgemeinen Immobilienrecht entsprechenden Weise zu fixieren (§ 8 GBBerG), anderfalls erloschen diese Rechte per 01.01.1996. Als Ausnahme dazu kann § 9 GBBerG angesehen werden, der jedoch nur Rechte zugunsten von Versorgungsunternehmen betraf und demzufolge auch nur beschränkte PERSÖNLICHE Dienstbarkeiten (und eben keine Grunddienstbarkeiten) entstehen ließ.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Thomas Henning, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Thomas Henning, Wirtschaftsjurist
Vielen Dank für Ihre schnelle Antwort,
ich hätte zu Antwort 1 und 3 noch folgende Frage.
Zu 1. Bedeutet das, wenn keine Parteivereinbarung zur Aufhebung des wesentlichen Bestandteiles (Abwasserleitung) getroffen wurde, gehört die Leitung dem Privaten Käufer des städtischen Grundstückes auch wenn nichts darüber im Grundbuch steht?
Zu 3. Gibt es in diesem Fall noch eine andere rechtliche Möglichkeit die Dienstbarkeit nachträglich eintragen zu lassen.
Vielen Dank
Hallo
und vielen Dank für die Nachfragen, die ich gerne wie folgt beantworte:
zu 1)
Ohne eine entsprechende Parteivereinbarung gehört der Teil der Leitung, die über das Privatgrundstück führt, in der Tat dem Grundstückseigentümer. Der Teil, der über den städtischen Weg führt, gehört demzufolge der Stadt.
zu 2)
Es verbleibt grds. bei der Vereinbarung einer entsprechenden Dienstbarkeit durch die Parteien. Sollte allerdings keine andere zumutbare Möglichkeit bestehen, Ihr Grundstück an das Abwassersystem anzuschließen, kommt über § 917 BGB in Verbindung mit §§ 26ff. ThürNRG ein sog. Notleitungsrecht in Betracht, welches im Zweifel aber eingeklagt werden müsste. Da ein Urteil den nachbarschaftlichen Frieden nicht gerade fördert und zudem nur inter partes gilt, also bei einem Verkauf des "Durchleitungsgrundstücks" ggf. neu erstritten werden muss, sollte die Möglichkeit des Notleitungsrechts nur das letzte Mittel darstellen und der Schwerpunkt auf der Vereinbarung einer Grunddienstbarkeit liegen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Henning
Rechtsanwalt