Vorladung als Zeuge, Termin der Verhandlung in Urlaubszeit

| 28. April 2022 15:24 |
Preis: 55,00 € |

Strafrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Es geht um Terminverlegung aus Sicht des Zeugen. Kurz vor dem Termin wird kaum ein Gericht eine langfristige und aufwändige Planung umzuwerfen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen einer früheren Tätigkeit in einer Flüchtlingsunterkunft wurde ich Zeuge eines Konflikts mit einem Bewohner. Der Bewohner verwehrte uns den Einlass bei einer Zimmerkontrolle, wurde aggressiv, warf mit seinem Mobiliar im Zimmer herum und beleidigte uns. Die Polizei wurde eingeschaltet und es wurde eine Anzeige wegen Beleidigung erstattet, in der mein Kollege und ich als Zeugen erwähnt wurden.

Nun erhielt ich eine Vorladung als Zeugin für Mitte Juni. Vom 01.06. bis einschließlich 28.06.2022 fahre ich mit meinem Mann in Urlaub nach Marokko. Da wir viel Gepäck haben fahren wir mit dem Auto, Hotels zur Übernachtung für unterwegs wollen wir noch planen, es gibt also noch keine Buchungen.

Ich möchte beim Amtsgericht einen "Antrag auf Abladung" stellen, falls so etwas möglich ist. Ich arbeite in einer kleinen Firma, ein anderes Zeitfenster für meinen Urlaub ist unmöglich, da ein weiterer Kollege, der mich vertritt zum Ende Juni gekündigt hat und eine weitere Kollegin in Mutterschutz gegangen ist. Der Geschäftsführer wird mir das schriftlich bestätigen.

Wie gehe ich hier vor und wie stehen die Chancen?

P.S. Ich kann mich kaum noch an den Vorfall erinnern und spreche auch kein arabisch, so dass ich die Beleidigungen hätte verstehen können. Mein mit mir anwesender Kollege hat in der Situation übersetzt. Im Anschluß habe ich für die Bezirksregierung mit Hilfe meines Kollegen eine "Meldung besonderer Vorkomnisse" verfasst, einzig und allein, weil ich mich als Muttersprachler besser ausdrücken kann. Diese "MBV" dürfte dem Gericht auch vorliegen.

Vielen Dank vorab!



Einsatz editiert am 28.04.2022 18:17:18
28. April 2022 | 19:07

Antwort

von


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Vorstadt 42
41812 Erkelenz
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E-Mail: ra-w.burgmer@online.de
Gerne zu Ihren Fragen:


[b]Vorab: [/b]Vor eigenmächtigem Fernbleiben rate ich dringend ab, weil ganz erhebliche Verfahrenskosten auf säumige Verfahrensbeteiligte zukommen können.

[i]§ 51 StPO Folgen des Ausbleibens eines Zeugen
(1) 1Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. 2Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. 3Auch ist die zwangsweise Vorführung des Zeugen zulässig; § 135 gilt entsprechend. 4Im Falle wiederholten Ausbleibens kann das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt werden.

(2) 1Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. 2Erfolgt die Entschuldigung nach Satz 1 nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, daß den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. 3Wird der Zeuge nachträglich genügend entschuldigt, so werden die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.[/i]


[i]Wie sind die Chancen einer Abladung/Terminsverschiebung?[/i]
Gewisse Privilegien genießt hier z.B: die Anwaltschaft:

OLG Braunschweig mit Beschluss vom 17.3.2008 (Qu.: Beck NJW-Spezial 18/2008): "Wird ein Antrag auf Terminsverlegung ohne angemessene Interessenabwägung (...pauschale und formularmäßige Berufung auf eine "enge Geschäftslage") abgelehnt, kann dies eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung i. S. von § 338 Nr. 8 StPO darstellen."

Im Umkehrschluss lässt sich daher unschwer folgern, dass für Sie als Zeuge oder Zeugin die Toleranzschwelle wesentlich höher angesiedelt ist. Denn sonst wäre in den klassischen Urlaubszeiten ein gewisser Stillstand der Strafrechtspflege zu besorgen.

In diesem Korridor bewegen sich Ihre Chancen, wobei es ein wichtiger Faktor sein kann, dass rechtzeitig um die Terminverlegung gebeten wird. Mit anderen Worten: Kurz vor dem Termin wird kaum ein Gericht eine langfristige und aufwändige Planung umzuwerfen. Bedenken Sie bitte, dass auch der Verteidiger des Angeklagten dabei ein Wort mitzureden hat.

Begründen Sie Ihre Bitte um Terminverlegung mit Ihren unter PS durchaus stichhaltigen Argumenten und legen Sie dazu eine Glaubhaftmachung Ihres Geschäftsführers vor. Schwachpunkt ist allerdings, dass Sie nicht fest gebucht haben, so dass das Gericht auch zu Ihren Ungunsten mit einem ggf. erweiterten Zeitfenster in Ihrer Firma abwägen kann.


Einen Anspruch (nebst Rechtsbehelfen) im engeren Rechtssinn haben Sie leider nicht:
Denn nach der Rechtsprechung ist Urlaub ggf. zu verlegen (OLG Jena NStZ-RR 1997, 333) bzw. zu unterbrechen oder vorzeitig abzubrechen (OLG Koblenz OLGSt StPO § 51 Nr. 2; OLG Dresden NStZ-RR 2015, 191).

Hat ein Zeuge indes rechtzeitig vor dem Termin einen Entschuldigungsgrund bei Gericht vorgebracht, befindet er sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum, wenn das Gericht ihn nicht unterrichtet, dass dieser vorgebrachte Grund nicht genügt.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Bewertung des Fragestellers 30. April 2022 | 09:39

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