Vertragstrafe im Arbeitsvertrag

22. März 2010 22:20 |
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Arbeitsrecht


Guten Tag,

ich habe ein Angebot für einen Arbeitsvertrag bekommen und bin mir bei einem Punkt nicht ganz sicher was ich davon halten soll. Die hohe Vertragsstrafe für den Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht und deren Formulierung erscheint mir etwas merkwürdig.
Bitte verstehen Sie das nicht falsch, ich möchte sicher keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben oder mir sonst irgendwas zu schulden kommen lassen. Mir erscheint nur der Betrag ziemlich hoch und die Formulierung "gilt in jedem Fall als Vereinbart" etwas "gefährlich"

Das Unternehmen ist ein mittelgroßer IT-Dienstleister und der Vertrag ist für eine Stelle als Netzwerktechniker.

Meine Frage dazu:

Ist eine solche Vertragstrafe rechtens, üblich und von der Höhe angemessen? (fast ein Jahresbrutto) Muss ich Angst haben, dass das Unternehmen auf Grund der Formulierung diese Summe für irgendwelche Kleinigkeiten (aus bösem Willen) geltend machen könnte oder kann ich den Vertrag mit gutem Gewissen so unterschreiben?

Anbei die relevanten Passagen aus dem Vertrag:


16. Vertragsstrafe

[...]
Verstößt der Mitarbeiter gegen die Verschwiegenheits-/Geheimhaltungsverpflichtung aus Ziff. 11, so gilt für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € als vereinbart.

Die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens bleibt vorbehalten.


11. Verschwiegenheitspflicht, Geheimhaltung

Der Mitarbeiter verpflichtet sich, über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens, insbesondere Herstellungsverfahren, Vertriebswege, künftige Entwicklungsvorhaben, Kundenlisten und dergleichen sowohl während der Dauer des Artbeiverhältnisses als auch nach seiner Beendigung Stillschweigen zu bewahren. Die Geheimhaltungspflicht erstreckt sich nicht auf solche Kenntnisse, die Jedermann zugänglich sind oder deren Weitergabe für das Unternehmen ersichtlich ohne Nachteil ist. Im Zweifelsfalle sind jedoch technische, kaufmännische und persönliche Vorgänge und Verhältnisse, die dem Mitarbeiter im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bekannt werden, als Geschäftsgeheimnisse zu behandeln. In solchen Fällen ist der Mitarbeiter vor der Offenbarung verpflichtet, eine Weisung der Geschäftsleitung einzuholen, ob eine bestimmte Tatsache vertraulich zu behandeln ist.
Die Schweigepflicht erstreckt sich auch auf Angelegenheiten anderer Firmen, Kunden und Geschäftspartnern, mit denen das Unternehmen wirtschaftlich Oder Organisatorisch verbunden ist.
Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht den Mitarbeiter in seinem beruflichen fortkommen unangemessen hindern, hat der Mitarbeiter gegen das Unternehmen einen Anspruch auf Freistellung von dieser Pflicht.
Die betrieblichen Sicherheitsbestimmungen sind zu beachten. vertrauliche und geheim zu haltende Unterlagen, Schriftstücke, Zeichnungen, Modelle, Programme, Software usw. sind sicher gegen Kenntnisnahme durch unbefugte Personen aufzubewahren und erforderlichenfalls unter Verschluss zu halten


Vielen Dank für Ihre Mühe!
Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Frage.

Das BAG hat entschieden, dass Vertragsstrafen in vorformulierten Arbeitsverträgen zulässig sind vgl. (BAG 4.3.2004, 8 AZR 196/03).

Es findet eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB statt.

Ist die Strafe unverhältnismäßig hoch, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor.

Das BAG legt bei den Vertragsstrafenklauseln einen strengen Maßstab an, um den AN zu schützen vgl. BAG vom 14.8.2007 8 AZR 973/06.

Üblich sind Strafen von einem Bruttomonatsgehalt bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot oder die Verschwiegenheitspflicht.

Für eine solch massive Höhe der Strafe, wie in Ihrem Fall, müsste ein besonderes Interesse des AG nachweisbar sein. Abgesehen von der Höhe, halte ich auch die Formulierung für problematisch, weil nicht genau klar wird, wann ein Fehlverhalten gegeben ist. Die Klausel ist zu weitreichend, um eine Begrenzung erkennen zu lassen.

Als Folge nimmt die Rechtsprechung die Unwirksamkeit der gesamten Vertragsstrafenklausel an, es findet keine Geltungserhaltende Reduktion statt.

Sie können nach meiner Auffassung den Vertrag unterschreiben, weil die Klausel unwirksam sein dürfte.



Rückfrage vom Fragesteller 23. März 2010 | 18:48

Sehr geerter Herr Wöhler,

vielen Dank für die schnelle Antwort.

Sie schreiben die Vertragsstrafe sei unverhältnismäßig hoch, raten mir jedoch den Vertrag dennoch zu unterschreiben, da die VS wahrscheinlich unwirksam wäre.
Ich nehme jedoch auch an, dass der AG den Vertrag nicht ohne juristische Unterstützung aufgesetzt hat...

Wie sicher sind Sie, dass die Klausel tatsächlich unwirksam ist?

Angenommen Sie wäre NICHT unwirksam, müsste ich dann befürchten, dass sich der AG jede Kleinigkeit so zurecht drehen könnte, dass ich zur Zahlung von 25.000€ verpflichtet wäre?

Freundliche Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 23. März 2010 | 20:59

Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Frage.

Das BAG hat in der Entscheidung vom 4.3.2004, 8 AZR 196/03 die Höhe der Vertragsstrafe in Verbindung mit der Kündigungsfrist gebracht.

In diesem Fall war eine Vertragsstrafe von einem Bruttogehalt bei einer Kündigungsfrist von zwei Wochen unangemessen. Die in Ihrem Vertrag genannte Höhe halte ich generell für unangemessen und damit für unwirksam. Die Prüfung erfolgt von den Gerichten immer im Einzelfall mit einer Ermessensentscheidung, so dass man immer nur eine Einschätzung abgeben kann. Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass die Klausel nicht greift, für hoch. Die Rechtsprechung beurteilt auch kritisch, ob die Voraussetzungen einer Vertragsstrafe vorliegen. Ihre Klausel läßt auch völlig offen, wann eine Anspruch auf Freistellung von der Verschwiegenheitspflicht besteht. Der AG hat keine Möglichkeit, wegen Nichtigkeiten einen Verstoß vorzuwerfen. Das die Klausel juristisch geprüft ist, halte ich nicht für zutreffend.

Wenn Sie Bedenken haben, sollten Sie vor Unterschrift mit dem AG über die Klausel sprechen und ggf. eine Streichung oder Reduzierung der Höhe verlangen um Sicherheit zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Familienrecht


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